Sizilien.
Catania. Anreise
Dienstag, den 1. Mai 1787
Durch ein so ungleich angebautes, obwohl von der Natur zu durchgängiger Fruchtbarkeit bestimmtes Tal ritten wir einigermaßen verdrießlich herunter, weil nach so viel ausgestandenen Unbilden unsern malerischen Zwecken gar nichts entgegenkam. Kniep hatte eine recht bedeutende Ferne umrissen, weil aber der Mittel- und Vordergrund gar zu abscheulich war, setzte er, geschmackvoll scherzend, ein Poussinsches Vorderteil daran, welches ihm nichts kostete und das Blatt zu einem ganz hübschen Bildchen machte. Wieviel malerische Reisen mögen dergleichen Halbwahrheiten enthalten.
Unser Reitmann versprach, um unser mürrisches Wesen zu begütigen, für den Abend eine gute Herberge, brachte uns auch wirklich in einen vor wenig Jahren gebauten Gasthof, der auf diesem Wege, gerade in gehöriger Entfernung von Catania gelegen, dem Reisenden willkommen sein mußte, und wir ließen es uns bei einer leidlichen Einrichtung seit zwölf Tagen wieder einigermaßen bequem werden. Merkwürdig aber war uns eine Inschrift, an die Wand bleistiftlich mit schönen englischen Schriftzügen geschrieben; sie enthielt folgendes: »Reisende, wer ihr auch seid, hütet euch in Catania vor dem Wirtshause zum goldenen Löwen; es ist schlimmer, als wenn ihr Kyklopen, Sirenen und Skyllen zugleich in die Klauen fielet.« Ob wir nun schon dachten, der wohlmeinende Warner möchte die Gefahr etwas mythologisch vergrößert haben, so setzten wir uns doch fest vor, den Goldenen Löwen zu vermeiden, der uns als ein so grimmiges Tier angekündigt war. Als uns daher der Maultiertreibende befragte, wo wir in Catania einkehren wollten, so versetzten wir: »Überall, nur nicht im Löwen!«, worauf er den Vorschlag tat, da vorliebzunehmen, wo er seine Tiere unterstelle, nur müßten wir uns daselbst auch verköstigen, wie wir es schon bisher getan. Wir waren alle zufrieden: dem Rachen des Löwen zu entgehen, war unser einziger Wunsch.
Gegen Ibla Major melden sich Lavageschiebe, welche das Wasser von Norden herunterbringt. Über der Fähre findet man Kalkstein, welcher allerlei Arten Geschiebe, Hornstein, Lava und Kalk verbunden hat, dann verhärtete vulkanische Asche, mit Kalktuff überzogen. Die gemischten Kieshügel dauern immer fort bis gegen Catania, bis an dieselben und über dieselben finden sich Lavaströme des Ätna. Einen wahrscheinlichen Krater läßt man links. (Gleich unter Molimenti rauften die Bauern den Flachs.) Wie die Natur das Bunte liebt, läßt sie hier sehen, wo sie sich an der schwarzblaugrauen Lava erlustigt; hochgelbes Moos überzieht sie, ein schön rotes Sedum wächst üppig darauf, andere schöne violette Blumen. Eine sorgsame Kultur beweist sich an den Kaktuspflanzungen und Weinranken. Nun drängen sich ungeheure Lavaflüsse heran. Motta ist ein schöner, bedeutender Fels. Hier stehen die Bohnen als sehr hohe Stauden. Die Äcker sind veränderlich, bald sehr kiesig, bald besser gemischt.
Der Vetturin, der diese Frühlingsvegetation der Südostseite lange nicht gesehen haben mochte, verfiel in großes Ausrufen über die Schönheit der Frucht und fragte uns mit selbstgefälligem Patriotismus, ob es in unsern Landen auch wohl solche gäbe. Ihr ist hier alles aufgeopfert, man sieht wenig, ja gar keine Bäume. Allerliebst war ein Mädchen von prächtiger, schlanker Gestalt, eine ältere Bekanntschaft unseres Vetturins, die seinem Maultiere gleich lief, schwatzte und dabei mit solcher Zierlichkeit als möglich ihren Faden spann. Nun fingen gelbe Blumen zu herrschen an. Gegen Misterbianco standen die Kaktus schon wieder in Zäunen; Zäune aber, ganz von diesen wundersam gebildeten Gewächsen, werden in der Nähe von Catania immer regelmäßiger und schöner.