Zeit - Descartes, Spinoza, Newton


Als Maß der Bewegung bestimmt die Zeit (die als solche nur ein Bewußtseinsmodus ist) DESCARTES: »Cum tempus a duratione generaliter sumpta distinguimus dicimusque esse numerum motus, est tantum modus cogitandi. neque enim profecto intelligimus in motu aliam durationem quam in rebus non motis: ut patet ex eo, quod si duo corpora, unum tarde, aliud celeriter per horam moveatur, non plus temporis in uno quam in alio numeremus, etsi multo plus sit motus. Sed ut rerum omnium durationem metiamur, comparamus illam cum duratione motuum illorum maximorum et maxime aequabilium, a quibus fiunt anni et dies. hancque durationem tempus vocamus« (Princ. philos. I, 57). Wie DESCARTES (Epist. 116, 105) erklärt SPINOZA: »Tempus non est affectio rerum, sed tantum merus modus cogitandi..., ens rationis« (Cogit. met. I, 4). Die Zeitvorstellung knüpft sich an die Bewegung. »Nemo dubitat, quin etiam tempus imaginemur. nempe ex eo, quod corpora alia aliis tardius vel celerius, vel aeque celeriter moveri imaginemur« (Eth. II, prop. XLIV, schol.). Nach GASSENDI ist die Zeit »non aliquid per se, sed cogitatione dumtaxat, seu mente attributum rebus prout concipiuntur in eo« (Philos. Epic. synt. II, sct. I, 15). sie ist ein »accidens accidentium« (ib.). Nach HOBBES ist die Zeit ein Bild der Bewegung, »phantasma motus, quatenus in motu imaginamur prius et posterius, sive successionem« (De corp. C. 7, 3). Wir messen die Zeit durch die Bewegung. Nach LOCKE ist die Zeit »die Auffassung der Dauer als abgesteckt nach gewissen Perioden und durch gewisse Maße und Haltepunkte bezeichnet« (Ess. II, ch. 14, § 3. vgl. § 21. s. Dauer). Die Subjektivität der Zeit lehrt BROOKE (vgl. Freudenthal, Arch. f. Gesch. d. Philos. VI, 191 ff., 380 ff.). Dagegen unterscheidet von der relativen die absolute Zeit, Weltzeit NEWTON: »Tempus absolutum, verum et mathematicum in re et natura sua sine relatione ad externum quodvis aequabiliter fluit alioque nomine dicitur duratio. Relativum, apparens et vulgare est sensibilis et externa quaevis durationis per motum mensura« (Nat. philos. def. VIII). Gegen die absolute Zeit ist BERKELEY. Die Zeit ist nichts außer der Vorstellungsfolge in unserem Geist, nach der Zahl der Vorstellungen oder Handlungen wird die Dauer eines endlichen Geistes geschätzt (Princ. XCVIII). AUS der Vorstellungsfolge leitet die Zeitvorstellung HUME ab. »Die Vorstellung der Zeit, die aus der Aufeinanderfolge von Perzeptionen jeglicher Art stammt, aus der Aufeinanderfolge von Vorstellungen sowohl als von Eindrücken und von Eindrücken der Reflexion ebensowohl wie von solchen der Sinnesempfindung, bietet ein Beispiel einer abstrakten Vorstellung dar, die eine noch größere Mannigfaltigkeit umfaßt, als die Vorstellung des Raumes, und die dennoch in der Einbildung gleichfalls durch eine bestimmte Einzelvorstellung mit einer bestimmten Quantität und Qualität repräsentiert wird.« »Wie aus der Anordnung sichtbarer und tastbarer Gegenstände die Vorstellung des Raumes, so bilden wir aus der Aufeinanderfolge von Vorstellungen und Eindrücken die Vorstellung der Zeit. niemals kann die Zeit für sich allein in uns auftreten oder ihre Vorstellung vom Geist vollzogen werden« (Treat. II, sct. 3, S. 52). »Die Vorstellung der Zeit entstammt nicht einem besonderen Eindruck, der neben andern Eindrücken bestände und von ihnen klar unterscheidbar wäre. sondern sie ergibt sich einzig und allein aus der Art, wie Eindrücke dem Geist sich darstellen (appear to the mind), ohne daß sie selbst einen derselben ausmachte« (l. c. S. 53 f.). Nach REID ist die Zeit etwas Ursprüngliches, Unableitbares (vgl. Works 1872, p. 339 ff.. vgl. DUGALD STEWARD, Works, 1829, II, 69). JAMES MILL erklärt: »Times is a comprehensive word, including all successions, or the whole of sukzessive order« (Anal. ch. 14, sct. 5). Nach E. WEIGEL ist die Zeit die Zahl der Änderung der Wirklichkeit. Daß der Mensch selbst die Zeit erzeugt, lehrt ANGELUS SILESIUS. - Daß die Zeit ohne die Dinge nur eine »simple possibilité idéale« sei, betont LEIBNIZ. Sie ist »l'ordre des possitilités inconsistentes« (Gerh. IV, 568), das Maß der Bewegung (Nouv. Ess. II, ch. 14, §15). Sie hat, wie der Raum, eine ewige Wahrheit (l. c. § 26). Die Veränderung der Vorstellungen gibt die Gelegenheit, an Zeit zu denken (ib.). Wenn von zwei Elementen, die nicht zugleich sind, das eine den Grund des andern einschließt, so wird jenes als vorangehend, dieses als folgend angesehen. Die Zeit ist »die Ordnung des nicht zugleich Existierenden«, die allgemeine Ordnung der Veränderungen. Die Dauer ist die Größe der Zeit (Math. WW. Gerh. VII, 17 f.). Gegen die Lehre von der Idealität der Zeit ist L. EULER (Réflex. sur l'espace et le temps, 1748). - Nach CHR. WOLF ist die Zeit »ordo successivorum in serie continua« (Ontolog. § 572). »Dadurch, daß wir erkennen, daß etwas nach und nach entstehen kann, ingleichen wenn wir darauf acht haben, daß unsere Gedanken aufeinander folgen, erlangen wir einen Begriff von der Zeit« als der »Ordnung dessen, was aufeinander folget« (Vern. Ged. I, § 94). So definiert auch BAUMGARTEN (Met. § 239). Nach CRUSIUS ist die Zeit »dasjenige, darinnen wir die Sukzession der hintereinander folgenden Dinge denken«. Sie ist ein »Abstraktum der Existenz« (Vernunftwahrh. § 54. vgl. HOLLMANN, Met. § 331 ff.). FEDER erklärt: »Die Zeit ist, wo eines auf das andere folget« (Log. u. Met. S. 276). Die leere Zeit ist nichts Positives (l. c. S. 277). Es ist eine Dauer möglich, durch die keine Zeit wirklich wird, aber sie ist nicht vorstellbar (ib.). »Die Vorstellung der Zeit liegt in der Vorstellung von einander folgenden Veränderungen« (l. c. S. 278). Nach LAMBERT ist die Zeit reeller Schein, es liegt ihr objektiv etwas zugrunde (Neues Organ.). PLATNER erklärt: »Aus den verworrenen Vorstellungen unmerklicher Veränderungen, in denen nichts Hervorstechendes und Unterscheidbares ist, entstehet in der Phantasie die Scheinidee einer für sich bestehenden, von allen gedanklichen Veränderungen unterschiedenen Zeit« (Philos. Aphor. I, § 968). Die Zeit ist eine »Form unserer Denkart« (ib.). Sie ist zunächst eine subjektive Form des Vorstellungsvermögens, ist eine angeborene Vorstellungsform, kann aber auch objektiv existieren. Es läßt sieh aber auch ein zeitloses Sein denken (Log. u. Met. S. 140 f.). Eine Sukzession können wir nicht ohne ein Beharrendes denken (l. c. S. 141). Die Zeit wird gemessen »durch die Vergleichung zweier Reihen aufeinander folgender Veränderungen« (l. c. S. 142). CONDILLAC leitet die Vorstellung der Sukzession aus der Wahrnehmung des Unterschiedes zweier Vorstellungen (als Wahrnehmung-als Erinnerung) ab (Trait. d. sens. I, ch. 2, § 10. vgl. § 42). BONNET erklärt: »Si l'âme observe un corps qui se meut d'un mouvement uniforme, dans une étendue déterminée, et qu'elle conçoive cette étendue partagée en parties égales ou proportions, elle acquerra l'idée du temps« (Ess. de Psychol. ch. 14. vgl. Ess. analyt. XV, 254). Die Dauer ist »une existence continuée« (Ess. analyt. XV, 253).


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