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Affinität

Auch hier stehen die bestimmten Zahlen und die Differentialrechnung im Dienste eines unkontrollierbaren Begriffs, der in der Zeit der Alchymie als Affinität auftrat und trotz aller Verkleidungen auch aus der modernen Chemie nicht auszumerzen ist, weil er schließlich doch nur die Ursache der wirklichen Erscheinung anzugeben sucht, dass die chemischen Stoffe sich bald verbinden, bald nicht verbinden. Den Charakter der Ursache hat der Begriff allmählich verloren; er ist beinahe zu einem Ausdruck für die unerklärte Tatsache geworden. Die will man aber doch erklären, und die moderne Chemie hat auf Grund von Erfahrungen, deren Fülle ein Laie sicherlich nicht zu übersehen vermag, mit Hilfe namentlich der multiplen Proportionen die Erscheinung so gut beschrieben, dass die Beschreibung einer Erklärung zum verwechseln ähnlich sieht. Es ist aber erstaunlich, wie klein die bestimmten Zahlen sind, innerhalb deren sich diese periodisch veränderlichen Größen bewegen. Es mutet an, als wäre die Natur bei der Auswahl ihrer Elemente über die Anfänge des Zählens nicht hinausgekommen. Aber da soll noch mehr erklärt werden, da soll das Verhältnis zwischen den unbekannten Molekülen und den unbekannten Atomen klar gemacht werden, da soll für die makroskopische Vorstellung gezeigt werden, wie und warum das Atom in beiderlei Gestalt, das werdende Atom und das gewordene Atom, sich zu dem Atom anderer Elemente so und nicht anders verhält, wie und warum die Atome in den Molekülen einen Tanz vollziehen, der nicht übel an die Harmonie der Sphären erinnert, wie und warum jedes Atom wieder als eine Welt im Verhältnis zum Atom zweiter Ordnung steht usw. Alle diese geistreichen, die Beobachtung sicherlich ordnenden, die Forschung aneifernden Phantasien haben nur den einen Zweck, das zu erklären, was man früher Affinität genannt hat; denn wenn in den Körpern sich nicht verschiedene Elemente mischten, würde man schwerlich die Hypothese so weit treiben, um bloß die letzte Zusammensetzung der Körper begreiflich zu machen. Wieder sehen wir, dass die Verhältnisse der Elemente sich recht gut durch Zahlen ausdrücken lassen und dass wir durch die Einführung der Differentialänderung nur den Versuch machen, das Verhältnis der Elemente vor aller Messung, im Keimzustande zu überrumpeln. Darum kann sich die Theorie bei dem Atom erster Ordnung nicht genügen lassen; darum klimmt der menschliche Geist weiter zum Atom zweiter und dritter Ordnung, bis er sich eingestehen muß, dass diese Ordnungen ebensowenig ein Ende nehmen können wie die Reihe unserer gewöhnlichen Zahlen. Dazu kommt noch Eins, um diese atomistische Theorie bedenklich erscheinen zu lassen. In der Rechnung kann man das Differential zweiten Grades im Verhältnis zum Differential ersten Grades vernachlässigen, ebenso das Differential dritten Grades im Verhältnis zum Differential zweiten Grades. In der Rechnung, aus praktischen Gründen. In der Naturerkenntnis der Atomistiker jedoch, die Naturerklärung bieten möchte, mußte das Atom des n-ten Grades erst der wahre Jakob sein, erst die wirkende, die erzeugende intensive Größe, erst die letzte Erklärung; und da unser Verstand, fast möchte ich sagen, nach seinen Fallgesetzen, hinter dem Atom n-ten Grades unwiderstehlich zum Atome (n + 1)ten Grades vordringt, so kann der arme Verstand auch bei der Atomistik nicht zur Ruhe kommen.