Kardinal Albani


Über alles förderte ihn das Glück, ein Hausgenosse des Kardinal Albani geworden zu sein. Dieser, der bei einem großen Vermögen und bedeutendem Einfluß von Jugend auf eine entschiedene Kunstliebhaberei, die beste Gelegenheit, sie zu befriedigen, und ein bis ans Wunderbare grenzendes Sammlerglück gehabt hatte, fand in späteren Jahren in dem Geschäft, diese Sammlung würdig aufzustellen und so mit jenen römischen Familien zu wetteifern, die früher auf den Wert solcher Schätze aufmerksam gewesen, sein höchstes Vergnügen, ja den dazu bestimmten Raum nach Art der Alten zu überfüllen, war sein Geschmack und seine Lust. Gebäude drängten sich an Gebäude, Saal an Saal, Halle zu Halle; Brunnen und Obelisken, Karyatiden und Basreliefe, Statuen und Gefäße fehlten weder im Hofnoch Gartenraum, indes große und kleinere Zimmer, Galerien und Kabinette die merkwürdigsten Monumente aller Zeiten enthielten.

Im Vorbeigehen gedachten wir, daß die Alten ihre Anlagen durchaus gleicherweise gefüllt. So überhäuften die Römer ihr Kapitol, daß es unmöglich scheint, alles habe darauf Platz gehabt. So war die Via sacra, das Forum, der Palatin überdrängt mit Gebäuden und Denkmälern, so daß die Einbildungskraft kaum noch eine Menschenmasse in diesen Räumen unterbringen könnte, wenn ihr nicht die Wirklichkeit ausgegrabener Städte zu Hülfe käme, wenn man nicht mit Augen sehen könnte, wie eng, wie klein, wie gleichsam nur als Modell zu Gebäuden ihre Gebäude angelegt sind. Diese Bemerkung gilt sogar von der Villa des Hadrian, bei deren Anlage Raum und Vermögen genug zum Großen vorhanden war.

In einem solchen überfüllten Zustande verließ Winckelmann die Villa seines Herrn und Freundes, den Ort seiner höhern und erfreulichsten Bildung. So stand sie auch lange noch nach dem Tode des Kardinals, zur Freude und Bewunderung der Welt, bis sie in der alles bewegenden und zerstreuenden Zeit ihres sämtlichen Schmuckes beraubt wurde. Die Statuen waren aus ihren Nischen und von ihren Stellen gehoben, die Basreliefe aus den Mauern herausgerissen und der ungeheure Vorrat zum Transport eingepackt. Durch den sonderbarsten Wechsel der Dinge führte man diese Schätze nur bis an die Tiber. In kurzer Zeit gab man sie dem Besitzer zurück, und der größte Teil, bis auf wenige Juwelen, befindet sich wieder an der alten Stelle. Jenes erste traurige Schicksal dieses Kunstelysiums und dessen Wiederherstellung durch eine abenteuerliche Wendung der Dinge hätte Winckelmann erleben können. Doch wohl ihm, daß er dem irdischen Leid sowie der zum Ersatz nicht immer hinreichenden Freude schon entwachsen war.


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