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Zwischenrede des Narren

379.

Zwischenrede des Narren. — Das ist kein Misanthrop, der dies Buch geschrieben hat: der Menschenhass bezahlt sich heute zu teuer. Um zu hassen, wie man ehemals den Menschen gehasst hat, timonisch, im Ganzen, ohne Abzug, aus vollem Herzen, aus der ganzen Liebe des Hasses — dazu müsste man auf’s Verachten Verzicht leisten: — und wie viel feine Freude, wie viel Geduld, wie viel Gütigkeit selbst verdanken wir gerade unsrem Verachten! Zudem sind wir damit die „Auserwählten Gottes“: das feine Verachten ist unser Geschmack und Vorrecht, unsre Kunst, unsre Tugend vielleicht, wir Modernsten unter den Modernen! ... Der Hass dagegen stellt gleich, stellt gegenüber, im Hass ist Ehre, endlich: im Hass ist Furcht, ein großer guter Teil Furcht. Wir Furchtlosen aber, wir geistigeren Menschen dieses Zeitalters, wir kennen unsern Vorteil gut genug, um gerade als die Geistigeren in Hinsicht auf diese Zeit ohne Furcht zu leben. Man wird uns schwerlich köpfen, einsperren, verbannen; man wird nicht einmal unsre Bücher verbieten und verbrennen. Das Zeitalter liebt den Geist, es liebt uns und hat uns nötig, selbst wenn wir es ihm zu verstehen geben müssten, dass wir in der Verachtung Künstler sind; dass uns jeder Umgang mit Menschen einen leichten Schauder macht; dass wir mit aller unsrer Milde, Geduld, Menschenfreundlichkeit, Höflichkeit unsre Nase nicht überreden können, von ihrem Vorurteile abzustehen, welches sie gegen die Nähe eines Menschen hat; dass wir die Natur lieben, je weniger menschlich es in ihr zugeht, und die Kunst, wenn sie die Flucht des Künstlers vor dem Menschen oder der Spott des Künstlers über den Menschen oder der Spott des Künstlers über sich selber ist...