Haltung und Bewegung der Hände und Arme


 

§ 44

Um eine freie Bewegung der Hände und Arme zu erlangen, tragen die Akteurs niemals einen Stock.

 

 

§ 45

Die neumodische Art, bei langen Unterkleidern die Hand in den Latz zu stecken, unterlassen sie gänzlich.

 

 

§ 46

Es ist äußerst fehlerhaft, wenn man die Hände entweder übereinander oder auf dem Bauche ruhend hält oder eine in die Weste oder vielleicht gar beide dahin steckt.

 

 

§ 47

Die Hand selbst aber muß weder eine Faust machen noch wie beim Soldaten mit ihrer ganzen Fläche am Schenkel liegen, sondern die Finger müssen teils halb gebogen, teils gerade, aber nur nicht gezwungen gehalten werden.

 

 

§ 48

Die zwei mittlern Finger sollen immer zusammenbleiben, der Daumen, Zeige- und kleine Finger etwas gebogen hängen. Auf diese Art ist die Hand in ihrer gehörigen Haltung und zu allen Bewegungen in ihrer richtigen Form.

 

 

§ 49

Die obere Hälfte der Arme soll sich immer etwas an den Leib anschließen und sich in einem viel geringeren Grade bewegen als die untere Hälfte, in welcher die größte Gelenksamkeit sein soll. Denn wenn ich meinen Arm, wenn von gewöhnlichen Dingen die Rede ist, nur wenig erhebe, um so viel mehr Effekt bringt es dann hervor, wenn ich ihn ganz emporhalte. Mäßige ich mein Spiel nicht bei schwächeren Ausdrücken meiner Rede, so habe ich nicht Stärke genug zu den heftigeren, wodurch alsdann die Gradation des Effekts ganz verlorengeht.

 

 

§ 50

Auch sollen die Hände niemals von der Aktion in ihre ruhige Lage zurückkehren, ehe ich meine Rede nicht ganz vollendet habe, und auch dann nur nach und nach, so wie die Rede sich endigt.

 

 

§ 51

Die Bewegung der Arme geschehe immer teilweise. Zuerst hebe oder bewege sich die Hand, dann der Ellbogen, und so der ganze Arm. Nie werde er auf einmal, ohne die eben angeführte Folge, gehoben, weil die Bewegung sonst steif und häßlich herauskommen würde.

 

 

§ 52

Für einen Anfänger ist es von vielem Vorteil, wenn er sich seine Ellbogen soviel als möglich am Leibe zu behalten zwingt, damit er dadurch Gewalt über diesen Teil seines Körpers gewinne und so der eben angeführten Regel gemäß seine Gebärden ausführen könne. Er übe sich daher auch im gewöhnlichen Leben und halte die Arme immer zurückgebogen, ja wenn er für sich allein ist, zurückgebunden. Beim Gehen oder sonst in untätigen Momenten lasse er die Arme hängen, drücke die Hände nie zusammen, sondern halte die Finger immer in Bewegung.

 

 

§ 53

Die malende Gebärde mit den Händen darf selten gemacht werden, doch auch nicht ganz unterlassen bleiben.

 

 

§ 54

Betrifft es den eigenen Körper, so hüte man sich wohl, mit der Hand den Teil zu bezeichnen, den es betrifft, z.B. wenn Don Manuel in der »Braut von Messina« zu seinem Chore sagt:

 

Dazu den Mantel wählt, von glänzender

Seide gewebt, in bleichem Purpur scheinend,

Über der Achsel heft ihn eine goldne

Zikade –

 

so wäre es äußerst fehlerhaft, wenn der Schauspieler bei den letzten Worten mit der Hand seine Achsel berühren würde.

 

 

§ 55

Es muß gemalt werden, doch so, als wenn es nicht absichtlich geschähe.

In einzelnen Fällen gibt es auch hier Ausnahmen, aber als eine Hauptregel soll und kann das Obige genommen werden.

 

 

§ 56

Die malende Gebärde mit der Hand gegen die Brust, sein eigenes Ich zu bezeichnen, geschehe so selten als nur immer möglich, und nur dann, wenn es der Sinn unbedingt fordert, als z.B. in folgender Stelle der »Braut von Messina«:

 

Ich habe keinen Haß mehr mitgebracht,

Kaum weiß ich noch, warum wir blutig stritten.

 

Hier kann das erste Ich füglich mit der malenden Gebärde durch Bewegung der Hand gegen die Brust bezeichnet werden.

Diese Gebärde aber schön zu machen, so bemerke man: daß der Ellbogen zwar vom Körper getrennt werden und so der Arm gehoben, doch nicht weit ausfahrend die Hand an die Brust hinaufgebracht werden muß. Die Hand selbst decke nicht mit ganzer Fläche die Brust, sondern bloß mit dem Daumen und dem vierten Finger werde sie berührt. Die andern drei dürfen nicht aufliegen, sondern gebogen über die Rundung der Brust, gleichsam dieselbe bezeichnend, müssen sie gehalten werden.

 

 

§ 57

Bei Bewegung der Hände hüte man sich soviel als möglich, die Hand vor das Gesicht zu bringen oder den Körper damit zu bedecken.

 

 

§ 58

Wenn ich die Hand reichen muß, und es wird nicht ausdrücklich die rechte verlangt, so kann ich ebensogut die linke geben; denn auf der Bühne gilt kein rechts oder links, man muß nur immer suchen, das vorzustellende Bild durch keine widrige Stellung zu verunstalten. Soll ich aber unumgänglich gezwungen sein, die Rechte zu reichen, und bin ich so gestellt, daß ich über meinen Körper die Hand geben müßte, so trete ich lieber etwas zurück und reiche sie so, daß meine Figur en face bleibt.

 

 

§ 59

Der Schauspieler bedenke, auf welcher Seite des Theaters er stehe, um seine Gebärde darnach einzurichten.

 

 

§ 60

Wer auf der rechten Seite steht, agiere mit der linken Hand, und umgekehrt, wer auf der linken Seite steht, mit der rechten, damit die Brust sowenig als möglich durch den Arm verdeckt werde.

 

 

§ 61

Bei leidenschaftlichen Fällen, wo man mit beiden Händen agiert, muß doch immer diese Betrachtung zum Grunde liegen.

 

 

§ 62

Zu eben diesem Zweck, und damit die Brust gegen den Zuschauer gekehrt sei, ist es vorteilhaft, daß derjenige, der auf der rechten Seite steht, den linken Fuß, der auf der linken den rechten vorsetze.

 


 © textlog.de 2004 • 09.10.2024 09:37:05 •
Seite zuletzt aktualisiert: 30.10.2007 
bibliothek
text
  Home  Impressum  Copyright Gedichte  West-östlicher Divan  Zur Farbenlehre  Italienische Reise