Rom. Tischbein


Den 7. November.

 

Tischbeins Talente sowie seine Vorsätze und Kunstabsichten lerne ich nun immer mehr kennen und schätzen. Er legte mir seine Zeichnungen und Skizzen vor, welche sehr viel Gutes geben und verkünden. Durch den Aufenthalt bei Bodmer sind seine Gedanken auf die ersten Zeiten des menschlichen Geschlechts geführt worden, da, wo es sich auf die Erde gesetzt fand und die Aufgabe lösen sollte, Herr der Welt zu werden.

Als geistreiche Einleitung zu dem Ganzen bestrebte er sich, das hohe Alter der Welt sinnlich darzustellen. Berge, mit herrlichen Wäldern bewachsen, Schluchten, von Wasserbächen ausgerissen, ausgebrannte Vulkane, kaum noch leise dampfend. Im Vordergrund ein mächtiger in der Erde übriggebliebener Stock eines vieljährigen Eichbaums, an dessen halbentblößten Wurzeln ein Hirsch die Stärke seines Geweihes versucht, so gut gedacht als lieblich ausgeführt.

Dann hat er auf einem höchst merkwürdigen Blatte den Mann zugleich als Pferdebändiger und allen Tieren der Erde, der Luft und des Wassers, wo nicht an Stärke, doch an List überlegen dargestellt. Die Komposition ist außerordentlich schön, als Ölbild müßte es eine große Wirkung tun. Eine Zeichnung davon müssen wir notwendig in Weimar besitzen. Sodann denkt er an eine Versammlung der alten, weisen und geprüften Männer, wo er Gelegenheit nehmen wird, wirkliche Gestalten darzustellen. Mit dem größten Enthusiasmus aber skizziert er an einer Schlacht, wo sich zwei Parteien Reiterei wechselseitig mit gleicher Wut angreifen, und zwar an einer Stelle, wo eine ungeheure Felsschlucht sie trennt, über welche das Pferd nur mit größter Anstrengung hinübersetzen kann. An Verteidigung ist hier nicht zu denken. Kühner Angriff, wilder Entschluß, Gelingen oder Sturz in den Abgrund. Dieses Bild wird ihm Gelegenheit geben, die Kenntnisse, die er von dem Pferde, dessen Bau und Bewegung besitzt, auf eine sehr bedeutende Weise zu entfalten.

Diese Bilder sodann und eine Reihe von folgenden und eingeschalteten wünscht er durch einige Gedichte verknüpft, welche dem Dargestellten zur Erklärung dienten, und denen er dagegen wieder durch bestimmte Gestalten Körper und Reiz verliehe.

Der Gedanke ist schön, nur mußte man freilich mehrere Jahre zusammen sein, um ein solches Werk auszuführen.




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Seite zuletzt aktualisiert: 05.11.2007 
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