Sein

Sein (einai, hyparchein. esse, essentia, existentia) ist ein Begriff, der aus einer Stellung des Denkens zu seinen Inhalten entspringt, wonach diese Inhalte in bestimmter Weise gesetzt, gewertet werden. »Sein« bedeutet zunächst als Existenz (Dasein) keine Qualität, keine dingliche Eigenschaft u. dgl., sondern die Meinung, daß ein Denkinhalt mehr bedeutet als ein bloßes Wort, eine bloße Vorstellung, Einbildung u. dgl., nämlich ein außer dem Denkakte und momentanen Erlebnis Vorfindbares, in einem allgemeinen, gesetzmäßigen Erlebniszusammenhange Enthaltenes. »A ist« bedeutet demnach: A ist der Name nicht eines Hirngespinstes, nicht eines Phantasiewesens, sondern der Name, Begriff eines zur Außen- oder Innenwelt Gehörenden, damit also dem bloßen Gedachtwerden selbständig Gegenüberstehenden, Unabhängigen, wenn auch deshalb noch nicht immer »Transzendente« (s. d.). Der Existentialbegriff setzt schon die Wahrnehmung und Anerkennung bezw. Setzung einer Welt von Dingen, Eigenschaften und Beziehungen fester Art voraus. Das Existentialurteil (A ist, existiert. es gibt ein A) sagt aus, A sei der Begriff eines in der (Außen- oder Innen-)Welt Vorkommenden, Bestehenden, eines Gliedes des gesetzmäßigen Zusammenhanges möglicher Erlebnisse. In diesem Sinne kann alles Existenz haben: Physisches, Psychisches, Dinge, Eigenschaften, Beziehungen, wenn das Gedachte nur (mit Recht) mehr bedeutet als Gedachtes, insofern es eben bloß gedacht wird. Im engeren Sinne aber bedeutet Existieren, »Sein« noch mehr als das Mehr-als-gedachtwerden, es bedeutet das Für-sich-bestehen, ein Eigenes, Selbständiges, Wirkungsfähiges, eine Art Ich (s. d) darstellen. Das Ich erfaßt sich unmittelbar als ein Seiendes, Selbständiges, und in dem Gedanken des Seins (im engeren Sinne, dem Realsein) überträgt es den eigenen Wirklichkeitscharakter auf das Objekt. A ist, heißt nun: Es ist ein dem Ich an Selbständigkeit Analoges, Gleichwertiges, es hat (nicht bloß Objekt-, sondern auch) Subjekt-Wert. »Sein« als Copula (s. d.) bedeutet zunächst die Beziehung des Prädikats aufs Subjekt, nicht die Existenz des Subjektes, wohl aber doch (implizite, ursprünglich) die Auffassung des Subjekts als »Träger« der Prädikatsmerkmale, als »Subjekt« im Ursinne des Wortes, als Ichheit. »S ist P« bedeutet ursprünglich: S hat P in sich, ist in P gegeben, wirksam, P gehört zu S als Zustand, Tätigkeit u.s.w. des S. nur wird später die ontologische Bedeutung durch die rein logische der Begriffsbeziehung verdrängt, welche aber doch, im Geltungsbewußtsein, an das Existentiale erinnert (S ist P meint: S ist wahrhaft, wirklich, tatsächlich, »in re« P). - Im engsten Sinne bedeutet das Sein den Gegensatz zum Werden (s. d.), nämlich die feste, dauernde Existenz, die Existenz durch alle Zeit hindurch oder aber die zeitlose, überzeitliche Permanenz, das Mit-sich-identisch-bleiben, Beharren. Empirisch können wir nur relatives Sein setzen, aber das Denken verabsolutiert den Begriff des Beins, indem es das Seinsmoment, das in der Wirklichkeit dem des Werdens als Korrelat gegenübersteht, hypostasiert. In Wahrheit ist die Wirklichkeit seiend und werdend zugleich, sie ist, bleibt ewig im Werden und wird, verändert sich als Seiendes. - Das Sein bedeutet auch oft die Wesenheit (s. d.), Essenz, das wesentliche, allgemeine Sein im Unterschiede von der Existenz, der besondern, zufälligen äußerlichen Form des Seins.

Der Seinsbegriff wird bald als angeboren, bald als apriorischer Begriff, als Kategorie, bald als (äußerer oder innerer) Erfahrungsbegriff, bald als aus der Stellung des Denkens zur Erfahrung entspringend bestimmt. Der Realismus (s. d.) bezieht das Sein auf transzendente (s. d.) Wirklichkeiten, der Idealismus (s. d.) auf Bewußtseinsinhalte, Immanentes (s. d.). »Existenz« wird bald als Eigenschaft, Modus der Objekte, bald als ursprünglicher Bestandteil der Vorstellungen, bald als gedanklicher Setzungscharakter, bald als Wahrnehmungsmöglichkeit, bald als Wirkungsfähigkeit, bald als Für-sich-sein u. dgl. gedeutet.



Begriff und Definition des Seins:


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