Schwierigkeiten der Unterscheidung zwischen Varietäten und Arten


Wenn wir die Größe der Strukturverschiedenheiten zwischen verwandten domestizierten Rassen zu schätzen versuchen, so werden wir bald dadurch in Zweifel verwickelt, dass wir nicht wissen, ob dieselben von einer oder mehreren Stammarten abstammen. Es wäre von Interesse, wenn sich diese Frage aufklären liesse. Wenn z.B. nachgewiesen werden könnte, dass das Windspiel, der Schweißhund, der Pinscher, der Jagdhund und der Bullenbeisser, welche ihre Form so streng fortpflanzen, Abkömmlinge von nur einer Stammart sind, dann würden solche Tatsachen sehr geeignet sein, uns an der Unveränderlichkeit der vielen einander sehr nahestehenden natürlichen Arten, der Füchse z.B., die so ganz verschiedene Weltgegenden bewohnen, zweifeln zu lassen. Ich glaube nicht, wie wir gleich sehen werden, dass die ganze Verschiedenheit zwischen den Hunderassen im Zustande der Domestikation entstanden ist; ich glaube, dass ein gewisser kleiner Teil ihrer Verschiedenheit auf ihre Abkunft von besonderen Arten zurückzuführen ist. Bei scharf markierten Rassen einiger anderer domestizierten Arten ist es anzunehmen oder entschieden zu beweisen, dass alle Rassen von einer einzigen wilden Stammform abstammen.

Es ist oft angenommen worden, der Mensch habe sich solche Pflanzen- und Tierarten zur Domestikation ausgewählt, welche ein angeborenes außerordentlich starkes Vermögen abzuändern und in verschiedenen Klimaten auszudauern besitzen. Ich bestreite nicht, dass diese Fähigkeiten den Wert unserer meisten Kulturerzeugnisse beträchtlich erhöht haben. Aber wie vermochte ein Wilder zu wissen, als er ein Tier zu zähmen begann, ob dasselbe in folgenden Generationen zu variieren geneigt und in anderen Klimaten auszudauern vermögend sein werde? oder hat die geringe Variabilität des Esels und der Gans, das geringe Ausdauerungsvermögen des Rentiers in der Wärme und des Kamels in der Kälte es verhindert, dass sie Haustiere wurden? Daran kann ich nicht zweifeln, dass, wenn man andere Pflanzen- und Tierarten in gleicher Anzahl wie unsere domestizierten Rassen und aus eben so verschiedenen Klassen und Gegenden ihrem Naturzustande entnähme und eine gleich lange Reihe von Generationen hindurch im domestizierten Zustande sich fortpflanzen lassen könnte, sie durchschnittlich in gleichem Umfange variieren würden, wie es die Stammarten unserer jetzt existierenden domestizierten Rassen getan haben.


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