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Ästhetik

Ästhetik s. Urteilskraft. Ästhetik ist „Kritik des Geschmacks“, Nachr. von d. Einricht s. Vorles. 1765/66 (V 3, 158). Die kritische Beurteilung des Schönen läßt sich nicht „unter Vernunftprinzipien bringen“, die Regeln derselben geben keine Wissenschaft; denn diese Regeln sind „bloß empirisch“ und können nie zu bestimmten „Gesetzen a priori“ dienen, wonach sich unser Geschmacksurteil richten müßte. Es ist besser, mit dem Worte „Ästhetik“ die Lehre von der sinnlichen Erkenntnis zu bezeichnen, KrV tr. Ästh. § 1 Anm. (I 761—Rc 94); die „Wissenschaft der Regeln der Sinnlichkeit überhaupt“, ibid. tr. Log. Einl. I (I 107—Rc 126). Ästhetik ist „die Philosophie über die Sinnlichkeit entweder der Erkenntnis oder des Gefühls“, N 4276; vgl. 5081.

Die Ästhetik ist Kritik der Geschmacksurteile (s. d.), die Theorie der Bedingungen ästhetischer Beurteilung, der allgemeinen, apriorisch-subjektiven Voraussetzungen derselben. Die kritische Untersuchung eines apriorischen Prinzips der Urteilskraft (s. d.) betreffs der „Beurteilungen, die man ästhetisch nennt“, und die das Schöne und Erhabene der Natur und Kunst betreffen, ist das wichtigste Stück der Kritik der Urteilskraft. „Denn ob sie gleich für sich allein zum Erkenntnis der Dinge gar nichts beitragen, so gehören sie doch dem Erkenntnisvermögen allein an und beweisen eine unmittelbare Beziehung dieses Vermögens auf das Gefühl der Lust oder Unlust nach irgendeinem Prinzip a priori, ohne es mit dem, was Bestimmungsgrund des Begehrungsvermögens sein kann, zu vermengen, weil dieses seine Prinzipien a priori in Begriffen der Vernunft hat.“ Diese „Untersuchung des Geschmacksvermögens“ erfolgt hier nicht zur Bildung und Kultur des Geschmacks, welche auch ohne solche Nachforschungen ihren Gang nehmen, sondern bloß in „transzendentaler Absicht“, KU Vorr. (II 3f.).

Es gibt kein „objektives Prinzip“ des Geschmacks (s. d.), d. h. einen Grundsatz, unter dessen Bedingung man den Begriff eines Gegenstandes subsumieren und dann durch einen Schluß herausbringen könnte, daß er schön sei. „Worüber aber Kritiker dennoch vernünfteln können und sollen, so daß es zur Berichtigung und Erweiterung unserer Geschmacksurteile gereiche, das ist nicht, den Bestimmungsgrund dieser Art ästhetischer Urteile in einer allgemeinen brauchbaren Formel darzulegen, welches unmöglich ist; sondern über die Erkenntnisvermögen und deren Geschäfte in diesen Urteilen Nachforschung zu tun und die wechselseitige subjektive Zweckmäßigkeit ... in Beispielen auseinanderzusetzen. Also ist die Kritik des Geschmacks selbst nur subjektiv in Ansehung der Vorstellung, wodurch uns ein Objekt gegeben wird; nämlich sie ist die Kunst oder Wissenschaft, das wechselseitige Verhältnis des Verstandes und der Einbildungskraft zueinander in der gegebenen Vorstellung (ohne Beziehung auf vorhergehende Empfindung oder Begriff), mithin die Einhelligkeit oder Mißhelligkeit derselben unter Regeln zu bringen und sie in Ansehung ihrer Bedingungen zu bestimmen. Sie ist Kunst, wenn sie dieses nur an Beispielen zeigt; sie ist Wissenschaft, wenn sie die Möglichkeit einer solchen Beurteilung von der Natur dieser Vermögen als Erkenntnisvermögen überhaupt ableitet.“ Diese „transzendentale Kritik“ soll „das subjektive Prinzip des Geschmacks als ein Prinzip a priori der Urteilskraft entwickeln und rechtfertigen. Die Kritik als Kunst sucht bloß die physiologischen (hier = psychologischen), mithin empirischen Regeln, nach denen der Geschmack wirklich verfährt (ohne über ihre Möglichkeit nachzudenken), auf die Beurteilung seiner Gegenstände anzuwenden, und kritisiert die Produkte der schönen Kunst, sowie jene das Vermögen selbst, sie zu beurteilen“, KU § 34 (II 135 f.); vgl. § 29 Allg. Anmerk. (II 125 ff.). Es gibt keine „Wissenschaft des Schönen“, nur „Kritik“. Denn es läßt sich nicht wissenschaftlich, d. h. durch Beweisgründe ausmachen, ob etwas für schön zu halten sei oder nicht: „das Urteil über Schönheit würde also, wenn es zur Wissenschaft gehörte, kein Geschmacksurteil sein“, ibid. § 44 (II 157).

„Ich habe mich damit begnügt, zu zeigen: daß ohne sittliches Gefühl es für uns nichts Schönes oder Erhabenes geben würde: daß sich ebendarauf der gleichsam gesetzmäßige Anspruch auf Beifall bei allem, was diesen Namen führen soll, gründe, und daß das Subjektive der Moralität in unserem Wesen, welches unter dem Namen des sittlichen Gefühls unerforschlich ist, dasjenige sei, worauf, mithin nicht auf objektive Vernunftbegriffe, dergleichen die Beurteilung nach moralischen Gesetzen erfordert, in Beziehung, urteilen zu können, Geschmack sei: der also keineswegs das Zufällige der Empfindung, sondern ein (obzwar nicht diskursives, sondern intuitives) Prinzip a priori zum Grunde hat“, An Reichardt, 15. Oktober 1790. „Die ästhetische Vollkommenheit besteht in der Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem Subjekte, und gründet sich auf die besondere Sinnlichkeit des Menschen. Es finden daher bei der ästhetischen Vollkommenheit keine objektiv- und allgemeingültigen Gesetze statt, in Beziehung auf welche sie sich a priori auf eine für alle denkenden Wesen überhaupt allgemeingeltende Weise beurteilen ließe. Sofern es indessen auch allgemeine Gesetze der Sinnlichkeit gibt, die, obgleich nicht objektiv und für alle denkenden Wesen überhaupt, doch subjektiv für die gesamte Menschheit Gültigkeit haben, läßt sich auch eine ästhetische Vollkommenheit denken, die den Grund eines subjektiv-allgemeinen Wohlgefallens enthält. Dieses ist die Schönheit — das, was den Sinnen in der Anschauung gefällt und eben darum der Gegenstand eines allgemeinen Wohlgefallens sein kann, weil die Gesetze der Anschauung allgemeine Gesetze der Sinnlichkeit sind.“ „Durch diese Übereinstimmung mit den allgemeinen Gesetzen der Sinnlichkeit unterscheidet sich der Art nach das eigentliche, selbständige Schöne, dessen Wesen in der bloßen Form besteht, von dem Angenehmen, das lediglich in der Empfindung durch Reiz oder Rührung gefällt und um deswillen auch nur der Grund eines bloßen Privat-Wohlgefallens sein kann.“ Das Reizende und das Rührende beziehen sich nur auf die „Materie der Sinnlichkeit“. Die formale ästhetische Vollkommenheit besteht in der „Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den Gesetzen der Anschauung“, Log. Einl. V (IV 40 ff.). Home hat richtiger die Ästhetik „Kritik“ genannt, „da sie keine Regeln a priori gibt, die das Urteil hinreichend bestimmen wie die Logik, sondern ihre Regeln a posteriori hernimmt und die empirischen Gesetze, nach denen wir das Unvollkommenere und Vollkommenere (Schöne) erkennen, nur durch die Vergleichung allgemeiner macht“, ibid. Einl. I (IV 17). Vgl. Schönheit, Erhaben, Kunst, Gemeinsinn, Zweck.