Wichtigkeit der Verbreitungsschranken


Eine zweite wichtige, uns bei unserer allgemeinen Übersicht auffallende Tatsache ist die, dass Schranken verschiedener Art oder Hindernisse freier Wanderung mit den Verschiedenheiten zwischen Bevölkerungen verschiedener Gegenden in engem und wesentlichem Zusammenhange stehen. Wir sehen dies in der großen Verschiedenheit fast aller Landbewohner der alten und der neuen Welt mit Ausnahme der nördlichen Teile, wo sich das Land beinahe berührt und wo vordem unter einem nur wenig abweichenden Klima die Wanderungen der Bewohner der nördlichen gemäßigten Zone in ähnlicher Weise möglich gewesen sein dürften, wie sie noch jetzt von Seiten der im engeren Sinne arktischen Bevölkerung stattfinden. Wir erkennen dieselbe Tatsache in der großen Verschiedenheit zwischen den Bewohnern von Australien, Afrika und Süd-Amerika unter denselben Breiten wieder; denn diese Gegenden sind beinahe so vollständig von einander geschieden, wie es nur immer möglich ist. Auch auf jedem Festlande finden wir die nämliche Tatsache wieder; denn auf den entgegengesetzten Seiten hoher und zusammenhängender Gebirgsketten, großer Wüsten und mitunter sogar nur großer Ströme finden wir verschiedene Erzeugnisse. Da jedoch Gebirgsketten, Wüsten u.s.w. nicht so unüberschreitbar sind oder es wahrscheinlich nicht so lange gewesen sind wie die zwischen den Festländern gelegenen Weltmeere, so sind diese Verschiedenheiten dem Grade nach viel untergeordneter als die für verschiedene Kontinente charakteristischen.

Wenden wir uns zu dem Meere, so finden wir das nämliche Gesetz. Die Meeresfaunen der Ost- und Westküsten von Süd- und Zentral-Amerika sind sehr verschieden; sie haben äußerst wenige Mollusken, Krustentiere und Echinodermen gemeinsam; GÜNTHER hat aber neuerdings gezeigt, dass von den Fischen an den gegenüberliegenden Seiten des Isthmus von Panama ungefähr dreissig Prozent dieselben sind; und diese Tatsache hat einige Naturforscher zu der Annahme geführt, dass der Isthmus früher offen gewesen sei. Westwärts von den amerikanischen Gestaden erstreckt sich ein weiter Baum offenen Ozeans mit nicht einer Insel zum Ruheplatze für Auswanderer; hier haben wir eine Schranke anderer Art, und sobald diese überschritten ist, treffen wir auf den östlichen Inseln des Stillen Meeres auf eine neue und ganz verschiedene Fauna. Es erstrecken sich also drei Meeresfaunen nicht weit von einander in parallelen Linien weit nach Norden und Süden unter sich entsprechenden Klimaten. Da sie aber durch unübersteigliche Schranken von Land oder offenem Meer von einander getrennt sind, so bleiben sie beinahe völlig verschieden von einander. Gehen wir aber andererseits von den östlichen Inseln im tropischen Teile des Stillen Meeres noch weiter nach Westen, so finden wir keine unüberschreitbaren Schranken mehr; unzählige Inseln oder zusammenhängende Küsten bieten sich als Ruheplätze dar, bis wir nach Umwanderung einer Hemisphäre zu den Küsten Afrikas gelangen, und in diesem ungeheuren Raume finden wir keine wohlcharakterisierten und verschiedenen Meeresfaunen. Obwohl nur so wenig Seetiere jenen drei benachbarten Faunen von der Ost- und Westküste Amerikas und von den östlichen Inseln des Stillen Oceans gemeinsam sind, so reichen doch viele Fischarten vom Stillen bis zum Indischen Ocean; und viele Weichtiere sind den östlichen Inseln der Südsee und den östlichen Küsten Afrikas unter sich fast genau entgegengesetzten Längen-Meridianen gemein.


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