Subjektlose Sätze

Subjektlose Sätze (Impersonalien, wie z.B. die »meteorologischen Sätze«: es blitzt, es regnet. ferner: es klopft u. dgl.) sind nach Ansicht einiger Forscher Sätze mit bloß grammatischem, aber ohne logisches Subjekt, indem sie nur die »Anerkennung« (s. d.), Konstatierung einer Tatsache, eines Geschehens bedeuten. Die Impersonalien enthalten jedoch in der Tat ein logisches Subjekt, nur ist dieses kein bestimmter einzelner Gegenstand, sondern ein unbestimmt gelassenes Wesen, das zur wahrgenommenen Tätigkeit hinzugedacht wird.

Schon PRISCIAN bemerkt: »cum dico 'curritur', cursus intelligo« (bei MARTY, Üb. Subjektlos. Sätze, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 19. Bd., S. 49). HERBART lehrt, in den Impersonalien: es regnet u.s.w. sei kein Subjekt, sondern das Prädikat werde absolut, unbeschränkt aufgestellt, die Tatsache als vorhanden bezeichnet (Lehrb. zur Einl.5, § 63).

Ähnlich TRENDELENBURG, K. W. HEYSE. Nach E. REINHOLD hingegen bezeichnet z.B. in dem Satze »es regnet« »Regen« nicht das Prädikat, sondern das Subjekt, »und das Prädikat liegt allerdings in dem Gedanken des Vorhandenseins« (Psychol. S. 407). Ähnlich GUTBERLET (Log. u. Erk.2, S. 34 f.). Nach PULS sind echte Subjektlose Sätze nur solche Aussagen, welche eine wirklich jetzt eben gemachte Wahrnehmung ausdrücken. In ihnen wird eine Wirkungsweise schlechthin ausgesagt. Es ist hier nur die Subjektsform, nicht ein Subjektsinhalt gegeben (Progr. d. Gymnas. zu Flensburg 1888, S. 8 ff., 43 f.). Nach MIKLOSICH (von ihm der Ausdruck), BRENTANO (Vom Urspr. sittl. Erk. S. 113 ff.), MARTY (Üb. Subjektlos. Sätze, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 19. Bd., S. 295 f.) u. a. sind die Impersonalien wirklich »Subjektlose Sätze«, in welchen eigentlich nichts ausgesagt, sondern einfach der ganze Inhalt der Aussage »anerkannt« oder »verworfen« wird, so daß hier Existentialsätze (s. Sein) vorliegen. So auch LIPPS: »Das Subjektlose Urteil ist der einfache Akt der 'Anerkennung' eines Vorgestellten, des 'Glaubens' an dasselbe, oder das Bewußtsein seiner objektiven Wirklichkeit: es ist Exsistentialurteil« (Gr. d. Log. S. 52). Ähnlich auch O. SICKENBERGER (Üb. d. sogen. Quant. d. Urt. 1896). Auf das allgemeine Sein beziehen das »es« SCHLEIERMACHER, ÜBERWEG, PRANTL (»unbestimmte Allgemeinheit der Wahrnehmungswelt«, Reformgedank. zur Log., Münch. Akadem. 1875, S. 187). LOTZE bemerkt: »Das 'Es' im Subjekt ist seinem Inhalt nach entweder nichts als das Prädikat oder es ist, wenn es davon unterschieden werden soll, nur der Gedanke des allgemeinen Seins, das in den verschiedenen Erscheinungen bald so, bald anders bestimmt ist« (z.B. »es blitzt« = »das Sein ist jetzt blitzend«, Grdz. d. Log. S. 23 f.. Log. S. 70 f. wird der umgebende Raum als das »Es« bezeichnet). Nach J. BERGMANN liegt in den Impersonalien »der Versuch, die Welt als Subjekt und das existierende Ding als ihre Beschaffenheit zu denken« (Reine Log. 1879). Nach STEINTHAL bezeichnet das Impersonale »eine Handlung als solche, deren Subjekt als geheimnisvoll, oder unbekannt nur angedeutet wird« (Zeitschr. f. Völkerpsychol. IV, 235 ff.. vgl. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 8. Bd., S. 81). Nach LAZARUS ist das »Es« bald »eine allgemeine Wirklichkeit«, bald »das nur Undeutbare, Unbekannte oder Geheime« (Leb. d. Seele II2, 286). Nach WUNDT fehlt dem »unbestimmten Urteil« das Subjekt nicht, es ist nur »unbestimmt gelassen«. »Wir lassen vorzugsweise das Subjekt dann unbestimmt, wenn das zugehörige Prädikat ein Verbalbegriff ist, der eine vorübergehende oder wechselnde Erscheinung bezeichnet. Dies ist begreiflich genug: der wechselnde Vorgang zieht die Aufmerksamkeit auf sich, während sich doch das handelnde Subjekt der Beobachtung gänzlich entziehen kann.« »Nicht alle unpersönlichen Sätze sind... unbestimmte Urteile, sondern häufig versteckt sich hinter dem scheinbar unbestimmten Demonstrativpronomen eine unbestimmte Vorstellung. Nicht in demselben Sinne, in welchem wir urteilen: 'es blitzt', 'es regnet', 'es wurde geschossen', sagen wir: es ist rot', 'es ist Johann' oder 'es war eine gute Handlung'. Das 'Es' steht hier nicht mehr in völlig unbestimmter Bedeutung, sondern es weist auf eine bestimmte Vorstellung hin, welche aber im Prädikat erst näher bezeichnet werden soll« (Log. I, 155). »Das eigentliche Impersonale scheint... viel eher ein Stück Abbreviatursprache zu sein, das unter der Wirkung häufigen Gebrauchs aus einer einst vollständigen Satzform hervorging, als daß es einer erst im Werden begriffenen Satzbildung entspräche« (Völkerpsychol. I 2, 220 f.). Nach B. ERDMANN wird in den eigentlichen Impersonalien das Subjekt unbestimmt vorgestellt, »als irgend ein Gegenstand, irgend etwas, das die Ursache des Vorgangs oder der Tätigkeit ist« (Log. I, 307). »Der ganze bestimmte Inhalt der Aussage ruht in dem, was ausgesagt wird« (ib.). Es sind »unbestimmte Kausalurteile« (l. c. S. 310). SCHUPPE betrachtet als Subjekt der Impersonalien die wahrnehmbare Erscheinung (Zeitschr. f. Völkerpsychol. 1886, S. 285 ff.. vgl. S. 249 ff., die Umgebung als Subjekt). W. JERUSALEM erklärt: »Die Auffassung der Impersonalien, speziell der meteorologischen Sätze als Existentialsätze ist... eine unrichtige: erstens, weil das Präsens der ersteren ein eigentliches, das der letzteren ein zeitloses ist, und zweitens, weil Existentialsätze, die im wirklichen Denken gefällt werden, niemals Wahrnehmungsurteile sind« (Urteilsfunct. S. 125). »Das Präsens der Wahrnehmungsurteile und also auch das Präsens der meteorologischen Sätze enthält die deutliche Beziehung auf die räumliche Umgebung des Sprechenden, und diese räumliche Umgebung ist Subjekt der Aussage. Das, worin es regnet, ist der Luftraum, das draußen Befindliche, to exô, und von diesem wird gesagt, daß es jetzt regnet, während es ein anderes Mal schneit, blitzt, donnert oder schön ist« (l. c. S. 126). So auch UPHUES (Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 21. Bd., S. 460. dagegen: WUNDT, Völkerpsychol. I 2, 222 f.). Nach JODL, wird in den Impersonalien eine gegebene Wahrnehmung verdeutlicht. Subjekt ist das ganze Phänomen, das unbestimmt ausgedrückt wird, weil schon andere dieselbe Wahrnehmung machten (Lehrb. d. Psychol. S. 624). Nach ROSINSKY bezeichnet das ganze Impersonale »eine einzige Anschauung«. »Das Subjekt ist das anschaulich gegebene Quid, das Prädikat der dem Charakter des Subjekts akkomodierte und hiernach spezifizierte Allgemeinbegriff: und die Kopula die Identifizierung beider« (Das Urt. S. 24 f.).


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