Zahl - Baumann, Cohen, Husserl, Natorp


Nach WUNDT ist der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Zahlbegriffs die Einheit. Träger des Einheitsbegriffs ist der einzelne Denkakt. »Die Funktion des Zählens besteht, worauf sie sich auch beziehen möge, immer in einer Verbindung einzelner Denkakte zu zusammengesetzten Einheiten. In dieser Beziehung ist die Funktion des Zählens nur eine spezielle Äußerung der logischen Funktion des Denkens selbst. Sie entsteht aus der Verbindung aufeinander folgender Denkakte, wenn von dem Inhalt der letzteren völlig abstrahiert wird. Wie die Eins alles Mögliche bezeichnet, was als einzelner Denkakt gegeben sein kann, so stellt jede aus Einheiten zusammengesetzte Zahl eine Reihe von Denkakten beliebigen Inhalts dar, die entweder wirklich durchlaufen worden sind, oder deren Vollzug man als eine Aufgabe bezeichnen will, deren Lösung in derselben Weise geschehen kann, in welcher unser Denken fortwährend einzelne Vorstellungen zu zusammengesetzteren Einheiten verbindet. Nur daraus, daß die Zahl ein aus der diskursiven Beschaffenheit des Denkens notwendig hervorgehender abstrakter Begriff ist, wird es erklärlich, daß weitaus die meisten Zahlen Aufgaben sind, die wir niemals wirklich lösen, d.h. niemals wirklich aus den Einheiten zusammenfügen, aus denen sie bestehen.« »Der Begriff der Zahl ist, was nach Elimination aller... wechselnden Elemente als das Konstante zurückbleibt, die Verbindung der einzelnen Denkakte als solcher, abgesehen von jedem Inhalt« (Log. I2, 521 ff.. II2, 1, 131 ff., 199 ff.). »Die Zahl ist die Zusammenfassung eines Mannigfaltigen zur Einheit« (Syst. d. Philos.2, S. 240). Nach H. CORNELIUS entspringt der Zahlbegriff unmittelbar aus dem Wahrnehmungsprocesse. Jeder Inhalt muß als Teil einer Mehrheit gedacht werden (Psychol. S. 174 f.). Einheit und Mehrheit sind formale Kategorien der Wahrnehmung, gelten unabhängig von der Beschaffenheit des Inhalts (l. c. S. 178). - W. JERUSALEM erklärt: »Die Zahlbegriffe verdanken... ihre Entstehung der objektiven Beschaffenheit der Dinge einerseits und der Urteilsfunktion anderseits. Gruppen gleicher Objekte mußten früh die Aufmerksamkeit erregen, und die Betrachtung solcher Gruppen zwang den Menschen, ein und dasselbe Benennungsurteil zu wiederholen. Wie oft er es aber zu wiederholen habe, das war nicht Sache der Willkür, sondern das wurde eben durch die Anzahl der Individuen bestimmt, die in der Gruppe vereinigt waren.« »Jede Zahl ist eine Synthese. Sie besteht aus Einheiten, ist aber doch ein Ganzes, welches in sich die einzelnen Objekte vereinigt und durch diese Vereinigung zu einem neuen Kraftzentrum wird, in welchem Kräfte immanent sind, die erst durch diese Vereinigung geschaffen worden sind. Diese Synthese erlangt aber nur dadurch hinreichende Festigkeit, daß die Gruppe immer beisammen bleibt und nach der Wiederholung der einzelnen Urteilsakte wieder als ein Ganzes gleichsam zusammengeschaut und zusammengefaßt werden kann« (Die Urteilsfunktion, S. 254 f.). - Vgl. W. BRIX, Üb. d. mathem. Zahlbegriff, Philos. Stud. V, 671 ff.. R. DEDEKIND, Was sind u. was sollen die Zahlen? 1888. G. FREGE, Die Grundlagen der Arithmet., 1888. B. KURY, Über Anschauung u. ihre psych. Verarbeit., Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 1885-91. CHR. EHRENFELS, Zur Philos. d. Mathemat., Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. 1891, 285 ff.. G. FR. LIPPS, Untersuch. üb. d. Grundlag. d. Mathemat., Philos. Stud. IX-XII. M. FACK, Zählen und Rechnen, Zeitschr. f. Philos. u. Pädagog. II, 196 ff., u. a. - Vgl. Mathematik, Seele, Unendlich, Anzahl.


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