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Logiken

Wir sind also so weit, unser Sprachgefühl als die besondere Logik der einzelnen Sprache zu erkennen. Wir haben damit jedoch nicht einen Schritt nach vorwärts gemacht, sondern vielmehr einen Schritt nach rückwärts. Wir haben für das Wort Gefühl, welches undefinierbar wenigstens unserer Empfindung entsprach, das Wort Logik gesetzt, welches wir doch ironisch von dem bisherigen Wortsinne ablösen mußten. Denn in dem Augenblicke, wo wir die Logik als die allgemeine Gesetzmäßigkeit des menschlichen Denkens oder der Sprache preisgeben, wo wir jedem Volke seine eigenen Denkgesetze zusprechen, haben wir kein Recht mehr, das alte Wort zu verwenden. Es ist gegen die Logik, gegen das Sprachgefühl, von dem Wort Logik eine Mehrzahl zu bilden.

Was ist nun die innere Sprachform oder unser Sprachgefühl, wenn es durch die spezielle Logik der einzelnen Sprache nicht ernsthaft erklärt werden kann? Ich habe vorhin als Beispiele für unser Sprachgefühl Bildungssilben des Substantivs und des Verbums und die Form der Möglichkeitssätze gegeben. Aber wir glauben ein viel intensiveres und ausgedehnteres Sprachgefühl zu besitzen. Das Sprachgefühl schwindet uns eigentlich nur bei Worten, die uns nicht geläufig sind, bei selteneren Fremdwörtern, bei gänzlich isolierten Worten, genau so wie es uns beim Radebrechen fremder Sprachen fehlt. Der Gipfel des Sprachgefühls ist eben der Glaube an die Unübertrefflichkeit, ja ich möchte sagen der Glaube an die Selbstverständlichkeit der Muttersprache, die sich am stärksten bei Kindern und phantasiereichen ungebildeten Leuten äußert. Der Gipfel des Sprachgefühls liegt in jenem Ausrufe des Tirolers: "Was ist die italienische Sprache für eine dumme Sprache! Sie nennen ein Pferd cavallo. Wir sagen Pferd, und es ist auch ein Pferd." Nicht ganz so stark und naiv, aber ähnlich fühlen wir alle in unserem Sprachgefühl. An anderer Stelle zeige ich, wie oft uns dieses selbe Sprachgefühl dazu verführt, Worte unserer eigenen Sprache für Onomatopöien zu halten. Wir sind geneigt, "bellen" für eine Klangnachahmung zu halten, trotzdem es vielleicht ursprünglich mit dem Sanskritwort für reden (bhâs) zusammenhängt. Wir sind geneigt, in "blitzen" das Augenblicksbild eines Blitzes zu sehen, trotzdem es althochdeutsch blecchazzen hieß. Wäre aber unser Sprachgefühl keck genug, es würde hier und in tausend ähnlichen Fällen ausrufen: "Es heißt nicht nur bellen, blitzen, es ist auch ein Bellen, Blitzen."