Kausalität - Kant, Schelling, Hegel


Als eine Kategorie (s. d.) des Denkens, als apriorischer (s. d.), ursprünglicher, unabhängig von der Erfahrung gültiger, diese schon bedingender, in der Einheit des reinen Ich begründeter, den objektiven Zusammenhang der Vorstellungen herstellender, aber nur für die Dinge als Erscheinungen (s. d.) gültiger Begriff wird die Kausalität von KANT bestimmt. Mit Hume stimmt er darin überein, daß wir »die Möglichkeit der Kausalität, d. i. der Beziehung des Daseins eines Dinges auf das Dasein von irgend etwas anderem, was durch jenes notwendig gesetzt werde, durch Vernunft auf keine Weise einsehen« (Proleg. § 27). Aber er ist weit entfernt, den Kausalbegriff »als bloß aus der Erfahrung entlehnt« und die kausale Notwendigkeit »als angedichtet und für bloßen Schein zu halten, den uns eine lange Gewohnheit vorspiegelt« (ib.). Vielmehr ist der Ursprung des Kausalbegriffs ein logischer, intellectualer, indem dieser Begriff erst Erfahrung ermöglicht, objektive Notwendigkeit in ihr erzeugt, setzt. Er ist ein Einheitsbegriff, eine Form aller Erfahrung, ein »reiner Verstandesbegriff«, der nicht in der Wahrnehmung liegt (Krit. d. r. Vern. S. 181). Es ist eben »nur dadurch, daß wir die Folge der Erscheinungen, mithin alle Veränderung dem Gesetze der Kausalität unterwerfen, selbst Erfahrung möglich« (ib.). So ergibt sich a priori das Gesetz: »Alles, was geschieht (anhebt zu sein), setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt« (l.c. S. 180). Die Vorstellung der Aufeinanderfolge setzt schon die Nötigung, die Ordnung der Wahrnehmungen als eine bestimmte zu betrachten, voraus (l.c. S. 186). Das Schema der Zeitfolge ermöglicht die Anwendung des Kausalbegriffs auf die Anschauung (l.c. S. 191). Dieser dient der Herstellung »einer synthetischen Vereinigung der Wahrnehmungen in einem Bewußtsein überhaupt«, bezieht sich aber nicht auf Dinge an sich (s. d.), die völlig unerkennbar sind (Proleg. § 29). Der Kausalbegriff hat also wohl objektive Gültigkeit, aber keine transcendente (s. d.) Realität. Als empirische Ursachen sind nicht Dinge, sondern Vorgänge anzusehen. Nach BECK ist die Kausalität »die ursprüngliche Synthesis der Zustände eines Beharrlichen und eine ursprüngliche Anerkennung, wodurch diese Synthese fixiert und objektiv wird« (Erl. Ausz. III, 159). SCHOPENHAUER bezeichnet die Kausalität als »die einzige Kategorie, die sich nicht wegdenken läßt«. Sie ist a priori (s. d.), eine Grundfunktion des reinen Verstandes, eine Bedingung aller Erfahrung, durch die erst das Bewußtsein von Außendingen (s. Objekt) entsteht. Der Kausalbegriff ist eine der Gestaltungen des Satzes vom Grunde (s. d.). Die »Ursache« ist kein Ding, sondern immer eine Veränderung (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 4). HELMHOLTZ betrachtet das Kausalgesetz als a priori gegeben und transzendental (s. d.), es bedingt alle Erfahrung (Tats. in d. Wahrn. S. 42, Vortr. u. Red. II4, 243 f.). Auch nach O. SCHNEIDER ist die Kausalität eine apriorische Kategorie des Denkens (Transzendentalpsych. S. 129). L. NOIRÉ sieht in ihr eine apriorische Form des Denkens (Einl. u. Begr. ein. mon. Erk. S. 25). Er unterscheidet Empfindungs- oder innere und Bewegungsoder äußere Kausalität (l.c. S. 27). Die »wahre Kausalität« ist das Ich (l.c. S. 175). Nach WINDELBAND ist das Kausalgesetz »der assertorische Ausdruck für unser Postulat der Erklärung« (Prälud. S. 217). A priori, aber transzendent gültig ist die Kausalität nach MAINLÄNDER. A priori und bloß erkenntnisimmanent, für mögliche Erfahrungen gültig ist der Kausalbegriff nach A. LANGE, H. COHEN, P. NATORP, O. LIEBMANN (Anal.2, S. 190), H. LORM (Grundlos. Optim. S. 163 ff.), WITTE (Wes. d. Seele S. 154 f.), E. KOENIG u. a. Betreffs M. DE BIRAN, RENOUVIER, MANSEL u. a. vgl. unten.

Bevor wir die an die KANTsche Auffassung der Kausalität sich weniger streng anschließende, aber doch nicht (rein) empirische Bestimmung des Kausalbegriffs verzeichnen, sei erst noch eine Reihe z. T. objektiv-metaphysischer Formulierungen erwähnt. S. MAIMON bemerkt: »Nicht das Dasein eines Objekts ist Ursache zum Dasein eines andern Objekts, sondern bloß das Dasein eines Objekts Ursache von der Erkenntnis des Daseins eines andern Objekts als Wirkung und umgekehrt« (Vers. üb. d. Tr. S. 223). Nach J. G. FICHTE stammt der Kausalbegriff aus ursprünglichen Setzungen (s. d.) des Ich. Indem das Ich (s. d.) Realität im Nicht-Ich setzt, findet es sich durch dieses bestimmt und leidend, während das Nicht-Ich als tätig erscheint (Gr. d. g. Wiss. S. 64). SCHELLING sieht im Kausalitätsverhältnis »die notwendige Bedingung, unter welcher allein das Ich das gegenwärtige Objekt als Objekt anerkennen kann« (Syst. d. tr. Ideal. S. 222). Ohne Wechselwirkung kein Kausalverhältnis (l.c. S. 228). »Nach dem Gesetz der Ursache und Wirkung zu urteilen, ist uns... durch eine nicht bloß von unserem Wollen, sondern selbst von unserem Denken unabhängige und diesem vorausgehende Notwendigkeit auferlegt,« es ist ein »reales Prinzip« (Zur Gesch. d. neueren Phil. WW. I, 10, 78). Nach HEGEL ist jede Ursache (s. d.) eigentlich »causa sui« (s. d.), die sich in eine unendliche Reihe spaltet (Encykl. § 153). K. ROSENKRANZ erklärt: »Zur Kausalität wird eine Substanz, wenn sie ein von ihrer Macht relativ selbständiges Dasein setzt, welches, als gesetztes..., fortan sein eigenes Schicksal zu haben vermag.« »Die Substanz wirkt nur sich selbst aus,« als Ursache setzt sie sich in der Wirkung; es entsteht ein »nexus rerum omnium cum omnibus« (Syst. d. Wiss. S. 82 ff.). HILLEBRAND betrachtet das Kausalgesetz als ein real-objektives, dessen Notwendigkeit in der unveränderlichen Gegenseitigkeit der Substanzen liegt (Phil. d. Geist. I, 16 f.). TRENDELENBURG leitet die Kausalität aus der »konstruktiven Bewegung« des Denkens ab; sie ist ein Subjektiv-objektiv gültiger Begriff (Gesch. d. Kateg. S. 366). Nach HERBART enthält der Kausalbegriff »Widersprüche« (s. d.), die sich aus dem Denken der Veränderung und dem Grunde derselben ergeben; dieser kann weder eine äußere noch eine innere Ursache der Veränderung sein, noch kann dieselbe ursachlos sein, auf ein absolutes Werden zurückgeführt werden. Es kann nicht der Erfolg eines Wirkens auf ein anderes Ding übergehen (wie Leibniz). Vielmehr ist anzunehmen, daß die realen Wesen sich gegen die »Störungen« ein »Zusammen« mit anderen in ihrem Selbst erhalten. Dieses Sich-selbst-erhalten ist das wirkliche Geschehen, die immanente Kausalität in den Dingen, die im »Zuschauer« den »objektiven Schein«, die »zufällige Ansicht« einer Wechselwirkung erzeugt (Met. II, 209 ff.). Es gibt metaphysisch nur Gelegenheitsursachen, keine äußerlich wirkenden Kräfte. Auch LOTZE betont, die Kausalität sei keine Ablösung eines Zustandes und Übergehen desselben von Ding zu Ding; jede Ursache sei Gelegenheitsursache, Veranlassung. »Überall besteht das Wirken eines a auf ein b darin, daß nach einer allgemeinen Weltordnung ein Zustand des a für b die zwingende Veranlassung ist, auf welche dieses b aus seiner eigenen Natur einen neuen Zustand ß hervorbringt, der im allgemeinen mit dem Zustand von a keine Ähnlichkeit zu haben braucht« (Grdz. d. Psychol. § 67). Die Kausalität ist eine Beziehung, der in Wirklichkeit nur eine Abfolge innerer Zustände der Dinge entspricht (Grdz. d. Met. § 44). Sie ist stets Wechselwirkung, deren Begriff lautet: Wenn zwei Dinge a und b in eine bestimmte Beziehung c treten, so geht a in a, b in ß, c in . über (l.c. 33). Ein »Übergang« von Zuständen kann aber deshalb nicht stattfinden, weil solche nicht einen Augenblick ohne Substrat in der Luft schweben können (l.c. § 35). Erklärlich ist die Wechselwirkung jedoch nur, wenn man die Dinge als »Teile«, »Modifikationen«, »Emanationen« eines Einheit herstellenden Urwesens (M) ansieht, so daß alle Kausalität auf Gott zurückführt. »Wenn nun in dem Einzelwesen a ein Zustand a entsteht, so ist dies a sofort auch ein Zustand des M. Denn da a nichts anderes ist als ein Teil von M, so ist jener Zustand des a zugleich einer des M.« »So wie nun a in unserer Beobachtung sich als Zustand oder Prädicat eines Einzelwesens a darstellt so können ß und . als Zustände anderer Einzelwesen b und c erscheinen, und dies gibt für uns den Anschein, als wirkte a unmittelbar auf ein von ihm unabhängiges b, während in der Tat nur M auf sich selbst wirkt, d.h. gewisse Vorzustände des M innerhalb der Wesenseinheit des M die Folgezustände hervorbringen, die um der Natur des M willen ihre consequente Folge sind« (l.c. § 38; Mikrok. I, 162, II, 158, 308, III, 232; Met. 103 ff., 359 ff.; Log. 192, 518 ff.). E. v. HARTMANN sieht in der Kausalität eine Kategorie (s. d.), das Product einer »unbewußten Intellektualfunktion«, durch die der Erfahrungsstoff geordnet, vereinheitlicht wird. Aber die »Kausalität in der subjektiv idealen Sphäre« ist »repräsentative Nachbildung objektiv realer Kausalbeziehungen fürs Bewußtsein« (Kategor. S. 377). Der objektiven liegt wieder die Kausalität des Absoluten in der »metaphysischen Sphäre« zugrunde (l.c. S. 363). Alle Kausalität ist »Transformation einer Intensität aus einer Erscheinungsform in eine andere«, d.h. sie ist »allotrop« (l.c. S. 408). Die »transzendente« Kausalität umfaßt die »intraindividuelle«, »interindividuelle«, »allotrope« und »isotrope« Kausalität. »Transeunt« ist die Kausalität, die von einer Substanz zur andern übergeht; solche ist aber unmöglich (l.c. S. 417). Daher können die Individuen keine Substanzen sein (l.c. S. 419). Alle interindividuelle Kausalität ist eine intraindividuelle in Bezug auf das Universum (ib.). »Alle Wechselwirkungen der Individuen untereinander sind gesta absoluti per individua« (l.c. S. 421; vgl. Phil. d. Unbew.3, S. 790). Alle psychische Kausalität ist unbewußt (s. d.).


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