Gesellschaft


Wenn er sich, durch seine frühere Lebensart wenig vorbereitet, in der Gesellschaft anfangs nicht ganz bequem befand, so trat ein Gefühl von Würde bald an die Stelle der Erziehung und Gewohnheit, und er lernte sehr schnell sich den Umständen gemäß betragen. Die Lust am Umgang mit vornehmen, reichen und berühmten Leuten, die Freude, von ihnen geschätzt zu werden, dringt überall durch, und in Absicht auf die Leichtigkeit des Umgangs hätte er sich in keinem bessern Elemente als in dem römischen befinden können.

Er bemerkt selbst, daß die dortigen, besonders geistlichen Großen, so zeremoniös sie nach außen erscheinen, doch nach innen gegen ihre Hausgenossen bequem und vertraulich leben; allein er bemerkte nicht, daß hinter dieser Vertraulichkeit sich doch das orientalische Verhältnis des Herrn zum Knechte verbirgt. Alle südlichen Nationen würden eine unendliche Langeweile finden, wenn sie gegen die Ihrigen sich in der fortdauernden wechselseitigen Spannung erhalten sollten, wie es die Nordländer gewohnt sind. Reisende haben bemerkt, daß die Sklaven sich gegen ihre türkischen Herren mit weit mehr Aisance betragen, als nordische Hofleute gegen ihre Fürsten, und bei uns Untergebene gegen ihre Vorgesetzten; allein wenn man es genau betrachtet, so sind diese Achtungsbezeigungen eigentlich zugunsten der Untergebenen eingeführt, die dadurch ihren Obern immer erinnern, was er ihnen schuldig ist.

Der Südländer aber will Zeiten haben, wo er sich gehn läßt, und diese kommen seiner Umgebung zugut. Dergleichen Szenen schildert Winckelmann mit großem Behagen, sie erleichtern ihm seine übrige Abhängigkeit und nähren seinen Freiheitssinn, der mit Scheu auf jede Fessel hinsieht, die ihn allenfalls bedrohen könnte.


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