2. Objekt und Außenwelt

 

Nach CHR. WOLF erkennen wir die Dinge außer uns, »indem wir erkennen, daß sie von uns unterschieden sind« (Vern. Ged. I, § 45). Die Gedanken der Körper richten sich nach dem konstantesten Objekte, nach unserem Leibe (l. c. § 218). Die Vorstellungen unserer Seele müssen den Dingen ähnlich sein (l. c. § 768). Nach PLOUCQUET drängt sich uns die Außenwelt auf. In Gott gibt es einen zureichenden Grund für die Existenz der Dinge (Princ. p. 92 ff.). MENDELSSOHN erklärt: »So wie ich selbst nicht bloß ein abwechselnder Gedanke, sondern ein denkendes Wesen bin, das Fortdauer hat. so läßt sich auch von verschiedenen Vorstellungen denken, daß sie nicht bloß Vorstellungen in uns oder Abänderungen unseres Denkvermögens sind. sondern auch äußerlichen, von uns unterschiedenen Dingen, als ihrem Vorwurfe, zukommen« (Morgenst. I, 1). Das »Gedachte« ist der »Vorwurf des Gedankens, dem wir in vielen Fällen geneigt sind, so wie uns selbst, ein reales Dasein zuzuschreiben« (l. c. S. 14). TETENS bemerkt »Mit allen Vorstellungen des Gesichts, des Gefühls und der übrigen Sinn ist der Gedanke verbunden, daß sie äußere Objekte vorstellen. Dieser Gedanke besteht in einem Urteil und setzt voraus, daß schon eine allgemeine Vorstellung von einem Dinge... vorhanden, und daß diese von einer andern allgemeinen Vorstellung von einem Selbst und von einer Sache in uns unterschieden sei« (Philos. Vers. I, 344). »Wir halten die Empfindungen und Vorstellungen nicht selbst für die Objekte, sondern setzen noch etwas anderes außer der Vorstellung voraus, das die Quelle der Empfindungen ist« (l. c. S. 395).

Dem Tastsinn schreibt die Objektivierung der Empfindungen CONDILLAC zu. »C'est le toucher qui instruit ces sens. A peine les objets prennent sous la main certaines formes, certaines grandeurs, que l'odorat, l'ouie, la vue et le goût répandent á l'envie leurs sensations sur eux, et les modifications de l'âme deviennent les qualités de tout ce qui existe hors d'elle« (Trait. de sens. p. 45). »Quand plusieurs sensations distinctes et coexistantes sont circonscrites par le toucher, dans des bornes, où le moi se répond à lui-même, elle prend connaissance de son corps. quand plusieurs sensations distinctes et coexistantes sont circonscrites par le toucher dans des bornes, où le moi ne se répond pas, elle a l'idée d'un corps diffèrent du sien« (l. c. p. 15). Die Empfindung des Festen lehrt uns die Existenz undurchdringlicher Objekte, denen wir die übrigen Empfindungsinhalte als Qualitäten zuschreiben (l. c. II, 5. III, 1 ff.). Nach LAMBERT verbürgt uns der Tastsinn die Realität der Außendinge (Anlage zur Architekton. II, 165 f.). - BONNET erklärt das Außenweltsbewußtsein aus der Unabhängigkeit der Empfindung vom Willen des Erkennenden (Ess.). Nach BUFFON glauben wir nur an die Außenwelt: »Nous pouvons croire, qu'il y a quelque chose hors de nous, mais nous n' en sommes pas sûrs, au lieu que nous sommes assurés de l'existence réelle de tout ce qui est en nous« (Hist. natur. II, 432). Auch nach HAMANN kann die Existenz der Objekte nur geglaubt werden. Nach D'ALEMBERT nötigt uns die Bestimmtheit und die Übereinstimmung der Empfindungen untereinander sowie die Unabhängigkeit derselben von unserem Willen zur Annahme der Außendinge, durch eine Art Instinkt von großer Kraft. Durch den Verkehr mit den Mitmenschen wird diese Überzeugung noch verstärkt (Discours prélim. de l'encyclop. p. 7 ff.). Auf die Unabhängigkeit der Empfindungen vom Willen führt die Unterscheidung der Vorstellungsobjekte vom Ich ROUSSEAU zurück (Emil IV, 2. Bd., S. 124. vgl. TURGOT, Art. Existence in der Encykl.).

Auf diese Unabhängigkeit bezieht das Außenweltsbewußtsein auch BERKELEY, der außerdem schon die Assoziation als Quelle des Dingbegriffes berücksichtigt. Es muß einen fremden Willen geben, der Ursache meiner Wahrnehmungen ist (Princ. XXIX). Konstanz, Ordnung, Verknüpfung, Gesetzmäßigkeit der Empfindungen sind weitere Kriterien für die Objektivität der Objekte, (aber nur als Vorstellungen, s. oben). Der Grund des Glaubens an die absolute Existenz der Dinge liegt im folgenden: »Wenn wir das Äußerste versuchen, um die Existenz äußerer Körper zu denken, so betrachten wir doch immer nur unsere eigenen Ideen. Indem aber der Geist von sich selbst dabei keine Notiz nimmt, so täuscht er sieh mit der Vorstellung, er könne Körper denken und denke Körper, die ungedacht von dem Geiste oder außerhalb des Geistes existieren, obschon sie doch zugleich auch von ihm vorgestellt werden oder in ihm existieren« (l. c. XXIII, XLIV ff.. vgl. III ff., CXL, CXLV u. Ding). Auf die Construction der Einbildungskraft und Assoziation führt HUME das Gegenstandsbewußtsein zurück. Der Glaube (belief) an die dauernde, selbständige Existenz der Objekte beruht nicht auf den Sinnen, denn das hieße, »daß die Sinne fortfahren zu wirken, auch wenn jede Art ihrer Tätigkeit aufgehört hat« (Treat. IV, sct. 2, S. 250). Einen Schluß von der Vorstellung auf einen von ihr verschiedenen Gegenstand gibt es auch nicht, denn das naive Erkennen identifiziert Vorstellung und Objekt (l. c. S. 258). Nicht aus der Wahrnehmung, nicht aus dem Denken, sondern aus der Einbildungskraft entstammt das Außenweltsbewußtsein. Die Einbildungskraft macht, auf Grund der Konstanz (constancy) und des Zusammenhangs (coherence) der Wahrnehmungen, die Fiction unabhängig von uns dauernder Objekte (l. c. S. 259 ff.). »Gegenstände zeigen schon, soweit sie den Sinnen erscheinen, eine gewisse Cohärenz. diese Cohärenz aber erscheint dann viel enger und gleichförmiger, wenn wir annehmen, daß die Gegenstände eine dauernde Existenz besitzen. Da nun der Geist einmal im Zuge ist, in den Gegenständen auf Grund der Beobachtung Gleichförmigkeit anzunehmen, so ist es ihm natürlich, damit fortzufahren, so lange, bis er die Gleichförmigkeit in eine möglichst vollkommene verwandelt hat. Zu diesem Zweck genügt aber die einfache Annahme der dauernden Existenz der Gegenstände« (l. c. S. 264). Aus der Ähnlichkeit verschiedener Wahrnehmungen machen wir eine Identität des Wahrgenommenen (l. c. S. 265 f.). »Es besteht... die Natur und das Wesen der assoziativen Beziehung darin, unsere Vorstellungen miteinander zu verknüpfen und, wenn die eine auftritt, dem Geist den Übergang zu der dazu gehörigen anderen zu erleichtern. Der Übergang zwischen Vorstellungen, die durch eine solche Beziehung verknüpft sind, ist ein so ungehemmter und leichter, daß er wenig Veränderung im Geist hervorruft und wie die Fortsetzung derselben Tätigkeit erscheint. Da nun eine wirkliche Fortsetzung derselben Tätigkeit dann stattfindet, wenn wir einen und denselben Gegenstand fortgesetzt betrachten, so kann es geschehen, daß wir, vermöge dieser Übereinstimmung, der Aufeinanderfolge von Gegenständen, die miteinander in assoziativer Beziehung stehen, gleichfalls Identität zuschreiben. Unser Vorstellen gleitet an dieser Aufeinanderfolge mit der gleichen Leichtigkeit entlang, als wenn es nur auf einen einzigen Gegenstand gerichtet wäre. darum verwechselt es die Aufeinanderfolge mit der Identität« (l. c. S. 271). »Wenn die Übereinstimmung zwischen unseren Wahrnehmungen uns veranlaßt, ihnen Identität zuzuschreiben, so können wir die anscheinende Unterbrechung dadurch beseitigen, daß wir ein dauerndes Ding erdichten, das jene Zwischenräume ausfüllt und so unseren Wahrnehmungen vollkommene und vollständige Identität sichert« (l. c. S. 275 ff.).

 


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