1. Arbeitsteilung und Zweigeschlechtlichkeit.


Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, daß im Seelischen zwei Richtlinien vorwalten, die alles psychische Geschehen beeinflussen und bewirken, daß der Mensch bei der Herstellung und Sicherung seiner Lebensbedingungen, bei der Erfüllung der drei Hauptaufgaben des Lebens (Liebe, Beruf und Gesellschaft) sowohl sein Gemeinschaftsgefühl betätigt, als auch sein Geltungsstreben, sein Streben nach Macht und Überlegenheit durchsetzen kann. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, jede wie immer geartete seelische Erscheinung darnach zu beurteilen, in welchem Quantitäts- und Qualitätsverhältnis diese beiden Faktoren zueinander stehen und, wenn wir dem Verständnis der Seele näherkommen wollen, regelmäßig daraufhin zu untersuchen. Denn das Vorhandensein dieser Faktoren bedingt es, inwiefern ein Mensch imstande ist, die Logik des menschlichen Zusammenlebens zu erfassen und sich in die durch dieselbe erzwungene Arbeitsteilung einzufügen.

Die Arbeitsteilung ist ein unumgänglich notwendiger Faktor zur Erhaltung der menschlichen Gesellschaft. Sie bringt es mit sich, daß jeder seinen Platz an irgendeiner Stelle ausfüllen muß. Nimmt einer an dieser Forderung nicht teil, so verneint er die Erhaltung des gemeinschaftlichen Lebens, des Menschengeschlechtes überhaupt, er fällt aus seiner Rolle als Mitmensch heraus und wird ein Störenfried. In leichteren Fällen sprechen wir dann von Unarten, Unfug, Eigenbrödelei, in schwierigeren von Sonderlingsart, Verwahrlosung und später von Verbrechen. Die Verurteilung solcher Erscheinungen stammt ausschließlich aus ihrem Abstand, aus ihrer Unverträglichkeit mit den Forderungen des gemeinschaftlichen Lebens. Daher ist es die Art, wie ein Mensch die Stelle, die ihm in der Arbeitsteilung der Gemeinschaft zugewiesen ist, ausfüllt, die seinen Wert ausmacht. Er wird durch die Bejahung des gemeinschaftlichen Lebens für die andern bedeutsam und eines der Glieder einer tausendfältigen Kette, auf der der Bestand menschlichen Lebens beruht, die wir uns nicht in größerer Zahl wegdenken können, ohne daß das gesellschaftliche Leben zusammenfällt. Die Fähigkeiten des Einzelnen sind es, die ihm seine Stelle im Gesamtproduktionsprozeß der menschlichen Gesellschaft anweisen. Allerdings ist hier mancher Wirrwarr hineingekommen, indem Machtstreben, Herrschergelüste und allerhand andere Irrtümer ein Aufgehen in dieser Arbeitsteilung gestört oder verhindert und falsche Grundlagen für die Beurteilung von Menschenwert aufgestellt haben, oder weil der Einzelne sich für die Stelle, an der er sich befindet, aus irgendwelchen Gründen nicht eignet. Oder die Schwierigkeiten sind aus den Machtgelüsten, dem falschen Ehrgeiz Einzelner entstanden, die diese Art des menschlichen Zusammenlebens und Zusammenarbeitens im eigenen, egoistischen Interesse verhindern. Andere Verwicklungen haben ihre Ursache in der Klassenschichtung der Gesellschaft, indem entweder persönliche Macht und ökonomische Interessen die Verteilung des Arbeitsgebietes beeinflussen, so daß genußvollere Stellungen, die mehr Macht verleihen, an bestimmte Gesellschaftsgruppen gelangen, während andere davon ausgeschlossen sind. Die Erkenntnis der ungeheuren Rolle, die das Streben nach Macht in diesen Erscheinungen spielt, läßt uns verstehen, warum der Prozeß der Arbeitsteilung nie glatt vor sich gegangen ist. Es war die Gewalt, die ununterbrochen eingegriffen hat, um die Arbeit für die einen zu einer Art Privilegium, für die andern zu einer Art Unterdrückung auszugestalten.

Eine solche Arbeitsteilung nun ist auch durch die Zweigeschlechtlichkeit der Menschen gegeben. Sie schließt von vornherein einen Teil, die Frau, zufolge ihrer Körperbeschaffenheit von bestimmten Leistungen aus, während es anderseits gewisse Arbeiten gibt, die man Männern nicht zuweist, weil sie ihnen ihrer besseren Verwendbarkeit wegen nicht eigentlich gelegen sind. Diese Arbeitsteilung wäre nach einem ganz unvoreingenommenen Maßstab durchzuführen und, soweit die Frauenbewegung in der Hitze des Gefechtes den Bogen nicht überspannt, hat sie auch die Logik dieses Gesichtspunktes in sich aufgenommen. Sie ist weit davon entfernt, die Frau zu entweiblichen oder die natürlichen Beziehungen von Mann und Frau zu den für sie geeigneten Arbeitsgelegenheiten zu zerstören. Im Lauf der menschlichen Entwicklung hat sich die Arbeitsteilung so gestaltet, daß die Frau einen Teil jener Arbeiten übernimmt, die sonst auch den Mann beschäftigen würden, wofür letzterer wieder in der Lage ist, seine Kräfte nutzbarer zu verwerten. Diese Arbeitsteilung kann nicht unvernünftig genannt werden, solange dadurch nicht Arbeitskräfte brachgelegt sind und mit geistigen und körperlichen Kräften Mißbrauch getrieben wird.


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