Als eine apriorische Kategorie (s. d.) des Denkens, als einen nichtempirischen, aber die Erfahrung bedingenden, konstituierenden und nur auf (äußere) Erfahrungsinhalte anwendbaren Begriff Von immanent-objektiver Gültigkeit, von subjektiver (s. d.) aber gegenüber dem unbekannten »Ding an sich« (s. d.), bestimmt den Substanzbegriff KANT, der in ihm ein für die Verarbeitung der Impressionen zu gesetzmäßig geordnetem, objektiven Erfahrungsinhalten notwendiges (nicht bloß psychologisch-Subjektives) Denkmittel sieht. Die »Substanz« ist eine Art unseres Denkens, Einheit in die Vorstellungen zu bringen, sie beruht auf einer Einheitsfunktion des Erkennens. Der Substanzbegriff bedeutet seinem Inhalte nach »das letzte Subjekt der Existenz, d. i. dasjenige, was selbst nicht wiederum bloß als Prädikat zur Existenz eines anderen gehört«. Die Substanz im Raume ist die Materie (Met. Anf. d. Naturwiss. S. 42). Schema (s. d.) der Substanz ist »die Beharrlichkeit des Realen in der Zeit« (Krit. d. rein. Vern. S. 146 f.). »Alle Erscheinungen enthalten das Beharrliche (Substanz) als den Gegenstand selbst und das Wandelbare, als dessen bloße Bestimmung, d. i. eine Art, wie der Gegenstand existiert« (l. c. S. 174). Das Beharrliche ist »das Substratum der empirischen Vorstellung der Zeit selbst« (l. c. S. 176). »In der Tat ist der Satz, daß die Substanz beharrlich sei, tautologisch. Denn bloß diese Beharrlichkeit ist der Grund, warum wir auf die Erscheinung die Kategorie der Substanz anwenden.« »Daher können wir einer Erscheinung nur darum den Namen Substanz geben, weil wir ihr Dasein zu aller Zeit voraussetzen« (l. c. S. 176). Aber diese Beharrlichkeit ist »weiter nichts, als die Art, uns das Dasein der Dinge (in der Erscheinung) vorzustellen« (l. c. S. 178). Sie ist »eine notwendige Bedingung, unter welcher allein Erscheinungen, als Dinge oder Gegenstände, in einer möglichen Erfahrung bestimmbar sind« (l. c. S. 180). Tätigkeit beweist in Konsequenz des Kausalprinzips (s. d.) Substantialität. »Weil nun alle Wirkung in dem besteht, was da geschieht, mithin im Wandelbaren, was die Zeit der Sukzession nach bezeichnet, so ist das letzte Subjekt desselben das Beharrliche, als das Substratum alles Wechselnden, d. i. die Substanz. Denn nach dem Grundsatze der Kausalität sind Handlungen immer der erste Grund von allem Wechsel der Erscheinungen und können also nicht in einem Subjekt liegen, was selbst wechselt, weil sonst andere Handlungen und ein anderes Subjekt, welches diesen Wechsel bestimmte, erforderlich wären. Kraft dessen beweiset nun Handlung, als ein hinreichendes empirisches Kriterium, die Substantialität, ohne daß ich die Beharrlichkeit desselben durch verglichene Wahrnehmungen allererst zu suchen nötig hätte« (l. c. S. 192). Die Substanz ist nicht das Ding an sich, sondern unsere Denkweise den Objekten gegenüber, ein Produkt jener. Die »Substanz. in der Erscheinung« ist »nicht absolutes Subjekt, sondern beharrliches Bild der Sinnlichkeit und nichts als Anschauung, in der überall nichts Unbedingtes angetroffen wird« (l. c. S. 424. vgl. Prolegomen. § 47 f.). - SAL. MAIMON erklärt: »Die Begriffe von Subjekt und Prädikat, auf Gegenstände der Erfahrung angewendet, liefern uns die Begriffe von Substanz und Akzidenz« (Vers. üb. d. Tr. S. 95).
Idealistisch bestimmt J. G. FICHTE die Substanz der Dinge als bloßen Komplex von Eigenschaften. wahre Substanz ist das Ich (s. d.). Nicht als das Dauernde, sondern als das »Allumfassende« ist die Substanz zu definieren. »Das Merkmal des Dauernden kommt der Substanz nur in einer sehr abgeleiteten Bedeutung zu« (Gr. d. g. Wiss. S. 146). »An ein dauerndes Substrat, an einen etwaigen Träger der Akzidenzen, ist nicht zu denken. das eine Akzidens ist jedesmal sein eigner und des entgegengesetzten Akzidens Träger, ohne daß es dazu eines besondern Trägers bedürfte« (l. c. S. 161). »Es ist ursprünglich nur eine Substanz, das Ich.« »Insofern das Ich betrachtet wird als den ganzen schlechthin bestimmten Umkreis aller Realitäten umfassend, ist es Substanz« (l. c.. S. 73). Auch SCHELLING bezeichnet (in seiner früheren Periode) das absolute Ich als Substanz. Das Ich, als Beharrendes im Wechsel, ist die Quelle des Substanzbegriffes (Vom Ich, S. 78 ff., 82). Die Substanz ist Relationskategorie (Syst. d. tr. Ideal. S. 301 ff.). später wird das Absolute als Substanz bezeichnet (vgl. WW. I 4, 244. I 2, 199. I 6, 254 f., I 7, 189, 203. II 3, 218). Nach ESCHENMAYER ist das Ich als »Substrat des Erkennens während des Wechsels aller Erscheinungen« Substanz. Das gibt, »in den logischen Verstand übertragen, die 'Urteilsform'« der Substanz (Psychol. S. 305). - Nach HEGEL ist Gott die »absolute Substanz«, die »allein wahrhaft wirkende Wirklichkeit« (WW. XI, 50). Die Substanz ist »das Absolute, das an für sich seiende Wirkliche« (Log. III, 7). Die Substanz ist das absolute Subjekt des Seins, Idee (s. d.), Vernunft. Substanz ist »das Sein, welches in Wahrheit Subjekt oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist«. die »reine einfache Negativität« (Phänomenol. S. 15). Die Substanz als objektive Kategorie ist »die Totalität der Akzidenzen, in denen sie sich als deren absolute Negativität, d. i. als absolute Macht und zugleich als den Reichtum alles Inhalts offenbart. Dieser Inhalt ist aber nichts als diese Manifestation selbst, indem die in sich zum Inhalte reflektierte Bestimmtheit selbst nur ein Moment der Form ist, das in die Macht der Substanz übergeht. Die Substantialität ist die absolute Formtätigkeit und die Macht der Notwendigkeit, und aller Inhalt nur Moment, das allein diesem Prozesse angehört, das absolute Umschlagen der Form und des Inhalts ineinander« (Encykl. § 150 f.). Nach MICHELET ist das Ich die Substanz, der alle Prädikate inhärieren. so müssen auch die Objekte auf das Substantialitätsverhältnis zurückgeführt werden (Anthrop. S. 370). Nach K ROSENKRANZ ist »das Wesen, welches sich selbst der an sich grundlose Grund seiner Existenz ist«, Substantialität (Syst. d. Wissensch. S. 80 f.).
Nach C. H. WEISSE gehört die Substantialität zu den »Kategorien der Reflexion« (Met. S. 420). Die Substanz ist die Kraft. »Nicht der Körper als solcher, dieser so oder anders spezifisch bestimmte, ist das Seiende, das Substantielle, sondern in dem Körper das ein für allemal sich selbst gleiche... Vermögen, unter verschiedenen Bedingungen sowohl diesen, als auch einen andern, zum voraus spezifisch bestimmten Körper oder auch eine Mehrheit solchergestalt bestimmter Körper zu bilden.« Die Substantialität ist das Verhältnis der Kraft zur Kraft, der Totalität der Kräfte zu sich selbst (l. c. S. 420). »Substanz ist nur, wo Körper ist.« Substanz ist »der Körper mit seinen Kräften. der Körper ist Substanz als Actus seiner selbst und als Potenz anderer Körper«. Dieser Substanzbegriff entspricht im wesentlichen dem Aristotelischen Begriff der Entelechie (s. d.) (l. c. S. 432). Auf die Kraft (s. d.) führt die Substanz HEINROTH zurück (Psychol. S. 273). Nach HILLEBRAND besteht die Substanz in einer »einfachen, in sich konkret bestimmten (hypostasierten) Selbstkraft« (Philos. d. Geist. I, 12). Die Substanzen sind einfache Wesen mit Machtverschiedenheiten (l. c. S. 19). Die wahrhafte Substanz ist ewig, unveränderlich (l. c. S. 13 ff.). Ein System von Substanzen besteht von Anfang an (l. c. S. 21), alle beherrscht von der höchsten Substanz (l. c. S. 22). Kraftwesen ist die Substanz nach WIRTH, sie ist nichts Einfaches (Zeitschr. f. Philos. Bd. 44, S. 278). Kraft ist sie nach ULRICI (Glaube u. Wissen, S. 121, 143). Sie ist die Kraft, »durch welche das Ding entsteht und besteht, indem sie seine mannigfaltigen Momente nicht nur zur Einheit verbindet, sondern auch in Einheit zusammenhält« (Log. S. 340 ff.). Nach M. CARRIERE ist Substanz »die ursprüngliche Tätigkeit, durch welche etwas ein Ganzes ist, sein Inneres äußert, in der Mannigfaltigkeit seiner Beziehungen sich selbst erhält, in welcher also sein Wesen und durch welche alles an ihm Erscheinende besteht« (Sittl. Weltordn. S. 136 f.), »die wesentliche Grundkraft, durch welche etwas in seiner Eigentümlichkeit bestimmt wird« (l. c. S. 137). F. ERHARDT lehrt die Substantialität der Kraft (s. d.) selbst (Met. I, 580 f.).
Als das »bleibende Subjekt der Erscheinungen« bestimmt die Substanz H. RITTER (Syst. d. Log. u. Met. II, 5). Nach BIUNDE ist sie »ein Etwas, was als das Selbständige dem Unselbständigen Bestand und Haltung gibt, dem Inhärierenden subsistiert«. »Alles, was in die Anschauung fällt, ist als die Substanz nicht denkbar, kann sie nicht selbst sein« (Empir. Psychol. II 1, 25 f.). Die Substanz ist eine aus dem Denkakte abstrahierte Kategorie, sie wird zur Anschauung hinzugedacht (l. c. S. 24). ROSMINI definiert: »Sostanza è quella energia per la quale gli esseri attualmente esistono« (Nuovo saggio II, p. 157, § 587 ff.). Nach W. ROSENKRANTZ verfolgen wir überall im Wechsel der Erscheinungen das Sich-gleich -bleibende. Dieses »betrachten wir als das wahrhaft Seiende und Wesenhafte der Dinge und nennen es Substanz« (Wissensch. d. Wiss. II, 114 f.). Sie ist »das im Wechsel seiner eigenen Akzidenzen Sich-gleich-bleibende« (l. c. S. 115). Die Verbindung zwischen Substanz und Akzidens ist »aus der Erfahrung schlechterdings nicht zu entnehmen« (l. c. S. 116 ff.). Aus der »constructiven Bewegung« des Denkens leitet die Kategorie der Substanz TRENDELENBURG ab. durch diese setzt sie sich als ein »relativ selbständiges Ganzes« ab (Gesch. d. Kategor. S. 336. Log. Unters.). Nach J. H. FICHTE ist die Substanz der Träger der Eigenschaften des Dinges (Ontolog. S. 364, 368 ff.). - Nach GÜNTHER gibt es eine Vielheit geistiger, aber nur eine Natursubstanz. Nach PLANCK gibt es nur eine (ausgedehnte) Substanz (Weltalt. I, 101). Nach A. SPIR gibt es nur eine, unveränderliche, vollkommene Substanz. Nach A. STEUDEL ist Substanz, was den Erscheinungen subsistiert, eine Naturaussetzung des Denkens. Die endlichen Wesen sind nicht Substanzen. Substanz ist das eine »sich in der Welt diesseitig auswirkende und differenzierende, absolute, sich mit Selbstbewußtsein besitzende, geistige Prinzip, Gott« (Philos. I 2, 313 ff.). Nach H. BENDER ist die Substanz ein Absolutes, Ding an sich (Zur Lös. d. met, Probl. 1886). Nach HERBART ist Substanz »der von allen Merkmalen verschiedene Träger derselben«. Sie ist ein transzendenter Begriff. Er ist aus dem Dingbegriff entstanden. Er ist in der definierten Form »widersprechend, er muß umgebildet werden in den Begriff eines Wesens, das vermöge der Störungen und Selbsterhaltungen uns die Erscheinung einer Komplexion von Merkmalen darbietet, die ihm der Wahrheit nach gar nicht zukommen« (Lehrb. zur Psychol.2, S. 66). Was ist, erträgt nicht die Vielheit von Merkmalen. Die »Methode der Beziehungen« (s. d.) hebt den im Inhärenzverhältnis (s. d.) steckenden Widerspruch auf. »Ein Zusammen mehrerer Seienden muß dasjenige Sein darbieten, welches durch irgend ein einzelnes bestimmtes Akzidens angedeutet wird« (Hauptp. d. Met. S. 31 ff.). Es besteht eine Vielheit von »Realen« (s. d.). Ursprüngliche »Substanz« ist das Subjekt, das nicht wiederum Prädikat sein kann (Lehrb. zur Einl.5, § 160. vgl. HARTENSTEIN, Probl. u. Grundlehr. d. allg. Met. S. 204 ff.. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. II4, 278 f.). - SCHOPENHAUER: identifiziert Substanz und Materie (W. a. W. u. V. I. Bd., § 4). Vom Begriffe der Materie ist ersterer nur eine Abstraktion, ein höheres Genus, die Fixierung des Prädikats der Beharrlichkeit. »So wurde also der Begriff der Substanz bloß gebildet, um das Vehikel zur Erschleichung der immateriellen Substanz, zu sein. Er ist folglich sehr weit davon entfernt, für eine Kategorie oder notwendige Funktion des Verstandes gelten zu können.« Das Gesetz der Beharrlichkeit der Substanz ist ein Corollar des Kausalgesetzes. Es folgt daraus, daß das Gesetz der Kausalität sich nur auf die Zustände der Körper, keineswegs aber auf das Dasein des Trägers dieser Zustände bezieht. »Die Substanz beharrt: d.h. sie kann nicht entstehen, noch vergehen, mithin das in der Welt vorhandene Quantum derselben nie vermehrt, noch vermindert werden.« Wir sind davon a priori überzeugt (Vierf. Wurzel C. 4, § 20).