Kategorien - Herbart, Spencer, Nietzsche


Als Produkt der Erfahrung (und psychologischer Prozesse), Abstractionsgebilde, Erzeugnisse der Induktion (s. d.) werden die Grundbegriffe von den Empiristen (s. d.) betrachtet. - Nach HERBART sind die Kategorien Produkte des Vorstellungsmechanismus, Modifikationen psychischer »Reihenformen« (Met. I, 209), die »allgemeinsten Begriffe, die zur Apperzeption dienen« (Psychol. als Wiss. II, § 124 ff.). Sie sind nicht apriorische Stammbegriffe (Lehrb. zur Psychol.3, S. 133). Die Hauptkategorien sind: Ding, Eigenschaft, Verhältnis, Verneintes. Die Kategorien der »inneren Apperzeption« sind: Empfinden, Wissen, Wollen, Handeln (l.c. S. 134; Psychol. als Wiss. § 131 f.). Die dinglichen Kategorien sind Formen der gemeinen Erfahrung, die noch mit allen »Widersprüchen« (s. d.) behaftet sind und einer philosophischen Bearbeitung bedürfen (vgl. Met. II, 351 ff.). Ähnlich SCHILLING (Psychol. S. 147 ff.) und VOLKMANN (Lehrb. d. Psychol. II4, 282). BENEKE leitet die Kategorien aus der Gesetzmäßigkeit des Bewußtseins ab, sie sind das Entwicklungsproduct psychischer Prozesse (Log. II, 35 f.). Vor ihrer Entwicklung in und mit der Erfahrung sind die Kategorien nur »prädestinierte Anlagen« in der Seele (l.c. II, 271, 283). ÜBERWEG bestreitet (wie CZOLBE) die Apriorität und Subjektivität der Kategorien. Er betont, das Wesentliche der Dinge könne nur mittelst der Erkenntnis des Wesentlichen in uns erkannt werden (Log.4, S. 129). Nach E. LAAS sind »reine« Verstandesbegriffe Undinge. Es ist undenkbar, daß ein Inhalt in eine ihm absolut fremde Form eingehen soll. In den Empfindungsdaten müssen zwingende Motive zur Bildung der Kategorien liegen (Ideal. u. posit. Erkenntnistheor. S. 374). Nach STEINTHAL sind die Kategorien »Formen des Prozesses, in welchem sich die Begriffe bilden« (Einleit. in d. Psychol. S. 105).

Nach R. HAMERLING abstrahiert der Verstand die Kategorien durch das beziehend-vergleichende Denken aus dem Material der Sinnesanschauung. Sie gelten für die Dinge an sich (Atomist. d. Will. I, 38, 49). Nach F. ERHARDT stammen die Kategorien aus der Erfahrung (teilweise aus der innern) und sind von objektiver Gültigkeit (Met. I, 443 ff., 513 f., 574 ff., 600). Nach LIPPS sind »subjektive Kategorien«: Einheit, Einzelheit, Identität, Gleichheit, Ähnlichkeit und die Gegensätze davon. Sie besagen alle, »daß wir etwas tun, oder uns in unserem Tun etwas begegnet« (Gr. d. Log. S. 105). Oberste Kategorie ist die des Bewußtseinsobjektes überhaupt (l.c. S. 136 f.). - J. ST. MILL leitet die Grundbegriffe aus der Erfahrung und Assoziation ab (vgl. Substanz). Nach H. SPENCER sind die Grundbegriffe phylogenetisch (s. d.) empirisch erworben, ontogenetisch, beim Individuum der Anlage nach a priori (s. d.). Die Grundbegriffe, Stoff, Raum, Bewegung, Kraft u.s.w. entstehen als solche aus der Generalisation und Abstraction von Erfahrungen des Widerstandes (Psychol. II, § 348, S. 236). H. CORNELIUS sieht in den Grundbegriffen nur Formen des Zusammenhanges aktualer und möglicher Erfahrungen. Die »naturalistischen« Begriffe (s. d.) sind ihren dogmatischen Elementen nach zu eliminieren. Eine »Elimination« der Kategorien Kausalität, Substanz u. dgl. als bloß subjektiver Zutaten des Denkens zur Erfahrung (s. d.) fordert E. MACH. An deren Stelle hat das Prinzip der »Ökonomie« (s. d.) des Denkens zu treten. Den Kategorien kommt bloß »praktisch« (biologische) Bedeutung zu. - So auch NIETZSCHE, der die rein biologische Bedeutung der Kategorien betont (WW. X, 183). Sie haben sich durch ihre Nützlichkeit bewährt, sind lebenserhaltend. Aber diese ihre biologische Zweckmäßigkeit ist ihre einzige »Wahrheit« (WW. XV, 268). Sie sind Produkte der Phantasie, des Anthropomorphismus (s. d.), mit der (metaphorischen) Sprache (s. d.) werden sie in die Objekte introjiziert. Erst fingieren wir ein »Ich« (s. d.), dann projizieren wir es auf die Außenwelt, und nun erscheint uns diese als eine Summe von Substanzen, Tätern, Kräften u.s.w. (WW. VIII, 2, S. 80; XV, 273). Eine solche Welt entspricht unserem Verlangen nach einer Welt des Bleibenden, der unser Wille zur Macht mehr gewachsen ist als dem ständigen Flusse des Geschehens (l.c. XV, 268 f., 285). Eine biologisch-projektionistische Auffassung der Kategorien findet sich bei SIMMEL, (Philosophie des Geldes S. 484, 507). L. STEIN erklärt: »Zeit, Zahl, Raum, Kausalität, wie die Verstandeskategorien überhaupt, sind nichts anderes, als das Alphabet, welches sich die Menschen im Kampfe ums Dasein als Schutzmaßregeln gebildet haben, um erfolgreich im Buche der Natur lesen zu können« (An d. Wende des Jahrh. S. 6). Vgl. Introjektion, A priori, Kausalität, Ding, Substanz, Kraft, Identität, Einheit, Individuum.


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