Gott. Idealismus

Von J. G. FICHTE an beginnt eine (qualitativ verschiedene) pantheistische Auffassungsweise Platz zu greifen. Fichte selbst betrachtet Gott als die (aktive »sittliche Weltordnung« (»ordo ordinans«), als absolutes, unendliches Ich (s. d.), als absolute, freie, vernünftig- sittliche Tätigkeit (WW. V, 182 ff., 210 ff.), später als ein Sein (s. d.). SCHELLING bestimmt als das Prinzip das »Absolute«, die »Indifferenz« aller Dinge, die »Identität« von Subjekt und Objekt, von Natur und Geist; es ist ein ewiges Produzieren (Id. zu e. Philos. d. Nat. I2, S. 71 ff.). Das Absolute ist Gott als »ein solches, welches sich selbst absolut affirmiert und also von sich selbst das Affirmierte ist« und das »unmittelbar durch seine Idee auch ist« (WW. I 6, 148 f.). Durch intellectuale Anschauung wird Gott unmittelbar erkannt (l.c. S. 150 f., 153 f.). »Gott und Universum sind eins oder nur verschiedene Ansichten eines und desselben. Gott ist das Universum, von der Seite der Identität betrachtet, er ist alles, weil er das allein Reale, außer ihm also nichts ist« (WW. I 4, 128). In der Natur und in der Geschichte offenbart sich Gott (Syst. d. tr. Ideal. S. 439). Als Vorsehung wird Gott erst ganz sein (l.c. S. 441). Später wird Schellings Gottesbegriff ein mehr theistischer. Gott ist nun »lebendige Einheit von Kräften«, »Persönlichkeit«, »Geist im eminenten und absoluten Verstande« (WW. I 7, 395 ff.). Gott ist »die Ursache, die allgemein und im ganzen Weltprozeß zunächst dem subjektiven über das Objektive, entfernter also dein Idealen über das Reale den Sieg verleiht« (WW. I 10, 265). Gott hat »drei Angesichte«, in ihm sind drei Momente, Formen, deren Einheit er ist (l.c. S. 245 ff.). Gott ist aber nicht nur im Weltprozeß, sondern er ist die Potenz vor und zu aller Tätigkeit (l.c. S. 252 f.). In Gott ist ein »Urgrund«. Nach HEGEL ist das Absolute die Weltvernunft, der ewige dialektische (s. d.) Prozess, der zum Selbstbewußtsein des Absoluten führt (Encykl. § 87; Log. III, 327; Phänom. S. 16). Gott ist »der lebendige Prozeß, sein Anderes, die Welt, zu setzen« (Naturphilos. S. 22). In der »absoluten Religion« manifestiert sich Gott als absoluter Geist (Encykl. § 564). »Gott ist nur Gott, insofern er sich selber weiß; sein Sich-wissen ist ferner sein Selbstbewußtsein im Menschen, und das Wissen des Menschen von Gott, das fortgeht zum Sich-wissen des Menschen in Gott« (l.c. S. § 564). »Daß der Mensch von Gott weiß, ist nach der wesentlichen Gemeinschaft ein gemeinschaftliches Wissen, d. i. der Mensch weiß nur von Gott, insofern Gott im Menschen von sich selbst weiß« (WW. XII, 496). Das göttliche Wesen stellt sich dar: »a) als in seiner Manifestation, bei sich selbst bleibender, ewiger Inhalt; ß) als Unterscheidung des ewigen Wesens von seiner Manifestation, welche durch diesen Unterschied die Erscheinungswelt wird, in die der Inhalt tritt; ?) als unendliche Rückkehr und Versöhnung der entäußerten Welt mit dem ewigen Wesen, das Zurückgehen desselben aus der Erscheinung in die Einheit seiner Fülle« (Encykl. § 566). Von den Hegelianern nimmt die sog. »Rechte« einen theistischen oder vermittelnden Standpunkt ein (GABLER, HINRICHS, GÖ- SCHEL, K. ROSENKRANZ, VATKE, SCHALLER u. a.). - Nach SCHLEIERMACHER ist Gott die »volle Einheit« der Welt, Gott und Welt sind Korrelate (Dial. S. 162, 165, 16l, 432 ff., 476). Das Absolute ist die »reine Identität« von Sein und Denken (l.c. S. 326), ist ewiges Leben (l.c. S. 531), aber unpersönlich (1. e. S. 525 f., 599). »Jedes einzelne Sein ist als solches eine bestimmte Form des Seins der absoluten Identität, nicht aber ihr Sein selbst, welches nur in der Totalität ist« (WW. I 1, 131). SCHOPENHAUER bestimmt das (ungöttliche) Absolute als (alogischen) Willen (s. d.). Nach E. V. HARTMANN ist Gott unbewußter Geist, unpersönlich (Relig. d. Geist. S. 161), die Substanz der Dinge, welche zwei Attribute hat: Idee und Willen, Logisches und Alogisches (Kategorienlehre S. 538 ff.). Gott ist Einheit in der Vielheit, Vieleinheit (»konkreter Monismus«, S. Mon.). So auch A. DREWS. Nach R. HAMERLING ist Gott das allgemeine Sein (Atomist. d. Will. I, 126). SCHELLWIEN betont: »Der wahre Pantheismus ist die Einheit, die in der Vielheit nicht aufhört, die Einheit zu sein« (Wille u. Erk. S. 94). H. SPENCER bezeichnet das göttliche Absolute als »unknowable«, als absolut transcendent, wenn auch in der Welt sich manifestierend. Nach D. F. STRAUSS ist Gott nicht Person, sondern das Unendliche, das in den Individuen sich personificiert (Der alte u. d. neue Glaube). M. MESSER faßt Gott als »Allseele« auf (Mod. Seele S. 41).

Bald theistisch, bald vermittelnd, panentheistisch, stellt sich der Gottesbegriff bei folgenden Denkern dar. Zunächst bei der Hegelschen »Rechten« (s. oben). Ferner in der französischen »theologischen Schule« (DE BONALD, J. DE MAISTRE, LAMMENAIS). Dann bei BENEKE, dem Gott unendliche Person ist, ferner bei HERBART, STEFFENS, TROXLER, CHR. WEISSE, dem Gott selbstbewußte Urpersönlichkeit ist (Phil. Dogm. I, 336 ff.),

CHALYBAEUS (Syst. d. Wiss. S. 285), BRANISS (Syst. d. Met. S. 170 ff.), MICHELET (Vorles. üb. d. Pers. Gott. S. 160 f), WIRTH, TRENDELENBURG, DROBISCH (Religionsphilos. 1878), W. ROSENKRANTZ u. a. Nach HILLEBRAND ist Gott absoluter Geist, der allen Substanzen übergeordnet ist (Philos. d. Geist. I, 69). Gott ist eine Substanz, welche alle endlichen Substanzen in der Einheit ihres Systems auf sich bezieht (l.c. II, 321), er ist absolute Subjektivität (ib.), den einzelnen Dingen gegenüber transcendent, aber immanent dem System des Seins (l.c. S. 322). Gott hat Bewußtsein, Selbstbewußtsein, Persönlichkeit (l.c. S. 325 f.). Er ist nicht ohne die Welt, sondern in ewiger Selbstbeziehung auf sie (l.c. S. 327). Nach HEINROTH ist Gott die »Urkraft«, er ist Einheit von Wille und Gedanken, der Schöpfer der Welt aus nichts (Psychol. S. 194 ff., 203). Eine »Alleinheitslehre« begründet CHR. KRAUSE. Ihm ist Gott (»Wesen«) eine die Welt einschließende Einheit, ein »Vereinwesen von Selbheit und Ganzheit«, unendliche, absolute, selbstbewußte Persönlichkeit (Vorles. üb. d. Syst. d. Philos. II, 46; Rechtsphilos. S. 14 ff., 16, 22; vgl. Religionsphilos.). So auch AHRENS (Naturrecht I, 316). F. BAADER bestimmt Gott als formende, »aktuose« Einheit, lebendige Tätigkeit (WW. I, 195 ff.). Gott, Sohn, Heiliger Geist bilden einen »Ternar«; der Sohn entfaltet sich aus der Selbstanschauung des Vaters zum Geist. In Gott ist eine ewige Natur (WW. I, 226). Nach GÜNTHER denkt sich Gott selbst und setzt sich damit selbst, unterscheidet sich von sich und verbindet in sich die drei Personen zu einem Selbstbewußtsein. Die Welt ist eine Entgegensetzung, die Gott sich erschaffen. Einen »konkreten Theismus« lehrt J. H. FICHTE. Gott ist eine transcendente, die Welt in sich einschließende Einheit, schöpferisches Denken, er hat Selbstbewußtsein und Persönlichkeit (Specul. Theol. S. 77 ff., 160; Psychol. II, 28 f., 82). Ähnlich ULRICI, dem Gott die geistige, unterscheidende, schöpferische, bewußte, freie Urkraft ist (Gott u. d. Nat. S. 554 ff.; vgl. Log. S. 56), das »Prius alles andern Seins« (ib.). Nach LOTZE ist Gott ein unendlich Tätiges, das allen Dingen zugrunde liegt, aber bewußter absoluter Geist ist, Persönlichkeit, die alles in sich einschließt, lebendiger Gott ist (Mikrok. III2, 545 ff., 559 ff., 571 ff.; vgl. Gr. d. Religionsphilos.). Einen »transcendenten Pantheismus« vertritt FORTLAGE. Panentheistisch ist die Lehre FECHNERS. Gott ist ein unendlicher Geist, der alle Veränderungen in sich einschließt (Üb. d. Seelenfr. S. 117). Sein Leib ist die Welt (l.c. S. ll8). Gott ist der »Allgeist«, der alle anderen Geister einschließt, umfaßt (Zend-Avesta I, 202), er ist »ein einiges, höchst bewußtes, wahrhaft allwissendes, d. i. alles Bewußtsein der Welt in sich tragendes und hiermit auch das Bewußtsein aller Einzelgeschöpfe in höheren Bezügen und höchster Bewußtseinseinheit verknüpfendes Wesen« (l.c. II, 181; I, 258 f.). »Es ist ein Gott, dessen unendliches und ewiges Dasein das gesamte endliche und zeitliche Dasein nicht sich äußerlich gegenüber noch äußerlich unter sich, sondern in sich aufgehoben und untergeordnet hat« (Tagesans. S. 65). Er »sieht mit dem Lichte und hört mit dem Schalle seiner Welt alles, was in der Welt ist und geschieht« (ib.). Ähnlich K. LASSWITZ, BR. WILLE u. a. Nach PAULSEN ist Gott »die Einheit alles Geistigen«. »Der unendliche Inhalt des göttlichen Wesens ist für unser Erkennen transcendent« (Syst. d. Eth. I5, 207). M. CARRIERE betrachtet Gott als »Einheit in der Allheit«, als »Ich des Universums«, als freien Geist, Persönlichkeit; er waltet in allen Geistern, diese sind »seine einzelnen Willensakte, die sich in ihm zur Selbständigkeit erheben, weil er nach seiner Freiheit nur in freien Wesen offenbar werden kann« (Ästh. I, 46; Die sittl. Weltordn.). Einen christlichen Theismus lehrt THRANDORFF. Nach O. PFLEIDERER ist Gott absoluter Geist, Persönlichkeit, das absolute Ich, welches die Welt einschließt und in ihr vernünftig wirkt (Religionsphilos.). Ähnlich R. SEYDEL (Die Relig. 1872), KIRCHNER (Metaph. 1880), G. TIEHLE. Nach SIGWART ist Gott der Weltgrund, die »reale Macht eines zwecksetzenden Wollens« (Log. II, 758). Nach KAFTAN ist Gott »die höchste Energie des persönlichen Willens« (Christent. u. Philos. S. 12). - VOLKELT sieht in Gott das unendliche All-Eine. Die Welt weist darauf hin, daß im Absoluten ein »Prinzip der Negation und Verkehrung innewohne« (Ästh. d. Trag. S. 430). »Einerseits ist die Welt in der Vernunft, im Sein-sollenden, im Positiven gegründet. Aber zugleich hat das ewig Vernünftige, Sein-sollende, Positive es ebenso ewig mit seinem Gegenteil zu schaffen, es leidet am Irrationellen, Nicht-sein-sollenden, Negativen, und es trägt das Gepräge dieses Leidens« (l.c. S. 432). Das Absolute gleicht dem tragischen Helden, der es »in seinem eigenen Innern mit einer herabzerrenden Gegenmacht zu tun hat« (l.c. 434). Nach G. SPICKER ist Gott Grund und Zweck der Welt (Vers. e. n. Gottesbegr. S. 160), er hat Wissen, Vernunft, Bewußtsein (l.c. S. 150 f.), ist nicht einfach, aber die Einheit von Geist und Materie (1. G. S. 153), hat Persönlichkeit (l.c. S. 263). Die Natur ist nicht Gott, aber göttlicher Art (l.c. S. 150). Gott ist »causa eminens« (l.c. S. 125). In Bezug auf sich hat er keinen Willen (l.c. S. 150 f.). WUNDT bestimmt Gott als »schöpferischen Willen«, höchsten Gesamtwillen (Eth.2, S. 462), den absolut transcendenten Weltgrund (Syst. d. Philos.2, S. 668 ff.), als den dem Weltinhalt adäquaten Grund, der als übergeistig, übersittlich, als die transcendente Einheit von Natur und Geist gedacht wird (l.c. S. 392 ff.). Zu Gott führen die kosmologischen und ontologischen Ideen (s. d.). Gott wird durch die letzteren als »Weltwille«, die Weltentwicklung als Entfaltung des göttlichen Willens und Wirkens in der Welt bestimmt; die Welt ist, (wie bei LESSING), in Gott, nimmt an ihm teil, ohne daß die Einzelwillen ihre Selbständigkeit einbüßen (l.c. S. 433 f.). Als Weltwillen faßt Gott W. JERUSALEM auf (Urteilsfunct.). Nach REINKE ist Gott »ein Symbol für die Summe jener intelligenten und gestaltenden Kräfte, die transcendent und immanent zugleich sind, aus der Transcendenz die Immanenz erzeugend« (Welt als Tat, S. 464). Einen Panentheismus vertritt W. v. WALTHOFFEN (Die Gottesidee). HÖFFDING erklärt: »Von einem rein theoretischen (erkenntnistheoretisch- metaphysischen) Standpunkt aus kann der Gottesbegriff nur das Prinzip der Kontinuität, mithin der Verständlichkeit des Daseins bedeuten. Von einem religiösen Standpunkt aus bedeutet Gott - als Objekt des Glaubens - das Prinzip der Erhaltung des Wertes durch alle Schwankungen und alle Kämpfe hindurch, - wenn man so will, das Prinzip der Treue im Dasein« (Religionsphilosoph. S. 120). Gott ist ein Einheitsprincip, das allem Zusammenhange der Dinge zugrunde liegt (1. e. S. 51). A. DORNER faßt Gott als Substanz, absoluten, selbstbewußten Geist, der über die Welt erhaben und zugleich ihr immanent, Einheit von Vernunft und Wille ist (Gr. d. Religionsphilos. S. 27 ff.). - MONRAD betrachtet Gott als sich selbst denkenden Gedanken (Arch. f. system. Philos. II, 205), BOSTRÖM als absolute Persönlichkeit. RENOUVIER erklärt: »Dieu est la conscience morale parfaite, c'est-à-dire la souveraine justice, et la souveraine bonté qui veut la justice et qui la fait« (Nouv. Monadol. p. 460). Gott ist »la personne parfaite« (l.c. p. 401) Nach EMERSON ist Gott die »Überseele«.

Naturalistisch oder atheistisch sind die religionsphilosophischen Auffassungen verschiedener Denker. Nach L. FEUERBACH ist Gott das menschliche Wesen, das der Mensch aus sich heraus projiziert, das offenbare Innere des Menschen, ein »Wunschwesen« (WW. VII, 39 ff.). Die Götter sind »die verwirklicht gedachten Wünsche der Menschen« (WW. VIII, 257; IX, 56 ff.). Das Absolute ist die Natur. A. COMTE will als Gottheit (»grand être«) die Menschheit verehrt wissen. M. STIRNER ist absoluter Atheist. Atheistisch denken auch BAHNSEN, MAINLÄNDER, E. DÜHRING, L. BÜCHNER, E. HAECKEL, der unter Gott nur »die unendliche Summe aller Naturkräfte« versteht (Der Monism. S. 33; Die Welträtsel), NIETZSCHE , dem die Existenz eines Gottes ein unerträglicher Gedanke ist (WW. XV, 315). Unter »Gott« kann man nur die Kulmination des »Willen zur Macht« verstehen (l.c. XV, 318 f.). - Vgl. VATKE, Religionsphilos. 1888; TEICHMÜLLER, Religionsphilos. 1886; GLOGAU, Vorles. üb. Religionsphilos.; SEYDEL, Religionsphilos.; RUNGE, Katech. d. Religionsphilos., FLINT, Theism. 1879; Schriften von COLDERWOOD, MARTINEAU, CAIRD, J. LINDSAY, ABBOT u. a. Vgl. Äther, Dualismus, Religion, Deismus, Theologie, Willensfreiheit, Manichäismus.


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