Verschmelzung

Verschmelzung (psychische) ist eine Form der Verbindung von Bewußtseinsinhalten, und zwar so, daß die Elemente gegenüber dem Ganzen in den Hintergrund treten, nicht apperzipiert werden.

Den Ausdruck »Verschmelzung« (die Tatsache schon bei ARISTOTELES, De an. 447a 28 f.) führt HERBART ein zur Bezeichnung einer »Vereinigung solcher Vorstellungen, die zu einerlei Kontinuum gehören«. Es gibt eine Verschmelzung vor und nach der Hemmung (s. d.). Entgegengesetzte Vorstellungen verschmelzen nur durch ihre ungehemmt bleibenden »Reste«. »Vermöge der Verschmelzung kann selbst eine stärkere Vorstellung neben einer schwächeren aus dem Bewußtsein verdrängt werden« (Psychol. als Wissensch. I, § 67 ff., 70). Im Unterschiede von den Komplikationen (s. d.) sind die Verschmelzungen stets unvollkommen (Lehrb. zur Psychol.3, S. 22). Die Verschmelzungen und Komplexionen werden zahlenmäßig untersucht (1. o. S. 22 ff.). Nach G. SCHILLING ist Verschmelzung ein Name für »Vereinigungen entgegengesetzter Vorstellungen zu einer Gesamttätigkeit« (Lehrb. d. Psychol. S. 49 f). VOLKMANN erklärt: »Gleichzeitige Vorstellungen, verschmelzen, d.h. ihr Vorstellen vereinigt sich zu einem einheitlichen Akte. das Vorstellen fließt zusammen zu einem Bewußtsein« (Lehrb. d. Psychol. I4, 335. Vgl. S. 361 f., 367). »Ebenso verschmelzen Gefühle, indem die Vorstellungsmassen verschmelzen, denen sie innewohnen« (l. c. II4, 345). - Ein Gesetz der Verschmelzung des Gleichartigen, der Komplikation, des Ungleichartigen stellt FORTLAGE auf (Syst. d. Psychol. I, 141, 169, 174, 177, 186).

STUMPF versteht unter Verschmelzung die Vereinigung zweier Empfindungen zu einem Ganzen, als dessen Teile sie erscheinen (Tonpsychol. II, 64, 127 f.). Ähnlich H. CORNELIUS (Über Verschmelz. u. Analyse, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. Bd. 16, S. 404. Bd. 17, S. 30). Nach EBBINGHAUS ist die Verschmelzung das Zusammengehen zurückgedrängter psychischer Wirkungen zu einem einheitlichen oder diffusen Totaleindruck (Gr dz. d. Psychol. I, 573). A, BINET erklärt: »Lorsque deux états de conscience semblables se présentent à notre esprit simultanément ou dans une succession immédiate, ils se fondent ensemble et ne forment qu'un seul état« (La psychol. du raisonnem. p. 96 ff.). - WUNDT erklärt: »Die fundamentalste Form simultaner Assoziation ist die assoziative Verschmelzung der Empfindungen«. Jede Vorstellung ist schon »ein Verschmelzungsprodukt von Empfindungen« Es gibt eine intensive Verschmelzung, bei welcher nur gleichartige Empfindungen sich verbinden, und eine extensive, welche aus der Vereinigung ungleichartiger Empfindungen hervorgeht. Die stärkste Empfindung gewinnt die Herrschaft über alle anderen, welche zurücktreten (Grdz. d. physiol. Psychol. II4, 437 ff.. vgl. Log. I, 27 f). Das Zurücktreten ist eben die Verschmelzung der Empfindungen (Gr. d. Psychol.5, S. 113). »Ist die Verbindung eines Elementes mit anderen Elementen eine so innige, daß es nur durch eine ungewöhnliche Richtung der Aufmerksamkeit, unterstützt durch die experimentelle Variation der Bedingungen) in dem Ganzen wahrnehmbar ist, so nennen wir die Verschmelzung eine vollkommene. tritt dagegen das Element nur gegenüber dem Eindruck des Ganzen zurück, während es doch in der ihm eigenen Qualität unmittelbar erkennbar bleibt, so nennen wir sie eine unvollkommene. Treten endlich bestimmte Elemente mehr als andere in der ihnen eigentümlichen Qualität hervor, so nennen wir die die herrschenden Elemente« (l. c. S. 113). Die Hauptformen der Verschmelzung sind: »1) Intensive Verschmelzungen. Sie zerfallen wieder in Empfindungs- und in Gefühlsverschmelzungen, wobei zu den ersteren die Klanggebilde, zu den letzteren die zusammengesetzten Gefühle die Hauptbeispiele liefern«. »2) Extensive Verschmelzungen. Zu ihnen gehören die räumlichen, die Zeitlichen Vorstellungen, die Affekte und die Willensvorgänge« (l. c. S. 271 f.. vgl. Vorles.3, S. 19 f.). - Nach W. JERUSALEM sind Verschmelzungen »Berührungsassoziationen, die aus Wahrnehmungen desselben Sinnes entstehen« (Lehrb. d. Psychol.3, S. 74). - Vgl. Verbindung, Assoziation, Komplikation, Begriff, Allgemeinvorstellung, Vorstellung.


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