
Qualität - Qualität im Allgemeinen
Zunächst über Qualität im allgemeinen. - Als Grundbegriff tritt die Qualität (poiotês) schon bei PLATO auf (Theaet. 182A, 186A, 185B). Ferner bei ARISTOTELES (De categor. 8). Er unterscheidet vier Arten von Beschaffenheiten: Eigenschaften (s. d.) und Zustände (s. d.), Dispositionen (s. d.), passive Beschaffenheiten, geometrische Beschaffenheiten (ib.). Die prôtê poiotês ist hê tês ousias diaphora (Met. V 14, 1020 b squ.). Als Kategorie (s. d.) erscheint die Qualität auch bei den Stoikern u. a. CICERO erklärt: »Qualitates igitur appellari quas poiotêtas Graeci vocant« (Acad. 1, 7, 25). Nach PLOTIN ist Qualität ein charakteristisches Merkmal des Dinges (Enn. VI, 3, 16). Er unterscheidet psychische und physische Qualitäten (l. c. VI, 3, 17). Ein Teil der Qualitäten sind Begriffe (logoi), Formen, Kräfte, ein anderer Privationen (s. d.) (l. c. VI, 1, 10). Die Materie (s. d.) ist qualitätslos (l. c. I, 8, 1Q).
Die Scholastiker bestimmen die Qualität als »modus essendi«, »dispositio substantiae« (THOMAS, Sum. th. I, 28, 2c. I. II, 49, 2c). Es gibt »qualitas accidentalis« und »essentialis«, »activa« und »passiva« u.s.w. Den wahrnehmbaren Qualitäten liegen »qualitates occaltae«, verborgene, als Kräfte (Formen, s. d.) wirkende Qualitäten zugrunde. Nach SUAREZ ist »qualitas« »accidens institutum a natura, ut sit veluti complementum substantive creatae in his, quae spectant ad operationem vel conservationem vel ornamentum eius« (Met. disp. 42, sct. 5). Vier Qualitätsarten gibt es: »habitus et dispositio, naturalis potentia et impotentia, passio et passiva qualitas, figura et forma« (ib.). »Habitus est qualitas quaedam permanens et de se stabilis in subiecto, per se primo ordinata ad operationem, non tribuens primam facultatem operandi, sed adiuvans et facilitans illam« (Met. disp. 44, sct. 1). Die Aristotelische Einteilung der Qualität noch bei MICRAELIUS (Lex. philos. p. 939) u. a. »Qualitas« ist physisch »affectio seu proprietas corporis naturalis, qua illud disponitur ad aliquid agendum seu patiendum« (l. c. p. 938). »Qualitates Physici faciunt 1) alias activas, ut calorem et frigus, alias passivas, ut humidum et siccum. 2) alias reales seu materiales, quae in subiecto haerent, ut est viriditas in arbore. alias spirituales seu intentionales.... 3) aliam occultam.... aliam manifestam et sensibilem.« Von letzterer gibt es »qualitates primae« (calor, frigus, humidum, siccum) und »secundae« (l. c. p. 939 f.). DESCARTES nennt »qualitates« die Eigenschaften der Substanz (Princ. philos. I, 56). GASSENDI erklärt: »Potest quidem qualitas definiri modus sese habendi substantiae seu status et conditio, qua materialia principia inter se commista se habent« (Synt. Philos. Epic.). Nach J. BÖHME ist Qualität »die Beweglichkeit, Quallen oder Treiben eines Dinges« (Aurora C. 1, S. 21). In allem gibt es zwei Qualitäten: eine gute und eine böse. In den Elementen gibt es eine bittere, süße, saure, herbe Qualität (l. c. S. 24 f.. vgl. Quellgeister). LOCKE versteht unter Qualität die Fähigkeit eines Dinges, eine Empfindung im Bewußtsein zu erzeugen: »The power to produce any idea in our rnind, I call quality of the Subjekt wherein that power is« (Ess. II, ch. 8, § 8). CHR. WOLF definiert: »Omnis determinatio rei intrinseca, quae sine alio assumto intelligi potest, dicitur qualitas« (Ontolog. § 452). Nach PLATNER ist Qualität »die Ähnlichkeit eines Objekts in seinen Prädikaten mit andern« (Philos. Aphor. I, 939. Log. u. Met. S. 136 f.). KANT sieht in der Qualität eine Klasse der Kategorien (s. d.). Nach SCHELLING entsteht die Kategorie der Qualität durch die Reflexion der Intelligenz »auf den Grad, in welchem ihr die Zeit erfüllt ist« (Syst. d. tr. Ideal. S. 312). »Was aber empfunden wird, heißt Qualität. Also bekommt das Objekt erst, indem es von der Allgemeinheit des Begriffs abweicht, Qualität es hört auf, bloße Quantität zu sein« (Naturphilos. I, 385 f.). ESCHENMAYER erklärt: »Die Ichheit hat ein ursprüngliches Plus an ihrer Ideenwelt und ein ursprüngliches Minus an ihrer Erscheinungswelt, ihr selbst aber kommt der Charakter der ursprünglichen Indifferenz zu. Diese drei ins formale Denken Übertragen geben der Logik die Kategorie der Qualität« (Psychol. S. 301). Als Moment (s. d.) der dialektischen Entwicklung der Idee, als metaphysische Kategorie bestimmt die Qualität HEGEL. Die Qualität gehört zum Sein (s. d.) im weiteren Sinne, gliedert sich wieder in Sein (im engeren Sinne), Dasein, Für-sich-sein (Encykl.). So auch K. ROSENKRANZ. Qualität ist das Sein in seiner »an und für sich grundlosen Bestimmtheit« (Syst. d. Wissensch. S. 11 ff.). Nach HILLEBRAND ist die Qualität »die Selbstbestimmungsweise der absoluten Positivität eines Dinges... in ihrem negativen Verhältnisse zu andern oder in ihrem Unterschiede von denselben« (Philos. d. Geist. II, 48). Nach LOTZE bedeutet Qualität immer »etwas, was seiner Natur nach nur als Empfindungszustand eines empfindenden Wesens Wirklichkeit hat« (Mikrok. III2, 513). Bei ULRICI: sind Qualität und Quantität abgeleitete Kategorien (Syst. d. Log. S. 237 M). Nach E. V. HARTMANN ist die Qualität eine Kategorie. Sie ist nur in der »subjektiv idealen Sphäre«, »nur eine Synthese von intensiven Empfindungskomponenten..., die während ihres qualitativen Bewußtwerdens als Einzelempfindungen unter die Schwelle des Gesamtbewußtseins gesunken sind« (Kategorienlehre S. 29). »Alle Qualität des Bewußtseinsinhaltes ist Empfindungsqualität oder Zusammensetzung aus solcher mit andern Empfindungsqualitäten oder mit qualitätslosen Funktionen« (l. c. S. 33). Es sind »die unmittelbar angeschauten Wahrnehmungsobjekte qualitätsbehaftet, die mittelbar nur repräsentativ gedachten Dinge an sich aber qualitätslos« (l. c. S. 39). Nur »in seinem Subjektiv-idealen In-sich-sein und Leiden, in seinem Empfinden und Bewußtwerden« hat das objektive Ding Qualität (1. e S. 41 f.). In der »metaphysischen Sphäre« gibt es keine Qualitätsunterschiede der Individuen (l. c. S. 47). Auch das Absolute ist qualitätslos (l. c. S. 49). Nach H. COHEN beruht die Qualität (im Sinne der mathematischen Naturwissenschaft) »auf der Bestimmung derjenigen Art von Realität, zu welcher die Infinitesimal- Rechnung die Maßeinheit liefert«. »Der Unterschied der Qualität ist als ein solcher der Realität und auf die versehiedenen Ordnungen des Unendlichkleinen zurückführbar zu denken« (Princ. d. Infinites. S. 110, 147). - Vgl. Kategorien.
Während der naive Realismus (s. d.) fast alle Sinnesqualitäten für objektivreal nimmt, erfolgt in der Philosophie eine zunehmende Subjektivierung der Qualitäten, die schließlich zu der Lehre führt, daß alle Sinnesqualitäten als solche Subjektiv, psychisch seien, mögen sie auch die objektiven Bestimmtheiten der Dinge symbolisieren.