Kausalität - Laas, Dilthey, Cornelius


Zur ursprünglichen Erwartung, daß Analoges sich analog verhält, bringt SCHUBERT-SOLDERN den Kausalbegriff in Beziehung (Gr. e. Erk. S. 242 ff.). Nach LAAS gründet sich die Kausalität auf das »Bedürfnis, die Zukunft vorauszusehen, zu berechnen und zu beherrschen« (Ideal. u. posit. Erk. S. 261). Die objektive Motivierung des Kausalprinzips betont E. DÜHRING. »Nicht weil wir etwa in unserer Verstandesverfassung einen Ursächlichkeitsbegriff wie einen Maschinenteil eingerichtet erhalten hätten, fragen wir nach den Ursachen, sondern dies geschieht, weil die gegenständlichen Vorgänge in speciellen Richtungen von der Art sind, daß sie selber nötigen, dem Zusammenhang zwischen ihren Teilen nachzuforschen« (Wirklichkeitsphilos. S. 48 f.; vgl. Log. S. 194). F. ERHARDT erklärt ähnlich: »Wir bilden... bei unserer causalen Erklärung der Veränderungen die obijektiven Verhältnisse des Seienden selbst in unserem Geiste nur nach und tragen nicht vermöge einer subjektiven Denknotwendigkeit eine Verknüpfung in die Dinge hinein, die wir rein erfahrungsmäßig nicht aus ihnen herauszulesen vermöchten.« Die Kausalität muß den Dingen selbst zukommen. Das Bewußtsein des Wirkens stammt aus der innern Erfahrung (Metaph. I, S. 443 ff., 513 f., 574 ff., 600). PAULSEN bemerkt: »Auf Grund der Wahrnehmung, daß allemal, wenn wir einer Reihe von Vorgängen mit Aufmerksamkeit folgten, auf gleiche Vorgänge unter gleichen Umständen gleiche Vorgänge eintraten, ist in uns zunächst eine allgemeine Disposition zur Erwartung dieses Verhaltens entstanden, und diese Erwartung ist dann durch die zur wissenschaftlichen Forschung entwickelte Erfahrung im Kausalgesetz als ihre allgemeinste Voraussetzung über den Naturlauf formuliert worden« (Imman. Kant S. 190). »Freilich ist es dann nicht ein a priori notwendiges Gesetz, sondern, wie alle Naturgesetze, ein bloß präsumtiv allgemeingültiger Satz« (l.c. S. 191). Nach DILTHEY sind Kausalität und Substanz »nicht eindeutig bestimmte Begriffe, sondern der Ausdruck unauflöslicher Tatsachen des Bewußtseins« (Einleit. in d. Geisteswiss. I, 512). Nach SCHUPPE ist jede causale Verknüpfung nur eine zum Bewußtsein kommende Verbundenheit von Daten und gehört somit zur wirklichen Welt objektiver Bewußtseinsinhalte (Log. S. 59). Der »Anspruch«, daß sich die Daten der Erfahrung in eine Gesetzlichkeit einordnen lassen, darf nicht auf Transcendentes angewandt werden (l.c. S. 60). Die kausale Notwendigkeit liegt aber nicht im Denken, sondern kommt dem Sein (s. d.) selbst zu, dessen »feste Ordnung« zu seiner Denkbarkeit gehört (l.c. S. 65). Während die Tatsachen des inneren, geistigen Lebens »zugleich mit ihrem inneren Zusammenhang« bewußt werden, werden die Verbindungen der Außendinge durch das Ausschlußverfahren (s. d.) und durch Induktion bestimmt (l.c. S. 63). R. WAHLE meint, der Satz der Kausalität besage nichts als: »Bliebe sich alles immer gleich, so bliebe sich alles immer gleich. Ist sich nicht alles gleich geblieben, so muß etwas Neues im Spiele gewesen sein« (Das Ganze d. Philos. S. 99). Die Objekte als solche sind inkausal, es wirken nur die unbekannten »Urfaktoren« (s. d.). Wir haben nur einen negativen Begriff der Ursachlichkeit (Kurze Erkl. d. Eth. Spinozas S. 187 f.). H. CORNELIUS findet als formale Grundlage des Kausalgesetzes das Bedürfnis des Denkens nach Begreiflichkeit der Erfahrungen. Für jede unerwartete Änderung wird eine »Ursache« gefordert. Diese Forderung oder das allgemeine Kausalgesetz ist nichts anderes als »die für die Einheit unserer Erfahrung unentbehrliche Forderung der Einordnung aller Erscheinungen unter constante empirische Zusammenhänge«. Dadurch wird das Neue, Befremdende zu einem Bekannten, Vertrauten (Einl. in d. Philos. S. 294). Unter der »Erkenntnis der Ursache« ist nur die Art und Weise zu verstehen, »wie unser Denken die begriffliche Ordnung der Erscheinungen, welche durch die unerwarteten Erfahrungen gestört war, gemäß dem Prinzip der Ökonomie des Denkens wiederherstellt« (l.c. S. 296); »das Kausalgesetz muß für alle Erfahrungen in der objektiven Welt notwendig gelten, weil es nichts anderes ist als die Folge derjenigen Begriffsbildung, ohne welche die objektive Welt für unser Denken nicht bestünde« (l.c. S. 298). »Die Tatsache, daß wir alle Änderungen in unserer Umgebung auf die 'Wirkungen' bestimmter 'Ursachen' zurückzuführen bestrebt sind, ist nur ein besonderer Fall jenes allgemeinen Gesetzes, welches uns dazu treibt, das Neue und Fremdartige der Erscheinungen jederzeit unter das von unserem eigenen Dasein her bekannte Schema einzufügen. An unseren eigenen Willenshandlungen offenbart sich uns der Zusammenhang eines Wirkenden und der von ihm ausgehenden Wirkung: je geläufiger und selbstverständlicher uns dieser Zusammenhang ist, um so begieriger streben wir alle Erscheinungen in derselben Weise zu begreifen. Erst einer späteren Stufe des wissenschaftlichen Denkens ist es vorbehalten, die letzten Reste dieser anthropomorphen Auffassung der Natur zu beseitigen« (l.c. S. 22 f.). Damit sind wir bei der Ansicht, daß der Kausalbegriff (wenigstens seinem Inhalte nach, dem »Wirken«) aus der inneren Erfahrung der eigenen Willensaction stammt, angelangt. Schon HUME macht darauf aufmerksam, ohne ihr Gewicht beizulegen. BONNET lehrt, daß die aus der inneren Erfahrung verständliche Kausalität auf die Außendinge übertragen wird. TETENS erklärt, wir nähmen den Kausalbegriff »zunächst aus dem Gefühl von unserem eigenen Bestreben und dessen Wirkungen«, und »diesen aus unserem Selbstgefühl genommenen Begriff tragen wir auf die äußeren Gegenstände über« (Phil. Vers. I, 323 f.). M. DE BIRAN leitet den Kausalbegriff aus der unmittelbaren Erfassung der eigenen Willenswirksamkeit ab (Oeuvr. inéd. I, 258 ff.). RENOUVIER führt die Kausalität objektiv auf Harmonie (s. d.) zurück und betrachtet den Kausalbegriff als eine Kategorie, die besonders sich gründet auf »l'anticipation innée qui est inséparable en nous d'une appétition suivie d'une volition« (Nouv. Monadol. p. 22). Es muß eine »cause première« geben (l.c. S. 149). - Nach JACOBI würden wir »ohne die Grunderfahrung einer tätigen Kraft, deren wir uns in einemfort bewußt sind«, »nicht die geringste Vorstellung von Ursache und Wirkung haben« (WW. II, 201). Nach ESCHENMAYER stammt die Kategorie der Kausalität aus dem Grundgesetz des Selbstbewußtseins. Das Ich ist als »Substrat des Handelns mit der Folgereihe aller Wirkungen« Ursache (Psychol. 1817, S. 299 ff.).


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