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Common sense und Vererbung

In unserer Untersuchung über den Ursprung der Vernunft oder Sprache würden wir aber durch den Gesichtspunkt der Gemeinsamkeit wenig gefördert, weil die Gemeinsamkeit der Empfindungen und Vorstellungen sich uns sofort als eine notwendige Folge der Vererbung erweist. Unsere Sinne sind Zufallssinne, gewiß; einem relativen Zufalle ist es zuzuschreiben, dass wir die makroskopischen und mikroskopischen Bewegungen der Wirklichkeitswelt gerade als Farben und Töne und nicht als Elektrizitätsgrade und Chemismen empfinden. Doch dieser relative Zufall ist durch Vererbung wesentliches Merkmal des Menschen geworden. Unsere Sinne sind gemeinsam durch Vererbung; es ist nur ein anderer Ausdruck für diese Tatsache, Wenn wir sagen, dass auch unsere Empfindungen und Sinneswahrnehmungen gemeinsam sind. Ohne diese vererbte Gemeinsamkeit wäre ein Entstehen der Sprache zwischen den Menschen so wenig möglich gewesen, als eine Sprache zwischen dem Eichhörnchen und der Auster möglich ist. Wo bei den höheren Kombinationen der Sinneswahrnehmungen die Gemeinsamkeit aufhört, bei den höheren Kombinationen nach der konkreten wie nach der abstrakten Seite hin, da hört die Sprache eben auch auf, ein Verständigungsmittel zu sein; sowohl die Individualbegriffe, wie z. B. Eigennamen, als die inhaltreichsten und darum leersten Kategorien sind nicht mehr durch Vererbung gemeinsam, sind darum im strengsten Sinne nicht mehr Worte der Gemeinsprache. Der Mensch namens Friedrich Wilhelm Schulze aus einem bestimmten Dorfe ist außerhalb seines Dorfes nicht mehr bekannt; und die kühnsten Gedanken eines Kant hat vielleicht außer ihm noch niemand verstanden oder doch niemand so wie er verstanden. Völlig gemeinsam ist die Sprache zwischen den Menschen nur insoweit, als die Gemeinsamkeit der ererbten Sinne einer Gemeinsamkeit der Außenwelt (auch diese Gemeinsamkeit ist ererbt) gegenübersteht und auch die häufigsten Kombinationen aller möglichen Sinneswahrnehmungen wahrscheinlich noch gemeinsam sind. Bei den ganz individuellen Konkreten wie bei den ganz individuellen Abstrakten hört die Gemeinsamkeit und damit die Sprache auf. Es gibt dann keine gemeinsame Seelensituation zwischen zwei Menschen mehr.