Kausalität - Strümpell, Lipps, Volkelt


Aus der Anwendung der Gesetzmäßigkeit des Denkens auf den Inhalt der Erfahrung, aus der begründenden Natur des Denkens, das in alle seine Inhalte Einheit und Zusammenhang bringen muß, um seile Identität zu bewahren, leiten verschiedene Philosophen den Kausalbegriff ab, der bald mehr realistisch, bald mehr idealistisch aufgefaßt wird. Nach L. STRÜMPELL hat der Satzes vom Grunde auch für diejenigen Prämissen Gültigkeit, in welche die Tatsachen der Wahrnehmung eingefügt sind (Der Kausalitätsbegr. S. 22). Aus dem Satze vom Grunde folgt, »daß, wo Prämissen gegeben sind, sich logisch notwendig die Konklusion, und zwar nur die eine ergibt, für welche der zureichende Grund in den Prämissen liegt. Diese Folgerung wandelt sich da, wo die Prämissen eine Erfahrungstatsache einschließen und in der Konklusion wieder zu der Vorstellung einer Erfahrungstatsache zurückführen, in den Satz um, daß in jenen Prämissen die Ursachen, in der Konklusion die notwendige Wirkung der Ursachen erkannt sei« (l.c. S. 24). Das Kausalitätsgesetz heißt, »daß alles, was geschieht, sich also als Wahrnehmungstatsache darstellt, auch denknotwendig ist« (ib.). »Die Kausalität bedeutet... dasjenige Verhältnis zwischen den logischen Wahrheiten und einer an sich unbekannten unsinnlichen Wirklichkeit, nach welchen beide in dem Gebiet der Tatsachen zusammenstimmend sich verknüpfen« (l.c. S. 25). »Der wahre Sinn des Kausalitätsgesetzes ist daher nicht der gewöhnliche Gedanke, daß jede Wirkung ihre Ursachen habe, sondern daß jede Tatsache ein Glied im intellectuellen Baue der Welt ist und sich als solche begreifen läßt« (l.c. S. 26). Nach B. ERDMANN sagt das Kausalgesetz aus, »daß wir Vorgänge nur als wirklich annehmen, sofern wir zureichende Ursachen ihrer Wirklichkeit voraussetzen« (Log. I, 298). Nach SIGWART entspringt aus der Natur des Denkens »die Forderung, daß, was wir als seiend denken, aus einem Realgrund seines Seins und So-Seins als notwendig begriffen werde« (Log. II2, 134). Ein »Musterfall« aller Kausalität sind die uns am meisten interessierenden »Wechselbeziehungen zwischen uns und der Außenwelt« (l.c. S. 142 f.). Das metaphysische Element (den Gedanken) des »Wirkens eines Dinges auf andere kömnen wir nicht entbehren« (l.c. S. 179). Nach LIPPS ist die Kausalität ein Specialfall des Satzes vom Grunde (Gr. d. Seelenleb. S. 443). »Jede Veränderung im Inhalte einer Vorstellungsnötigung setzt eine Veränderung in den Bedingungen der Vorstellungsnötigung voraus« (l.c. S. 443). Das Kausalgesetz ist nicht der Erfahrung entnommen, sondern ist »ein Gesetz unseres Denkens, ein Gesetz, das in der Natur des menschlichen Geistes liegt« (Eth. Gr. S. 259); es beruht auf einem »Vertrauen in die Gesetzmäßigkeit alles Geschehens in der Welt« (l.c. S. 263). Nach HÖFFDING ist das Kausalprinzip ein Ideal, das durch unser Erkennen nie vollständig verwirklicht werden kann (Psychol.2, S. 292). MÜNSTERBERG betont: »Regelmäßigkeiten haben... Erklärungswert nur, wenn sie als Bürgschaften oder wenigstens als Anzeichen reiner Notwendigkeiten anerkannt werden« (Princip. d. Psychol. S. 80). Die Forderung des Kausalzusammenhanges ist (wie der Satz vom Grunde überhaupt) nur eine Anwendung des Identitätsprinzipes. »Aller Kausalzusammenhang ruht auf der Identität der Objekte, aller logische Zusammenhang auf der Identität der Subjektakte« (l.c. S. 82). Nach H. SPENCER entspringt der Begriff der Verursachung dem Denken (Psych. II, § 398) auf Grundlage von Erfahrungen der ganzen Gattung (s. A priori). Nach RIEHL ist die Kausalität »die Anwendung des Satzes vom Grunde auf die zeitlichen Veränderungen der Erscheinungen oder kurz: das Prinzip des Grundes in der Zeit« (Phil. Kr. II, 1, 240). Kausalität besagt, »daß jeder Vorgang zu bestimmten früheren im Verhältnis der Folge stehe, drückt mithin den Gedanken der Continuität des Geschehens aus« (l.c. II, 2, 46). Psychologisch ist sie der »Ausdruck des Gefühls der Abhängigkeit einer Erscheinung von einer andern und des Triebes, die wahrgenommene Veränderung meines Zustandes anschaulich zu ergänzen« (l.c. S. 65). Ihrem Inhalte nach stammt die Vorstellung des Verursachens aus dem Bewußtsein der eigenen Willenstätigkeit (Phil. Kritic. II, 1, 209). »Wir suchen Ursachen in der Natur, weil wir selbst Ursachen in ihr sind, wenn wir auch nicht wissen wie« (Zur Einf. in d. Philos. S. 101). Zu betonen ist: »Ursächliche Abfolge unterscheidet sich von zeitlicher Folge, auch wenn diese eine vollkommen regelmäßige ist, durch die Konstanz der Größe, die das Vorangehende mit dem Folgenden einheitlich verbindet, und da diese Verbindung der Form alles Begreifens, dem Satze des logischen Grundes, d. i. der Identität des Grundes in der Folge entspricht, macht sie zugleich die Notwendigkeit im ursächlichen Verhältnis begreiflich« (Zur Einf. in d. Philos. S. 144). VOLKELT verbindet mit dem Ausdruck »Kausalität« den Sinn, »daß eine Erscheinung für eine andere bestimmend, maßgebend ist«. Kausalität bezeichnet ein Abhängigkeitsverhältnis, zu ihr gehört das »Durch« (Erf. u. Denk. S. 89), das zu den Erscheinungen »hinzugedacht« wird. Aber der Sinn des Kausalitätsgedankens ist der, »daß das kausale Verhalten von den betreffenden Erscheinungen selber geleistet werde, sie selber angehe« (l.c. S. 95). »Das Bewußtsein postuliert die Kausalität, es bestimmt, daß im Transsubjektiven Kausalität herrsche, ohne doch je mit dem Transsubjektiven in Berührung kommen zu können« (ib.). Kausalität bedeutet »unabänderliche Regelmäßigkeit in der Verbindung zweier Faktoren oder Faktorenkomplexe« (l.c. S. 226). Nach G. SPICKER beruht alles Denken auf einem sinnlichen Substrate, geht aber über dieses hinaus (Kant, Hume u. Berkeley, S. 165). Die Kausalität ist a priori, insofern die Denknotwendigkeit schon aller »Gewohnheit« u. dgl. zugrunde liegt (l.c. S. 178 f.). Durch den Kausalbegriff wird die Erfahrung überschritten, er führt zum Ding an sich (l.c. S. 42). Nach G. THIELE »meint« die Kategorie der Kausalität etwas außer dem Denken, sie bezieht sich auf etwas außer ihr, sei es was immer (Philos. d. Selbstbew. S. 74 f., 183, 411).


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