3. Scham.
Ein Affekt, der sowohl verbindend wie trennend ist, ist die Scham. Auch sie ist ein Gebilde des Gemeinschaftsgefühls und als solches aus dem menschlichen Seelenleben nicht zu bannen. Die menschliche Gesellschaft wäre ohne diesen Affekt unmöglich. Er tritt in solchen Situationen auf, wo infolge eines Eingriffes in die seelische Sphäre eines Menschen der Wert der eigenen Persönlichkeit zu sinken, wo insbesondere von der Würde, deren sich jeder Mensch bewußt ist, etwas verloren zu gehen droht. Dabei greift dieser Affekt äußerst stark auf das Körperliche über. Der Vorgang besteht physisch in einer Erweiterung der peripheren Blutgefäße, wodurch eine Blutüberfüllung zustande kommt, die meist im Gesicht erkennbar ist. Es gibt Menschen, die sogar auf der Brust rot werden.
Die äußere Haltung ist die der Loslösung von der Umgebung. Es ist eine Gebärde der Zurückziehung verbunden mit einer Verstimmung, die eher eine Geste zur Flucht ist. Die Abwendung, die niedergeschlagenen Augen sind Fluchtbewegungen, die uns deutlich das Trennende in diesem Affekt zeigen.
Hier setzt auch gleich wieder der Mißbrauch ein. Es gibt Menschen, die auffallend leicht erröten. Bei ihnen wird man finden können, daß sie auch sonst in ihren Beziehungen zu den Mitmenschen das Trennende schärfer hervorheben als das Verbindende. Ihr Erröten ist ein Mittel, sich der Gesellschaft zu entziehen.