[Verblendung solcher durch den Spielteufel, durch Sammelleidenschaft.]


Welches Maß von Torheiten der Spiel- und Spekulationsteufel zu zeitigen vermag, zeigten nicht nur die verkrachten Existenzen jener Offiziere und Angehörige der Aristokratie, die im "Jeu" trotz ungünstiger Erfahrungen immer wieder ihr Glück versuchten und nicht selten noch in Monte Carlo das hereinzubringen glaubten, was sie an den heimatlichen Spieltischen verloren. Es sind dies zweifellos zum erheblichen Teile beschränkte Individuen, die ohne Überlegung sich ihres Besitzes entäußerten und noch dazu ihre Angehörigen in die schlimmste Klemme brachten. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß auch gegenwärtig in deutschen Großstädten der Spielteufel noch arg grassiert. Die Beteiligten sind wahrscheinlich zum erheblichen Teile Kriegsgewinnler, über deren intellektuelle Qualität sich nichts Bestimmtes sagen läßt. Unter den Spekulanten, die durch Börsenspiel oder andere gewagte Unternehmungen Reichtümer zu erwerben suchen und sich dabei zugrunde richten, finden sich zweifellos viele von Haus aus wohlbegabte Menschen, die durch ihre Leidenschaft so beherrscht und verblendet werden, daß sie zu einer kühlen Beurteilung der Geschäftslage und der Chancen ihrer Unternehmungen nicht befähigt sind. Gewinne verleiten sie, ihr Glück mit noch höheren Einsätzen zu versuchen, Verluste schrecken sie nicht ab, das gewagte Spiel fortzusetzen, bis der Zusammenbruch erfolgt. Auch manche sehr intelligente und vom Glück lange Zeit begünstigte Spekulanten entgehen diesem Schicksal nicht. Der Spekulationsteufel sitzt ihnen so sehr im Blute, das sie die Erfolge ihrer Geschäfte nie ruhig zu genießen vermögen, sondern durch dieselben nur zu neuen, kühneren Spekulationen verleitet werden, die schließlich fehlschlagen.

Ähnlich dem Spielteufel kann auch die Sammelleidenschaft intelligente Personen in einer Weise beherrschen, daß sie dieselben des nüchternen Urteils beraubt. Sie verwenden auf die Vermehrung ihrer Sammlungen Beträge, die nicht im Einklang mit ihren Vermögensverhältnissen stehen, und werden gelegentlich die Beute von Schwindlern, die ihnen Falsifikate zu hohen Preisen aufhalsen. Selbst zu verbrecherischen Handlungen kann diese Leidenschaft den Anstoß geben. Es sind mir Fälle bekannt geworden, in welchen Männer von tadelloser Vergangenheit sich verleiten ließen, Objekte, die ihre Passion besonders erregt hatten und durch Kauf nicht zu erlangen waren, zu entwenden.

Es muß schließlich noch bemerkt werden, daß die Leidenschaft, obwohl ihr der den geistigen Horizont beschränkender Einfluß nie fehlt, doch nicht immer zu minderwertigen intellektuellen Leistungen führt, sondern mitunter, wie gelegentlich auch der Affekt, die geistige Produktivität des Individuums erhöht. Der Künstler, der sich mit Leidenschaft dem Schaffen eines Werks hingibt, der Erfinder, der, aller Schwierigkeiten und Hindernisse ungeachtet, ohne Rast und Ruhe nur nach dem Ziel strebt, das er sich gesteckt hat, der Politiker, der mit Leidenschaft seine oder seiner Partei Anschauungen verficht — sie alle erreichen mehr, als sie bei kühlem Abwägen ihrer Aufgabe erzielen würden.

 

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