Gesetze, welche die Unfruchtbarkeit der ersten Kreuzung und der Bastarde regeln


Wir wollen nun die Gesetze etwas mehr im Einzelnen betrachten, welche die Unfruchtbarkeit der ersten Kreuzung und der Bastarde bestimmen. Unsere Hauptaufgabe wird sein zu ermitteln, ob sich aus diesen Gesetzen ergibt, dass die Arten besonders mit dieser Eigenschaft begabt sind, um eine Kreuzung der Arten bis zur äußersten Verschmelzung der Formen zu verhüten oder nicht. Die nachstehenden Folgerungen sind hauptsächlich aus GÄRTNER's bewunderungswertem Werke »über die Bastarderzeugung im Pflanzenreich« entnommen. Ich habe mir viel Mühe gegeben zu erfahren, inwiefern dieselben auch auf Tiere Anwendung finden; und obwohl unsere Erfahrungen über Bastardtiere sehr dürftig sind, so war ich doch erstaunt zu sehen, in wie ausgedehntem Grade die nämlichen Regeln für beide Reiche gelten.

Es ist bereits bemerkt worden, dass sich die Fruchtbarkeit sowohl der ersten Kreuzung als der daraus entspringenden Bastarde von Null bis zur Vollkommenheit abstuft. Es ist erstaunlich auf wie mancherlei eigentümliche Weise sich diese Abstufung dartun lässt; doch können hier nur die nacktesten Umrisse der Tatsachen geliefert werden. Wenn Pollen einer Pflanze von der einen Familie auf die Narbe einer Pflanze von anderer Familie gebracht wird, so hat er nicht mehr Wirkung als eben so viel unorganischer Staub. Wenn man aber Pollen von verschiedenen Arten einer Gattung auf das Stigma irgend einer Spezies derselben Gattung bringt, so werden sich in der Anzahl der jedesmal erzeugten Samen alle Abstufungen von jenem absoluten Nullpunkt an bis zur nahezu oder selbst faktisch vollständigen Fruchtbarkeit und, wie wir gesehen haben, in einigen abnormen Fällen sogar über das bei Befruchtung mit dem eigenen Pollen gewöhnliche Maß hinaus ergeben. So gibt es unter den Bastarden selbst einige, welche sogar mit dem Pollen von einer der zwei reinen Stammarten nie auch nur einen einzigen fruchtbaren Samen hervorgebracht haben, noch wahrscheinlich jemals hervorbringen werden. Doch hat sich in einigen dieser Fälle eine erste Spur von Fruchtbarkeit insofern gezeigt, als der Pollen einer der reinen elterlichen Arten ein frühzeitigeres Abwelken der Blume der Bastardpflanze veranlasste, als sonst eingetreten wäre; und rasches Abwelken einer Blüte ist bekanntlich ein Zeichen beginnender Befruchtung. An diesen äußersten Grad der Unfruchtbarkeit reihen sich dann Bastarde an, die durch Selbstbefruchtung eine immer größere Anzahl von Samen bis zur vollständigen Fruchtbarkeit hervorbringen.

Bastarde von zwei Arten erzielt, welche sehr schwer zu kreuzen sind und nur selten einen Nachkommen liefern, pflegen allgemein sehr unfruchtbar zu sein. Aber der Parallelismus zwischen der Schwierigkeit eine erste Kreuzung zu Stande zu bringen, und der Unfruchtbarkeit der aus einer solchen entsprungenen Bastarde, — zwei sehr gewöhnlich miteinander verwechselte Klassen von Tatsachen, — ist keineswegs streng. Denn es gibt viele Fälle, wo, wie bei der Gattung Verbascum, zwei reine Arten mit ungewöhnlicher Leichtigkeit miteinander gepaart werden und zahlreiche Bastarde liefern können; und doch sind diese Bastarde ganz merkwürdig unfruchtbar. Andererseits gibt es Arten, welche nur selten oder äußerst schwierig zu kreuzen sind, aber ihre Bastarde, wenn endlich erzeugt, sind sehr fruchtbar. Und diese zwei so entgegengesetzten Fälle können selbst innerhalb der nämlichen Gattung vorkommen, wie z.B. bei Dianthus.

Die Fruchtbarkeit sowohl der ersten Kreuzungen als der Bastarde wird leichter als die der reinen Arten durch ungünstige Bedingungen affiziert. Aber der Grad der Fruchtbarkeit ist gleicher Weise an sich veränderlich; denn der Erfolg ist nicht immer der Dämliche, wenn man dieselben zwei Arten unter denselben äußeren Umständen kreuzt, sondern hängt zum Teil von der Konstitution der zwei zufällig für den Versuch ausgewählten Individuen ab.

So ist es auch mit den Bastarden; denn der Grad ihrer Fruchtbarkeit erweist sich oft bei verschiedenen aus Samen einer Kapsel erzogenen und den nämlichen Bedingungen ausgesetzten Individuen ganz verschieden.

Mit dem Ausdruck systematische Verwandtschaft wird die allgemeine Ähnlichkeit verschiedener Arten in Bau und Konstitution bezeichnet. Nun wird die Fruchtbarkeit der ersten Kreuzung zweier Spezies und der daraus hervorgehenden Bastarde in hohem Maße bestimmt von ihrer systematischen Verwandtschaft. Dies geht deutlich daraus schon hervor, dass man noch niemals Bastarde von zwei Arten erzielt hat, welche die Systematiker in zwei Familien stellen, während es dagegen leicht ist, sehr nahe verwandte Arten miteinander zu paaren. Doch ist die Beziehung zwischen systematischer Verwandtschaft und Leichtigkeit der Kreuzung keineswegs eine strenge. Denn es ließen sich eine Menge Fälle von sehr nahe verwandten Arten anführen, die gar nicht oder nur mit größter Mühe zur Paarung gebracht werden können, während andererseits mitunter auch sehr verschiedene Arten sich mit größter Leichtigkeit kreuzen lassen. In einer und derselben Familie können zwei Gattungen beisammen stehen, wovon die eine, wie Dianthus, viele solche Arten enthält, die sehr leicht zu kreuzen sind, während die der andern, z.B. Silene, den beharrlichsten Versuchen, eine Kreuzung zu bewirken, in dem Grade widerstehen, dass man auch noch nicht einen Bastard zwischen den einander am nächsten verwandten Arten derselben zu erzielen vermochte. Ja, selbst innerhalb der Grenzen einer und der nämlichen Gattung zeigt sich ein solcher Unterschied. So sind z.B. die zahlreichen Arten von Nicotiana mehr untereinander gekreuzt worden, als die Arten fast irgend einer andern Gattung; GÄRTNER hat aber gefunden, dass N. acuminata, die keineswegs eine besonders ausgezeichnete Art ist, beharrlich allen Befruchtungsversuchen widerstand, so dass von acht anderen Nicotiana-Arten keine weder sie befruchten noch von ihr befruchtet werden konnte. Und analoge Tatsachen ließen sich noch sehr viele anführen.

Noch Niemand hat zu bestimmen vermocht, welche Art oder welcher Grad von Verschiedenheit in irgend einem erkennbaren Charakter genügt, um die Kreuzung zweier Spezies zu verhindern. Es lässt sich nachweisen, dass Pflanzen, welche in der Lebensweise und der allgemeinen Erscheinung am weitesten auseinandergehen, welche in allen Teilen ihrer Blüten, sogar bis zum Pollen oder in den Cotyledonen sehr scharfe unterschiede zeigen, miteinander gekreuzt werden können. Einjährige und ausdauernde Gewächsarten, winterkahle und immergrüne Bäume und Pflanzen von den abweichendsten Standorten und für die entgegengesetztesten Klimate angepasst, können oft leicht miteinander gekreuzt werden.

Unter wechselseitiger Kreuzung zweier Arten verstehe ich den Fall, wo z.B. erst ein Pferdehengst mit einer Eselin und dann ein Eselhengst mit einer Pferdestute gepaart wird; man kann dann sagen, diese zwei Arten seien wechselseitig gekreuzt worden. In der Leichtigkeit wechselseitige Kreuzungen anzustellen findet oft der möglichst größte Unterschied statt. Solche Fälle sind höchst wichtig, weil sie beweisen, dass die Fähigkeit irgend zweier Arten, sich zu kreuzen, von ihrer systematischen Verwandtschaft, d.h. von irgend welcher Verschiedenheit in ihrem Bau und ihrer Konstitution, mit Ausnahme ihres Reproduktionssystems, oft völlig unabhängig ist. Diese Verschiedenheit der Ergebnisse von wechselseitigen Kreuzungen zwischen denselben zwei Arten ist schon längst von KÖLREUTER beobachtet worden. So kann, um ein Beispiel anzuführen, Mirabilis Jalapa leicht durch den Samenstaub der M. longiflora befruchtet werden, und die daraus entspringenden Bastarde sind genügend fruchtbar; aber mehr als zweihundert Male versuchte es KÖLREUTER im Verlaufe von acht Jahren die M. longiflora nun auch mit Pollen der M. Jalapa zu befruchten, aber völlig vergebens. Und so ließen sich noch einige andere gleich auffallende Beispiele geben. THURET hat dieselbe Erscheinung an einigen Seepflanzen oder Fucoideen beobachtet, und GÄRTNER noch überdies gefunden, dass diese verschiedene Leichtigkeit wechselseitiger Kreuzungen in einem geringern Grade außerordentlich gemein ist. Er hat sie selbst zwischen Formen wahrgenommen, die so nahe miteinander verwandt sind, dass viele Botaniker sie nur als Varietäten einer nämlichen Art betrachten, wie Matthiola annua und M. glabra. Ebenso ist es eine merkwürdige Tatsache, dass die beiderlei aus wechselseitiger Kreuzung hervorgegangenen Bastarde, wenn auch natürlich aus denselben zwei Stammarten zusammengesetzt, da die eine Art erst als Vater und dann als Mutter fungierte, zwar nur selten in äußeren Charakteren differieren, hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit aber gewöhnlich in einem geringen, zuweilen aber auch in hohem Grade von einander abweichen.

Es lassen sich noch mehrere andere eigentümliche Regeln nach GÄRTNER's Erfahrungen anführen, wie z.B. dass manche Arten sich überhaupt sehr leicht zur Kreuzung mit anderen verwenden lassen, ferner dass anderen Arten derselben Gattung ein merkwürdiges Vermögen innewohnt, den Bastarden eine große Ähnlichkeit mit ihnen aufzuprägen; doch stehen beiderlei Fähigkeiten durchaus nicht in notwendiger Beziehung zu einander. Es gibt gewisse Bastarde, welche, statt wie gewöhnlich das Mittel zwischen ihren zwei elterlichen Arten zu halten, stets nur einer derselben sehr ähnlich sind; und gerade diese Bastarde, trotzdem sie äußerlich der einen Stammart so ähnlich erscheinen, sind mit seltener Ausnahme äußerst unfruchtbar. So kommen ferner auch unter denjenigen Bastarden, welche zwischen ihren Eltern das Mittel zu halten pflegen, zuweilen ausnahmsweise und abnorme Individuen vor, die einer der reinen Stammarten außerordentlich gleichen; und diese Bastarde sind dann beinahe stets auch äußerst steril, selbst wenn die von Samen aus gleicher Fruchtkapsel entsprungenen Mittelformen in beträchtlichem Grade fruchtbar sind. Diese Tatsachen zeigen, wie ganz unabhängig die Fruchtbarkeit der Bastarde vom Grade ihrer äußeren Ähnlichkeit mit ihren beiden Stammeltern ist.

Betrachtet man die bis hierher gegebenen Regeln über die Fruchtbarkeit der ersten Kreuzungen und der hybriden Formen, so ergibt sich, dass, wenn man Formen, die als gute und verschiedene Arten angesehen werden müssen, miteinander paart, ihre Fruchtbarkeit in allen Abstufungen von Null an selbst bis zu einer unter gewissen Bedingungen exzessiven Fruchtbarkeit hinaus wechseln kann. Ferner ist ihre Fruchtbarkeit nicht nur äußerst empfindlich für günstige und ungünstige Bedingungen, sondern auch an und für sich veränderlich. Die Fruchtbarkeit verhält sich nicht immer dem Grade nach gleich bei der ersten Kreuzung und den aus dieser Kreuzung hervorgegangenen Bastarden. Die Fruchtbarkeit der Bastarde steht in keinem Verhältnis zu dem Grade, in welchem sie in der äußeren Erscheinung einer der beiden Elternformen ähnlich sind. Endlich: die Leichtigkeit einer ersten Kreuzung zwischen irgend zwei Arten ist nicht immer von deren systematischer Verwandtschaft noch von dem Grade ihrer Ähnlichkeit abhängig. Diese letzte Angabe ist hauptsächlich aus der Verschiedenheit des Ergebnisses der wechselseitigen Kreuzung zweier nämlichen Arten erweisbar, wo die Leichtigkeit, mit der man eine Paarung erzielt, gewöhnlich etwas, mitunter aber auch so weit wie möglich differiert, je nachdem man die eine oder die andere der zwei gekreuzten Arten als Vater oder als Mutter nimmt. Auch sind überdies die zweierlei durch Wechselkreuzung erzielten Bastarde oft in ihrer Fruchtbarkeit verschieden.


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