Zeit - Platon, Aristoteles, Augustinus


In der älteren Philosophie gehen neben objektivistischen auch schon Subjektivistische Zeittheorien einher. PYTHAGORAS bestimmt die Zeit als tên sphairan tou periechontos (Plac. I, 21, Dox. 318. Galen. histor. philos. 37, 259, Dox. 619. Stob. Ecl. I, 8, 250). Als Bild der Ewigkeit bestimmt PLATO die Zeit: chronos d'oun met'ouranou gegonen, hina hama gennêthentes hama kai lythôsin, an pote lysis tis autôn gignêtai, kai kata to paradeigma tês diaiônias physeôs, hin' hôs homoiotatos autô kata dynamin ê (Tim. 38 B. vgl. 37 C squ.. 38 A squ.. 47 B squ.. 97 C. Rep. 529 D). Die Zeiten sind erst mit der Welt entstanden, beziehen sich nur auf das Werden, nicht auf das rein Seiende. Nach XENOKRATES ist die Zeit das Maß des Gewordenen (metron tôn gennêtôn, Stob. Ecl. I 8, 250). Daß die Zeit nicht aus Gegenwartsmomenten sich zusammensetzt (ho de chronos ou dokei synkeisthai ek tôn nyn) lehrt ARISTOTELES (Phys. IV 10, 218 a 8). Zeit ist ohne Veränderung, Bewegung nicht möglich (phaneron (oti ouk estin aneu kinêseôs kai metabolês chronos, Phys. IV 11, 218 b 33). Zugleich mit der Bewegung außer oder in uns nehmen wir die Zeit wahr (hama gar kinêseôs aisthanometha kai chronon. kai gar ean ê skotos kai mêden dia tou sômatos paschômen, kinêsis de tis en tê psychê enê, Phys. IV 11, 219 a 3 squ.). Die Zeitvorstellung ist die Vorstellung des Früher und Später in der Bewegung (kai tote phamen gegonenai chronon, hotan tou proterou kai hysterou en tê kinêsei aisthêsin labômen, Phys. IV 11, 219 a 24). So ist denn die Zeit das Maß, die Zahl der Bewegung (Veränderung) nach dem Früher und Später (touto gar estin ho chronos arithmos kinêseôs kata to proteron kai hysteron, Phys. IV 11, 219 b 2). Die Zeit ist das an der Veränderung Gezählte, nicht das, wodurch wir zählen (ho dê chronos esti to arithmoumenon kai ouch hô arithmoumen, Phys. IV 11, 219 b 8). Das Unveränderliche ist nicht in der Zeit (6. Ewigkeit, Prinzip): hôsth' hosa mête kineitai mêt' êremei, ouk estin en chronô. to men gar en chronô einai to metreisthai esti chronô, ho de chronos kinêseôs kai êremias metron (Phys. IV 12, 221 b 20 squ.. Über Schätzung von Zeitdauer vgl. Problem. XXX, 4. V, 25). Nach STRATO ist die Zeit tôn en kinêsei kai êremia poson (Stob. Ecl. I 8, 250). Nach den Stoikern ist die Zeit etwas Unkörperliches, Gedankliches. sie ist die Ausdehnung der Weltbewegung: hoti ... pros to asômaton hypolambanein ton chronon, eti kai kath' hauto ti nooumenon pragma (Sext. Empir. adv. Math. X, 218. vgl. II, 224). ton chronon asômaton, diastêma onta tês tou kosmou kinêseôs. toutou de ton men parôchêkota kai ton mellonta apeirous, ton d' enestôta peperasmenon (Diog. L. VII 1, 141). Zênôn ephêse chronon einai kinêseôs diastêma, touto de kai metron kai kritêrion tachous te kai bradytêtos hopôs echei (Stob. Ecl. I 8, 254. vgl. 256 squ.). Als symptôma, touto d'esti parakolouthêma kinêseôn bestimmt die Zeit EPIKUR (Stob. Ecl. I 8, 252). Nach PHILO ist die Zeit erst mit der Welt entstanden als Ausdehnung der Himmelsbewegung: chronos ouk ên pro kosmou, all' ê syn autô gegonen, ê met' auton. epeidê gar diastêma tês tou ouranou kinêseôs estin ho chronos, protera tou kinoumenou kinêsis ouk an genoito (De mundi opif. I, 6). Die Subjektivität der Seele lehrt PLOTIN. Die Zeit ist nicht außerhalb der Seele, sondern eine Bestimmtheit des seelischen Lebens selbst: dei de ouk exôthen tês psychês lambanein ton chronon, hôsper oude ton aiôna ekei exô tou ontos (Enn. III, 7, 7 squ.. III, 7, 11). Zeit ist Leben der Seele, ein in der Seele Geschautes, ein Bild der Ewigkeit (ib.), die Ausdehnung eines Seelenlebens (l. c. III, 7, 12. vgl. PORPHYR, Sent. 44). Ähnlich bestimmt JAMBLICH die Zeit als tên ousiôdê tês psychês kinêsin kai tên tôn kat' ousian hyparchontôn autê logôn probolên kai metabasin ap' allôn eis allous (vgl Zeller, Philos. d. Griech. III, 23, 707). ERATOSTHENES definiert die Zeit als tou kosmou poreian (Galen. hist. philos. 37, 259. Dox. 619).

AUGUSTINUS bemerkt von der Zeit: »si nemo a me quaerat, scio, si quaerenti explicari velim, nescio« (Confess. XI, 14). Sie ist eine Art Ausdehnung (l. c. XI, 23). Die Zeitstufen sind in der Seele, wir messen die Zeit in unserem Bewußtsein (l. c. XI, 26, 34 squ.). Die Zeitschätzung ist bedingt durch »exspectatio, attentio, memoria« (l. c. XI, 28). Mit der Welt, mit der Veränderung ist erst die Zeit entstanden (De civ. Dei XI, 5). »Tempus sine aliqua mobili mutabilitate non est« (l. c. XI, 6). Es gibt keine leere Zeit, ebensowenig wie einen leeren Raum (vgl. Soliloqu. II, 31). - Daß die Zeit mit der Welt durch Gott erschaffen sei, lehrt u. a. auch MAIMONIDES (Doct. perpl. II, 13). Sie ist ein der Bewegung anhaftendes Akzidens (ib.). - Im Aristotelischen Sinne definiert ALBERTUS MAGNUS: »Tempus est numerus motus secundum prius et posterius« (Sum. th. I, 21, 2). »Tempus non nisi unum est« (l. c. I, 23, 3). Nach THOMAS ist die Zeit »numerus motus secundum prius et posterius« (Sum. th. I, 10, 1c. vgl. Contr. gent. I, 15. 55). Es gibt nach den Thomisten »tempus continuum« und »discretum«. Nach DUNS SCOTUS ist die Zeit nur begrifflich von der Bewegung unterschieden: »Motus et tempus non dicunt diversas res absolutas« (Rer. princ. qu. 18, 1). Sie hat objektive Realität, nur ihr »esse formale« ist in der Seele (l. c. qu. 18, 2, 16). die Relation des Frühern und Spätern ist nur gedanklich (l. c. qu. 18, 3, 26). Nach WILHELM VON OCCAM ist die Zeit das Maß, die Zahl der Bewegung. Sie ist teils objektiv, teils nur »in anima« (In l. sent. II, 12). Nach SUAREZ ist die Zeit je nach Zahl und Menge der Bewegungen verschieden (Met. disp. 50, sct. 8, 6). Es gibt eine geistige und eine materielle Zeit (l. c. sct. 8, 70 f.). Nur begrifflich ist die Zeit von der Bewegung verschieden (l. c. sct. 9, 1). Die Zeit wird durch die zählende Tätigkeit der Seele bestimmt (l. c. sct. 10, 10). Die Zeit besteht nicht aus Augenblicken (l. c. sct. 9, 22). Wahre, reale Zeit ist die wahre Dauer der Bewegung (l. c. sct. 9, 15. vgl. Baumann, Lehr. von R., Z. u. M. I, 41 ff). - MICRAELIUS erklärt: »Tempus a metaphysicis definitur per moram seu per mansionem rei in suo esse, et vocatur in genere duratio, quae nihil aliud est quom extensio existentiae rei vel tractus essendi continuatus.« Im »physischen« Sinne ist die Zeit »affectio extrinseca corporis« (Lex. philos. p. 1058 f.).

Nach J. B. VAN HELMONT ist die Zeit ein von Körper, Raum, Bewegung verschiedenes Wesen, eine dem Dinge eingepflanzte Bestimmung seines Verlaufes an sich, ein »ens reale«. Die reine Zeit ist unveränderlich. Die Zeit ist ein aus der Ewigkeit ausstrahlender »splendor« (De tempore p. 631 ff., 636 ff.). Nach TELESIUS ist die Zeit das Maß der Bewegung (De natur. rer. I, 43 f.). CAMPANELLA bemerkt: »Tempus mensurat quietem et potest apprehendi sine motu. Sed ducimur ad eius notitiam a motu« (Prodrom. p. 30).


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