Zur Theorie der Halluzination


(1912)

 

Unter den tausendfachen Arrangements der Neurose, die durch das Endziel einer fiktiven Überlegenheit erzwungen werden, denen eine Verstärkung der halluzinatorischen Fähigkeit der Seele zugrunde liegt, treten neurotisch-zweckdienlich gelegentlich auch Halluzinationen auf.

Die Betrachtung der Realien der Hirn- und Nervenerregungen, in deren Bereich man gewöhnlich die Empfindungen, Wahrnehmungen, zuweilen auch die Erinnerungen, Reflexe und motorischen Impulse annimmt, führt nicht über die Hypothese von Schwingungen und Wellenbewegungen der Nerven­substanz und von chemischen Veränderungen derselben hinaus. Mehr aber als plausible, ewig unerweisbare Zusammenhänge hier zu suchen ist ein logischer Fehlschluß, der nur der Vulgärpsychologie erlaubt ist. Der Aufbau eines Seelenlebens aus mechanischen, elektrischen, chemischen oder analogen Erregungen ist derart unfaßbar, daß wir viel lieber zu der andern Hilfshypothese greifen, anzunehmen, daß im Begriff und Wesen des »Lebens« bereits ein Seelenorgan mitgedacht werden muß, das nicht subordiniert, sondern koordiniert, aus kleinen Anfängen erwachsend, auf Erregungen antwortend seine endgültige Form bezieht.

Wo immer wir dieses seelische Organ betrachten, immer finden wir es auf innere und äußere Eindrücke in Aktion, nicht bloß in Reaktion begriffen, immer bereitet es das Tun und Handeln des Individuums vor. Aber es erschöpft sich nicht als Wille allein, sondern ist zugleich planvolle Einordnung der Erregung, bewußtes und unbewußtes Verständnis derselben und seiner Zusammen­hänge mit der Welt, Voraussicht und Lenkung des Willens in eine für das Individuum charakteristische Richtung. Immer in Bewegung läuft seine Linie stets in der Richtung einer Verbesserung, Ergänzung, Erhöhung, so als ob alles Empfinden der persönlichen Lage Anlaß zu einer leichteren oder schweren Empfindung der Unruhe und Unsicherheit wäre. Die stets wachen Bedürfnisse und Triebe hemmen den Schlaf des seelischen Organs. Und in jeder seiner von uns festgehaltenen Erscheinungsform können wir die Unruhe als Vorgeschichte, die Gegenwart als Reaktion und die Zukunft als fiktives Ziel der Erlösung wahrnehmen. Dabei wirkt die Aufmerksamkeit durchaus nicht als unvoreingenommene Bereitschaft, die etwa unbefangene Erinnerungen mit tendenzlos erlittenen Eindrücken zu einem objektiven Ergebnis summiert. Dem individualpsychologisch nicht geschulten Untersucher und Beobachter verschwinden selbst die gröberen Unterschiede, und des ausschlaggebenden individuellen Untertons wird er niemals bewußt. Ihm ist beispielsweise Angst gleich Angst. Es ist aber für die Menschenkenntnis viel bedeutsamer, ob einer Angst hat, um davonzulaufen oder um einen zweiten als Hilfskraft in seinen Dienst zu stellen. Prüfe ich seine Erinnerungsfähigkeit oder Gedächtnisstärke, seine Aufnahmsfähigkeit oder Schlagfertigkeit, so weiß ich noch immer nicht, wo er hinaus will. Die Hauptfrage der Individualpsychologie bei jedem seelischen Phänomen lautet: was ist die Folge davon? Ihre Beantwortung erst gibt uns Aufschluß über den zu erwartenden Vorgang und ermöglicht ein Verständnis des Individuums. Deshalb ist die experimentelle Psychologie allein nicht imstande, uns über Begabung oder Wert eines Menschen zu belehren, weil wir von ihr nie erfahren können, ob einer sein seelisches Vermögen zum »Guten oder zum Schlechten« gebrauchen wird, ganz abgesehen davon, daß viele für eine Prüfung begabt sein können, ohne es fürs Leben zu sein. Ebenso wird der Erfolg der Prüfung davon abhängen, in welcher Gemeinschaftsbeziehung Prüfer und Geprüfter, Prüfling und das Gebiet der Prüfung stehen.

Bei jeder Vorstellung oder Wahrnehmung handelt es sich um komplizierte Leistungen, bei denen die jeweilige seelische Situation eine große Rolle spielt und die Aufmerksamkeit in ihrer Stärke und Richtung hervorragend beeinflußt. Schon die einfache Wahrnehmung ist nicht objektiver Eindruck oder nur Erlebnis, sondern eine schöpferische Leistung von Vor- und Hintergedanken, bei der die ganze Persönlichkeit in Schwingung ist. Wahrnehmung und Vorstellung sind aber nicht prinzipiell verschiedene Akte. Sie verhalten sich wie Anfang und vorläufiges Ende eines Vorgangs zueinander. In die Vorstellung fließt alles ein, was wir im gegebenen Moment von ihr brauchen und erhoffen, um uns unserem individuellen Ziele zu nähern. Auch der Grad der Lust und Unlust, den wir dabei verspüren, ist gerade so groß, daß er die Erreichung des vorschwebenden Zieles fördert, ja daß er sogar dazu anspornt. Daß es sich bei der Vorstellung um einen schöpferischen Akt handelt, geht daraus hervor, daß man sich Gegenstände und Personen von einer Seite vorstellen kann, ebenso wie bei der Erinnerung, die man bei unmittelbarer Wahrnehmung nie hätte sehen können. So, wenn man in der Erinnerung sich selbst im Bilde sieht. Dieser schöpferische Akt einer angeborenen seelischen Fähigkeit, die sich entfaltet hat und durchaus mit der Außenwelt Fühlung besitzt, liegt auch der halluzinatorischen Fähigkeit zugrunde. Es ist die gleiche psychische Kraft, die in der Wahrnehmung, Vorstellung, Erinnerung und Halluzination eine schöpferisch aufbauende Tätigkeit gestattet, wenn auch in verschiedenem Maße.

Diese im allgemeinen als halluzinatorische Komponente der Seele zu benennende Qualität ist sicherlich in der Kindheit leichter wahrzunehmen. Ihr Widerspruch gegen die Logik, diese Funktion und Bedingung des gemeinschaftlichen Lebens, zwingt uns zu einer weitgehenden Drosselung, ja Ausschaltung der reinen Halluzination. Die in ihr wirkende seelische Kraft bleibt im Rahmen der gesellschaftlich geltenden Funktionen der bis zu einem hohen Grad beweisbaren Wahrnehmung, Vorstellung und Erinnerung vorbehalten. Nur wo sich das Ich aus der Gemeinschaft heraushebt und sich der Isolierung nähert, im Traum, wo es die Überwältigung der andern sucht, in der tödlichen Unsicherheit des Verschmachtens in der Wüste, die aus der Qual des langsamen Vergehens eine tröstende Fata morgana aus sich entbindet, in der Neurose und Psychose, den Zustandsbildern isolierter, für ihr Prestige kämpfender Menschen, weichen die Klammern, und mit ekstatischer Glut taumelt die Seele in die Bahn des Gemeinschaftslosen, des Irrealen, baut sich eine zweite Welt, in der die Halluzination Geltung hat, weil die Logik nicht so viel gilt. Meist ist noch so viel Gemeinschaftsgefühl in Kraft, daß die Halluzination als unwirklich empfunden wird. So meist im Traum und in der Neurose.

Einer meiner Patienten, der durch tabische Sehnervenatrophie das Augenlicht verloren hatte, litt unausgesetzt an Halluzinationen, die ihn, wie er sagte, aufs äußerste quälten. Die landläufige Annahme, als ob die mit dem Leiden zusammenhängenden Reizzustände im Optikus zu Erregungen führten, die eine Umdeutung und Rationalisierung erfahren, geht unserer Frage aus dem Wege. Erregungen in der Sehsphäre seien ohne weiteres zugegeben. Ihre eigenartige Umdeutung in bestimmte Inhalte, deren Gemeinsames immer wieder als Qual für den Patienten zum Vorschein kommt, zwingt uns zur Annahme einer gleichmäßig wirkenden Tendenz, die sich jener Erregungen bemächtigt, sich ihrer als Material bedient. Auf diesem Wege kommt man zu Erklärungen psychologischer Natur. Die bisherige Forschung ging der Frage nach: was sind solche Halluzinationen? und endete in einer nichtssagenden Tautologie: Erregungen in der Sehsphäre. Wir setzen wie bei allen Grundtatsachen des Lebens und der Natur, wie etwa bei der objektiven Tatsache des Lebens, der Assimilation, der Elektrizität, eine gewisse Unnennbarkeit und Unerkennbarkeit ihrer Wesen voraus und sehen in der Halluzination eine der Logik und dem Wahrheitsgehalt des gesellschaftlichen Lebens widersprechende Äußerung der seelischen Fähigkeit, wie sie andeutungsweise in der Vorstellung und in der Erinnerung zu finden ist, deren Wesenheit unserem Verständnis auch bis zu einem gewissen Grade verschlossen sind. So lehrt uns diese Betrachtung, daß sich der Halluzinant aus dem Bereiche des Gemeinschaftsgefühls entfernt hat und mit Umgehung der Logik, unter Drosselung des Wahrheitsgefühls einem anderen als dem uns gewohnteren Ziele nachstrebt.

Dieses Ziel ist aus der Halluzination nicht ohne weiteres zu erschließen. Sie ist wie jedes aus dem Zusammenhang gerissene seelische Phänomen vieldeutig.1) Der wahre Sinn der Halluzination, ihre Bedeutung, ihr Wohin und ihr Warum — dies sind die Fragen unserer Individualpsychologie — ist nur aus dem Ganzen des Individuums, aus seiner Persönlichkeit zu verstehen. Als deren Ausdruck in einer besonderen Position gilt uns auch die Halluzination.

In unserem Falle war also die Sehfähigkeit erloschen, die halluzinatorische Fähigkeit aber gesteigert. Ununterbrochen klagte der Patient über »Wahrnehmungen«, die uns nicht durchwegs als quälend erscheinen könnten. So wenn er Farben sah oder Bäume oder die Sonne, die ihm ins Zimmer nachfolgte. Wir müssen nun hervorheben, daß der Kranke Zeit seines Lebens ein Quälgeist war und das ganze Haus tyrannisierte, und wir konnten aus seinem ganzen Vorleben den Eindruck gewinnen, einen Menschen vor uns zu haben, der seine Größe darin gefunden hatte, stets tonangebend zu sein und den Kreis seiner Familie unausgesetzt mit sich zu beschäftigen. Seit seine Erblindung eingetreten war, gelang ihm dies nicht mehr auf dem Wege der normalen Geschäftsbetätigung und seiner Oberaufsicht im Hause, wohl aber durch den fortwährenden Hinweis auf seine quälenden Halluzinationen. Er hatte das Mittel gewechselt. Da auch sein Schlaf vielfach unterbrochen war, tat der Impuls seiner Herrschsucht sein übriges auch des Nachts. Aus den »Erregungen seiner Sehsphäre« baute er eine weitere Halluzination auf, die ihm Gelegenheit gab, seine Frau gänzlich an sich zu binden. Er sah, wie Zigeuner seine Frau raubten und sie mißhandelten. In einer Anwandlung von Grausamkeit, wohl auch von Rachsucht ob des Verlustes seines Augenlichtes weckte er die Frau unaufhörlich aus dem Schlaf, um sich von der Unrichtigkeit seiner Halluzination zu überzeugen, auch um zu verhindern, daß man die gequälte Frau aus seiner Nähe brächte.

So wie dieser Patient durch eine intensive Präokkupation und durch Ausbildung seiner halluzinatorischen Fähigkeit, nachdem ihm alle Macht entrissen schien, wieder in seinem Herrschaftsgelüste obenauf kam, sah ich eine ganze Anzahl von Halluzinanten, die in ähnlicher Tendenz zu ihrem Leiden gekommen waren. Ein schöner Fall mit lehrreicher Struktur aus einer späteren Zeit war folgender: Ein Mann aus guter Familie mit ausreichender Vorbildung, aber eitel, ehrgeizig und lebensfeig, hatte in seinem Berufe Schiffbruch gelitten. Zu kraftlos, um selbsttätig das hereinbrechende Schicksal zu wenden oder zu ertragen, wandte er sich dem Alkohol zu. Mehrere Delirien mit Halluzinationen brachten ihn ins Krankenhaus und erlösten ihn von der Erfüllung seiner Lebensaufgabe. Eine solche Wendung zum Alkoholismus ist häufig und versteht sich — ebenso wie Faulheit, Verbrechen, Neurose, Psychose und Selbstmord als die Ausreißerei haltloser Ehrgeizlinge vor der erwarteten Niederlage und als Revolte gegen die Forderungen der Gemeinschaft. Als er das Krankenhaus verließ, war er vom Alkoholismus endgültig befreit und wurde Abstinent. Seine Vorgeschichte aber war ruchbar geworden, seine Familie hatte sich von ihm zurückgezogen, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich durch schlecht entlohnte Erdarbeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Kurze Zeit nachher stellten sich Halluzinationen ein und störten ihn bei seiner Arbeit. Er sah fast ununterbrochen einen Mann, den er nicht kannte, der ihm durch höhnisches Grinsen die Arbeit verleidete. An die Wirklichkeit der Gestalt mochte er nicht glauben. Übrigens kannte er aus der Zeit seines Alkoholismus die Bedeutung und das Wesen von Halluzinationen. Eines Tages warf er, um sich seines Zweifels zu entledigen, ein Beil nach der Gestalt. Sie wich geschickt aus, versetzte aber hernach dem Patienten eine tüchtige Tracht Prügel.

Diese merkwürdige Reaktion legt natürlich den Gedanken nahe, daß unser Patient imstande war, gelegentlich auch einen wirklichen Menschen für seine Halluzination zu nehmen, ähnlich wie es in Dostojewskis »Doppelgänger« an einzelnen Stellen angedeutet wird.

Ein Zweites lehrt uns dieser Fall. Es genügt nicht immer, jemanden zur Abstinenz zu bringen. Man muß auch einen anderen Menschen aus ihm machen. Anderenfalls wird er in eine andere Art von Ausreißerei verfallen, als welche uns in diesem Falle die Halluzination und ihre störenden Folgen entgegentreten. Ferner verbietet, wie im ersten Fall, die Position des Kranken, sich aus dem Kreis der Familie entfernen zu lassen — weil die Prestigepolitik dabei leiden würde — so zwingt die Furcht vor dem Eingeständnis einer Niederlage im Leben — also die gleiche Prestigepolitik — im zweiten Falle zur Krankheitserklärung und zum Aufsuchen des Krankenhauses. Denn nur so ist dieser Fall zu verstehen, daß die Halluzination genauso wie vorher der Alkoholismus einen Trost und Vorwand abgeben mußten für das Entschwinden ehrgeiziger eigensüchtiger Hoffnungen. Erst wenn er aus seiner Isolierung und Entmutigung der Gemeinschaft wiedergegeben werden könnte, wäre dieser Fall zu retten.

Zugleich sehen wir, wie der Alkoholismus mit seiner Fähigkeit, Halluzinationen zu produzieren, Material und Eignung für die spätere Entwicklung zum Halluzinanten bot. Ohne alkoholisches Vorstadium hätte eine andere Präokkupation, eine andere Neurose einsetzen müssen.

Der dritte Fall stammt aus der Zeit nach dem Kriege und betrifft einen Mann, der nach den gewöhnlichen, unmenschlich grausamen Kriegs­erlebnisssen an Erscheinungen von fugue, von großer Reizbarkeit und Angstzuständen mit Halluzinationen erkrankte. Derzeit stand er in ärztlicher Untersuchung wegen einer Invalidenrente, zu der er sich wegen namhaft geminderter Erwerbsfähigkeit voll berechtigt glaubte. Er berichtete, daß er häufig, besonders wenn er allein ging, hinter sich eine Gestalt auftauchen sah, die ihm ungeheure Angst einjagte. Alle diese Erscheinungen zusammen genommen und eine auffallende Zerstreutheit hatten es ihm unmöglich gemacht, so gute Arbeit zu leisten wie zuvor.

Der Klage über verminderte Erwerbsfähigkeit, über Verlust von ehemals erworbenen Fähigkeiten nach dem Kriege begegnet man bei Kriegsteil­nehmern außerordentlich häufig. Es kann nicht bezweifelt werden, daß viele von ihnen tatsächlich viel von ihrer Leistungsfähigkeit durch die langjährige Entwöhnung eingebüßt haben. Immerhin ließe sich manches davon wieder einholen. Man sieht aber bei vielen von ihnen jene Bewegungen nicht, die darauf hinzielten, sich die früheren Fertigkeiten wieder zu erobern. Und man kann genug Fälle beobachten, die so sehr alle Hoffnung aufgegeben haben, daß es bereits der Logik widerspricht. Ihre Vorgeschichte entlarvt sie als alte, nervöse Charaktere, die immer schon vor Entscheidungen zurückgebebt sind, und nun, neuerlich vor eine Prüfung gestellt, wie in alten Zeiten in neurotisches Lampenfieber verfallen. Eine Steigerung erfährt ihre »zögernde Attitüde« noch, weil sie die Rentenentschädigung lockt, weil sie mit Inbrunst ein Privileg suchen, das sie weiterer Kraftleistungen und Erprobungen überhebt. Wie eine Zärtlichkeit und Liebkosung suchen sie die Rente, zuweilen wie die Bestätigung ihres Rechts und des Unrechts der andern. Der Geldwert kommt nur scheinbar in Betracht, sofern er die Höhe ihres Leidens kennzeichnet. Die Höhe der nervösen Erscheinungen muß deshalb bis zu jenem Punkte gedeihen, an dem die Leistungsfähigkeit des Patienten sichtlich geschädigt erscheint.

Vor Simulationsverdacht schützt sie die Vorgeschichte. Oft diese allein. Unser Patient stand immer isoliert. Er hatte keine Freunde und keine Liebesbeziehungen, lebte zurückgezogen bei seiner Mutter und hatte selbst die Beziehungen zu seinem einzigen Bruder völlig abgebrochen. Erst der Krieg brachte ihn wieder in eine Gemeinschaft, ohne daß diese ihn für sich hätte gewinnen können. Als eines Tages in seiner Nähe eine Granate platzte, stellten sich Angsterscheinungen ein und die obige, die Angst interpretierende Halluzination. Seine Erkrankung ermöglichte es ihm, sich aus der ihm unliebsamen Gemeinschaft wieder zurückzuziehen. Seine Stellung zur Gesellschaft war noch feindlicher geworden. Diese heimlich revoltierende Haltung mußte sich im Berufe geltend machen, der im tiefsten Sinne die Bejahung der gesellschaftlichen Mitarbeit bedeutet. Dem Mitspielen mehr als früher abgewandt, mochte er wohl selbst die dadurch geminderte Leistungsfähigkeit empfinden. Seine Zerstreutheit spricht dafür, daß er nicht recht bei der Sache war. Die Gesellschaft aber, deren Feind er immer war, sollte ihm ihren letzten Angriff büßen. Sie sollte ihm in Form der Rente wie einem Sieger ihren Tribut zahlen. Als er von der Front zurück wollte, entwertete er die Logik und kam so zur rettenden Halluzination. Sie blieb ihm auch nach dem Kriege, bis er die Rente als siegreiches Symbol errungen hatte.

Auch in diesem Falle wäre eine Heilung nur durch eine bessere Einfügung in die Gemeinschaft zu erwarten. Ein Verschwinden des Symptoms, wie es auch ohne Behandlung in spannungsloseren Situationen vorzukommen pflegt, wäre nur ein Scheinerfolg.

 

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1) Manche Deutungskünstler, wie die Sexualpsychologen, haften ganz oberflächlich an der Zweideutigkeit des Phänomens und reden dabei von Tiefenpsychologie.


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