Zweck. - Beneke, Sigwart, Wundt


Nur für bewußte Wesen nehmen Zweckursachen als solche verschiedene Denker an. So BENEKE, welcher in der Zweckordnung eine Umkehrung der Kausalreihe im Bewußtsein erblickt. Die Kausalreihen »werden in Reihen verwandelt, welche von dem Begehrten, als Zweck, zu den für dessen Erreichung geeigneten Mitteln fortgehen, d.h. von den Wirkungen zu den Ursachen: eine Ordnung, welche in der Wirklichkeit niemals gegeben ist, vielmehr nur in empfindenden, oder bestimmter: in solchen Wesen entstehen kann, bei denen Entwicklungen in der Form ihrer früheren Anfänge reproduziert werden können« (Lehrb. d. Psychol.3, § 209. vgl. Pragmat. Psychol. I, 57. Neue Psychol. S. 226). Nach HARMS besteht die wahre Teleologie »in der Kausalität der Willenskräfte des Geistes, worin Sachgründe des Geschehens und keine bloßen Erkenntnisgründe, konstitutive und keine bloß regulativen Zwecke liegen. Die Physik und die Naturwissenschaften excludieren auf ihrem Erkenntnisgebiete mit Recht alle finale Kausalität, denn die Natur hat keinen Willen« (Psychol. S. 80). Ähnlich lehrt SIGWART insofern, als er auch den konstitutiven mit dem regulativen Zweckbegriff verbindet. Bei der kausalen Betrachtung geht man von der Ursache zur Wirkung, synthetisch vor, bei der teleologischen aber umgekehrt, analytisch (Klein. Schrift. II2, 43). Während die erste Betrachtungsweise sagt: wenn die und die Ursachen gegeben sind, so muß dieser Erfolg eintreten, sagt die teleologische: wenn dieser Erfolg herauskommen sollte, so müßten die Ursachen so und so beschaffen sein (ib.). »So ist die teleologische Betrachtung eine Aufforderung, die kausalen Beziehungen nach allen Seiten zu verfolgen, durch welche der Zweck verwirklicht wird. Sie hat die Bedeutung eines heuristischen Prinzips« (l. c. S. 49). Bei der »formalen« Anwendung des Zweckbegriffs nimmt man den Erfolg zum Ausgangspunkt (Log. II2, 252). »Hätten wir eine durchgängige Einsicht in den Kausalzusammenhang der Welt, so würden sich beide Betrachtungsweisen vollkommen decken« (l. c. S. 253). Der Zweckbegriff hebt die kausale Betrachtung nicht auf, sondern fordert sie (l. c. S. 255). Der Zweckbegriff entspringt aus dem Bewußtsein unseres eigenen willensmäßigen Handelns (l. c. II2, 249 f.). Ähnlich lehrt teilweise WUNDT (Log. I2, 631. Syst. d. Philos.2, S. 308 ff.). Dem substantiellen ist das »aktuelle« Zweckprinzip entgegenzustellen. Der Zweck ist zunächst die »antizipierte Vorstellung der Wirkung« unseres Handelns. »Lassen wir in der Apperzeption die Vorstellung unserer Bewegung der äußern Veränderung vorangehen, so erscheint uns die Bewegung als die Ursache dieser Veränderung. Lassen wir dagegen die Vorstellung der äußeren Veränderung derjenigen der Bewegung vorangehen, durch die jene hervorgebracht werden soll, so erscheint die Veränderung als Zweck, die Bewegung als das Mittel, durch welches der Zweck erreicht wird.« Es handelt sieh hier nur um zwei Betrachtungsweisen derselben Sache, und sie werden auf das äußere Geschehen übertragen. Die »regressive« Betrachtungsweise ist nur die Umkehrung der Kausalbetrachtung. »Stets ist diejenige Ordnung der Erscheinungen, bei welcher wir von dem Bedingenden zu dem Bedingten fortschreiten, eine Ordnung nach Kausalität, diejenige dagegen, bei welcher wir von dem Bedingten zur Bedingung zurückgehen, eine Ordnung nach dem Zweckprinzip. Auf diese Weise entspringen Kausalität und Zweck aus den zwei einzig möglichen logischen Gesichtspunkten, unter denen wir das allgemeine Erkenntnisgesetz des Grundes auf einen Zusammenhang des Geschehens anwenden können. Auch das Zweckprinzip ist daher unterzuordnen dem Satz des Grundes. Es entspringt gleich dem Kausalprinzip aus der Anwendung dieses Satzes auf die Erfahrung. Beim Kausalbegriff wird der Grund zur Ursache, die Folge zur Wirkung: beim Zweckprinzip wird die Folge zum Zweck, der Grund zum Mittel« (Log. I2, 642 ff.. Syst. d. Philos.9, S. 311 f.). Ist aber die Weltordnung eine unverbrüchliche, so sind Ursache und Zweck korrelate Begriffe im objektiven Sinne. »Der folgerichtig gedachte Kausalbegriff fordert so den Zweckbegriff als seine Ergänzung, wie der letztere den ersteren. Gerade aber, weil dieses Zusammentreffen von Zweck und Kausalität eine letzte metaphysische Forderung bleibt, welche erst in dem für unser diskursives Denken unvollendbaren Begriff der allgemeinen Weltordnung ihre Erfüllung findet, ist uns bei der Untersuchung der einzelnen unserer Erkenntnis gegebenen Zusammenhänge die gleichwertige Anwendung jener beiden Erkenntnisgrundsätze versagt. Nur ein Geist, welcher den Weltlauf vorauszuschauen vermöchte, würde alles gleichzeitig unter dem Gesichtspunkt des Zweckes und der Kausalität erblicken« (Log. I2, 650f.. Syst. d. Philos.2, S. 339f.). Der objektive Zweck zeigt sich uns wirksam auf organischem und geistigem Gebiete (Log. I2, 644, 647 ff.. II2, 2, 51). Der Wille ist der Erzeuger objektiver Naturzwecke (s. Evolution, Heterogonie). Das geistige Leben ist von Zweckgesetzen beherrscht (Syst. d. Philos.2, S. 334 ff.). Es besteht ein Gesetz der »Vorbereitung neuer Lebenszwecke durch bereits vorhandene, aber ursprünglich anderen Zwecken dienende Formen des Handelns« (Eth.2, S. 114. vgl. G. VILLA, Einl. in d. Psychol. S. 438 f., 446 f., 456). -


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