Ding-an-sich - Schopenhauer, Nietzsche, Wundt


L. STEIN betont: »Die Welt erscheint uns... nicht, wie sie ist, sondern sie ist so, wie sie uns erscheint; das Ding an sich ist nur ein Ding für mich... Eine andere Wirklichkeit, als die von uns gedachte, gibt es schlechterdings nicht« (An d. Wende d. Jahrh. S. 266). Nach H. CORNELIUS ist das »Ding an sich« im Sinne der unerkennbaren Ursache der Erscheinungen ein »Unvorstellbares und seinem. Begriffe nach innerlich Widerspruchsvolles« (Einl. in d. Philos. S. 323). Die Frage nach der Beschaffenheit der Dinge an sich, des »beharrlichen Seins in der Welt« hat eben »in dem gesetzmäßigen Zusammenhange der Erscheinungen« ihre Antwort (l.c. S. 330; Allg. Psychol. S. 246 ff.). E. MACH hält das Ding an sich für eine Fiktion (Anal. d. Empfind.4, S. 10), so auch OSTWALD (Vorles. üb. Naturphil.2, S. 242). Nach anderen Philosophen ist die Unerkennbarkeit des Dinges an sich eine relative; das An-sich der Dinge wird von ihnen meist nach Analogie der Ichheit, des geistigen Seins bestimmt. SCHOPENHAUER betont, durch äußere Erfahrung, auf dem Wege der Vorstellung kann man nie zu Dingen an sich gelangen. Nur durch innere Erfahrung, besser durch innere Intuition erfaßt das Ich sich selbst unmittelbar in seinem An-sich, als Willen (s. d.). »Ding an sich... ist allein der Wille: als solcher ist er durchaus nicht Vorstellung, sondern toto genere von ihr verschieden: er ist es, wovon alle Vorstellung, alles Objekt die Erscheinung, die Sichtbarkeit, die Objektität ist. Er ist das Innerste, der Kern jedes Einzelnen und ebenso des Ganzen: er erscheint in jeder blind wirkenden Naturkraft« (W. a. W. u. V. Bd. I, § 22, II, C. 1). Nach HERBART erkennen wir nur die Beziehungen, welche die Dinge an sich (»Realen«, s. d.) in unserem Denken annehmen (Met. I, S. 412 ff.). BENEKE (Syst. d. Log. II, 288,) hält das geistige Leben für eine angemessene Erscheinung der Dinge an sich. LOTZE bestimmt die Dinge an sich als (geistige) Monaden (s. d.), deren Beziehungen objectiv-phänomenal erkannt werden, so auch RENOUVIER (Nouv. Monadol.) CLIFFORD bestimmt die Empfindung (s. d.) als »Ding an sich« (Von d. Nat. d. Dinge an sich S. 39, 44). Das Ding an sich ist »Seelenstoff« (mind-stuff, s. d.). R. HAMERLING sieht im Ding an sich die »Voraussetzung desjenigen, was von dem Wahrgenommenen übrigbleibt, wenn man die Wahrnehmung davon abzieht« (Atom. d. Will. I, 82). Das An-sich der Dinge besteht in Kraft- und Lebenspunkten (l.c. S. 83 f.). NIETZSCHE verwirft den Begriff einer Welt von Dingen an sich unbekannter Qualität, einer »Hinterwelt«, die von uns nur zu den Erscheinungen hinzugedichtet wird (WW. XV, 271, 278, 285). Er selbst betrachtet als das An-sich der Dinge den »Willen zur Macht« (s. d.). Nach WUNDT entsteht der Begriff des »Ding an sich« durch Hypostasierung der Objektivität. Die Möglichkeit, daß unser Denken »zur idealen Fortsetzung von Gedankenreihen veranlaßt wird, die über jede gegebene Erfahrung hinausreichen«, ist nicht zu bestreiten. Aber dabei müssen doch wieder die Denkgesetze und Denkformen angewendet werden (Phil. Stud. VII, 45 ff.). Bezeichnet man als Ding an sich den »Gegenstand unmittelbarer Realität«, so muß das denkend-wollende Subjekt ein solches sein. Die Objekte haben nur mittelbare Realität, sie weisen auf ein An-sich hin, das als Wille (s. d.) gedacht werden kann, sind aber selbst nur Phänomene, das geistige Subjekt aber ist nicht Erscheinung, sondern Ding an sich (Log. I2, 546 ff., 549, 552, 555). Das An-sich der Welt ist (vorstellender) Wille (Syst. d. Phil.2, S. 403 ff.; Phil. Stud. XII, 61 f.). Vgl. An-sich, Ding, Erscheinung, Objekt, Noumenon, Gott, Spiritualismus.


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