Tierpsychologie

Tierpsychologie: die Psychologie der Leistungen des tierischen Bewußtseins. Die moderne Tierpsychologie hält sich gleich weit von der rein mechanistischen Auffassung, welche in den tierischen Handlungen nur Reflexe oder Instinkte (s. d.) erblickt, wie von der intellektualistischen, welche Tieren schon abstraktes Denken zuschreiben möchte. Das tierische Geistesleben ist von dem menschlichen graduell verschieden, es steht unter der Herrschaft des Impulses, Triebes, der Assoziation und passiven Apperzeption (s. d.), während das eigentliche Denken (und Sprechen) nur in den ersten Anfängen vorliegt. Neben den egoistischen sind vielfach schon soziale Instinkte und Gefühle ausgebildet. Das tierische Bewußtsein ist vorwiegend Gegenwartsbewußtsein. Eigentliche Spontaneität, schöpferisch-synthetische Kraft fehlt ihm.

Anfänge der Tierpsychologie finden sich schon im Altertum, besonders bei ARISTOTELES, der den Tieren Empfindung und Urteil zuschreibt. Die Auffassung der Tiere als Automaten tritt bei dem spanischen Arzt GOMEZ PEREIRA, besonders bei DESCARTES, ähnlich bei MALEBRANCHE und SPINOZA auf. vgl. dagegen TELESIUS, De nat. rer. VIII, p. 332. Beiträge zur Tierpsychologie liefert H. RORARIUS (Quod animalia bruta saepe ratione utantur melius homine, 1645), der Tieren Vernunft zuschreibt. Das bestreitet LEIBNIZ, erkennt den Tieren aber ein »analogon rationis«, Assoziation, Gedächtnis, Perzeption zu (vgl. Monadol. 26 ff.. Princ. de la nat. 51. Nouv. Ess. II, oh. 33). Ähnlich CHR. WOLF, G. F. MEIER (Vers. ein. neuen Lehrgebäud. von d. Seelen d. Tiere, 1750), H. 13. REIMARUS (Allgem. Betrachtungen üb. d. Triebe d. Tiere3, 1773. vgl. G. LEROY, Lettres sur les animaux, 1781). G. E. SCHULZE betont, daß die Überlegung bei den Tieren anders sein müsse, als die beim Menschen durch Begriffe und Sprache unterstützte Überlegung (Psych. Anthropol. S. 88). Ähnlich lehren HEGEL, SCHOPENHAUER, C. G. CARUS (Vergl. Psychol.), BENEKE (Lehrb. d. Psychol. § 39 ff., 299 ff.), FLOURENS (De l'intellig. des animaux), LEWES (Probl. III, ch. 8, p. 112 ff.), TEICHMÜLLER (Neue Grundleg. S. 91),. RABIER (Psychol. p. 663 ff.), CH. DARWIN, VIGNOLI (Della legge fondamentale dell' intelligenza nel regno animale, 1877. auch deutsch), THORNDIKE (Anima Intelligence), LUBBOCK (Ants, Bees and Wasp), ESPINAS (Sociét. anim.), ROMANES (Animal Intelligence, 1882. Mental Evolution in Animals, 1883), O. FLÜGEL (Das Seelenleb. d. Tiere, 1884), C. L. MORGAN (Animal Life and Intelligence, 1890/91. Habit and Instinkt, 1896), WASMANN (Inst. u. Intellig. im Tierreiche, 1897), GROOS (Die Spiele d. Tiere, 1896), FR. KIRCHNER. (Üb. d. Tierseele, 1890), JODL (Psychol.), SCHNEIDER (Der tier. Wille, 1880. vgl. hingegen BETHE, Pflügers Archiv f. Physiol. Bd. 70: Reflextheorie der Instinkte), VERWORN (Protistenstud.), A. BINET (La vie psychique des mikro-organ. 1891). Nach WUNDT finden sich aktive Apperzeptionsprocesse wohl nur bei den entwickelteren Tieren, und auch hier sind sie beschränkt »auf die von unmittelbaren Sinneseindrücken angeregten Vorstellungen und nächsten Assoziationen, so daß von intellektuellen Funktionen im engeren Sinne des Wortes, von Phantasie- und Verstandestätigkeiten, selbst bei den geistig entwickeltsten Tieren nicht oder doch höchstens in vereinzelten Spuren und Anfängen die Rede sein kann« (Gr. d. Psychol.5, S. 336). Überlegen ist die Entwicklung der Tiere in der Geschwindigkeit der psychischen Ausbildung und in einseitigen Funktionsrichtungen (l. c S. 336 f.. vgl. Ess. 7. Vorles.2, S. 369 ff.). Vgl. Instinkt.


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