Begriff - Kant, Schelling, Fichte, Hegel


KANT scheidet scharf zwischen Begriff und Anschauung (s. d.). Ersterer ist »eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung, sofern sie in verschiedenen enthalten sein kann« (Log. S. 139). An jedem Begriffe sind Materie und Form zu unterscheiden (l.c. S. 140). Es gibt empirische und reine Begriffe, letztere entspringen auch dem Inhalte nach aus dem Denken (ib.). Der empirische Begriff, »entspringt aus den Sinnen durch Vergleichung der Gegenstände der Erfahrung und erhält durch den Verstand bloß die Form der Allgemeinheit« (l.c. S. 141). Es gibt »gegebene (conceptus dati) oder gemachte Begriffe (conceptus factitii). Die ersteren sind entweder a priori oder a posteriori gegeben« (ib.). Die Begriffe entstehen durch »Komparation«, »Reflexion« und »Abstraktion« (l.c. S. 145). Anschauung und Begriff sind »der Spezies nach ganz verschiedene Vorstellungsarten« (Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 120). Begriffe sind Produkte oder »Funktionen« des Verstandes (s. d.), der Spontaneität (s. d.) des Denkens, die sich auf die Gegenstände nur mittelst der Anschauung, nicht unmittelbar richten (Kr. d. r. Vern. S. 88). Sie sind ohne Inhalt »leer«, wie Anschauungen ohne Begriffe »blind« sind (l.c. S. 77). Die »reinen« Begriffe (Kategorien, s. d.) können nichts Empirisches enthalten, »müssen aber gleichwohl lauter Bedingungen a priori zu einer möglichen Erfahrung sein« (l.c. S. 113). Begriffe sind Bestandteile möglicher Urteile. Nach REINHOLD ist der Begriff eine »Vorstellung, welche aus einer Anschauung durch die Handlungsweise der Spontaneität entsteht« (Th. d. Vorst. II, 425). BECK versteht unter Begriff ein »Beilegen gewisser Bestimmungen, wodurch wir einen Beziehungspunkt uns fixieren« (Erl. III, 141). Nach KIESEWETTER ist ein Begriff »die Vorstellung, welche mehrere Vorstellungen unter sich begreift, oder wodurch mehrere Vorstellungen als eine in einer Einheit verbunden gedacht werden« (Gr. d. Log. § 12, vgl. § 17). CHR. SCHMID nennt Begriff eine Vorstellung »mit Rücksicht auf die bestimmte Art der Tätigkeit, die das Gemüt an dem gegebenen Stoff ausübt, wie das Gemüt den Stoff behandelt, nämlich ihn zu verbinden (begreifen)« (Emp. Psych. S. 199). G. E. SCHULZE versteht unter Begriffen »allgemeine oder gemeinsame« Vorstellungen, indem sie das vorstellen, was »mehrere Dinge als Bestimmungen miteinander gemein haben« (Gr. d. allg. Log.3, S. 3). Nach FRIES entstehen die Begriffe »durch Vergleichung und Abstraction, indem wir einzelne Teilvorstellungen aus einer ganzen Erkenntnis heraus trennen« (N. Kritik I, 210). »Jeder Begriff enthält ein abgesondertes Bewußtsein einer allgemeinen Vorstellung. Seine Form besteht in der Allgemeinheit der Vorstellung, das heißt darin, daß mehrere andere Vorstellungen, denen er als Teilvorstellung zukommt, unter ihm stehen, er aber andere, die seine Teilvorstellungen sind, in sich enthält« (Syst. d. Log. S. 105). Nach SCHELLING ist der Begriff ein Denkakt (Syst. d. tr. Id. S. 45). Er ist nicht das Allgemeine, sondern »die Regel, das Einschränkende, das Bestimmende der Anschauung« (l.c. S. 286). »Die Begriffe als solche existieren... nirgends als im Bewußtsein« (WW. I, 10, 140). Nach SCHOPENHAUER ist der Begriff »Vorstellung einer Vorstellung« (W. a. W. u. V. Bd. I, § 9), keine eigentliche Vorstellung, sondern hat sein Wesen in der Beziehung auf Vorstellungen. Es gibt auch Begriffe von Einzeldingen (ib.). Die Begriffe bilden »eine eigentümliche, von den... anschaulichen Vorstellungen toto genere verschiedene Klasse, die allein im Geiste des Menschen vorhanden ist« (ib.). Nach HILLEBRAND ist der Begriff »die freie Zusammennahme der einzelnen endlich-bestimmten Vorstellungen und Beziehungen in uns unter der Einheit des allgemeinen Wesens« (Phil. d. Geist. I, 206). GÜNTHER versteht unter Begriff den Gedanken von dem Allgemeinen der Erscheinungen (Vorsch. I, 236).

Nach J. G. FICHTE ist der Begriff, »wenn er nur ein der Vernunft notwendiger ist, selbst das Ding, und das Ding nichts anderes als der notwendige Begriff von ihm« (Syst. d. Sittenl. S. 83). HEGEL hypostasiert den Begriff, macht ihn zum Wesen und treibenden Faktor der Dinge; der logische, subjektive Begriff ist eine Entwicklung des natürlichen Begriffes, der in einem ewigen »Prozeß« (s. d.) besteht, Aktivität, Schöpferkraft besitzt und in dialektischer Weise (s. d.) jedesmal seinen Gegensatz erzeugt, um sich mit diesem in einer höheren Einheit zu verbinden, »aufzuheben«. Der Begriff ist »nicht bloß eine subjektive Vorstellung, sondern das 'Wesen' des Dinges selbst, dessen 'An-sich'« (Phän. S. 68), die »an sich seiende Sache« (Log. I, 21). Als Gedanke ist er in der Vernunft als dem »Ort aller Begriffe« (Encykl. § 105), dieser ist er als »lebendiger Trieb« angeboren; er ist »zeitlos« (l.c. § 108). Das »Sein« bildet ein Moment des Begriffs (l.c. § 154). Auf dem Begriffe beruht alle Wahrheit und Wirklichkeit (l.c. § 157). Er ist die »Freiheit und Wahrheit der Substanz«, die »Wahrheit des Seins und des Wesens«, »das Freie, die Totalität, in dem jedes der Momente das Ganze ist, das er ist, das an und für sich Bestimmte«, das »schlechthin Konkrete« (l.c. §. 158-164). In der Natur (s. d.) ist der Begriff nur ein »blinder« (Log. III, 20). Erst im Leben als Seele kommt er zur innerlichen Existenz (Naturphil. S. 30). Nur als »Gesetztes« ist der Begriff ein »Subjektives«, ein »formeller« Begriff (Log. S. 32). Als »adäquater« Begriff ist er »die Vernunft, die sich selbst enthüllende Wahrheit« (l.c. S. 33). In der Wirklichkeit wie im Denken entwickelt sich der Begriff »in unaufhaltsamem, von außen nichts hereinnehmendem Gange« (l.c. I, 41). Der Begriff entwickelt sich aus dem »An-sich« (s. d.) durch die Natur (s. d.) hindurch zum An-und-für-sich, zum selbstbewußten Begriff, zum absoluten Geist (s. d.).


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