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Philosophie des Unbewußten

Die Kritik des Begriffs Bewußtsein wäre unvollständig, wenn nicht auch ein Wort über die eben erwähnte Philosophie des Unbewußten gesagt würde. Eduard von Hartmann hat es dem Kritiker der Sprache leicht gemacht, den Grundstein seiner Philosophie herauszunehmen, weil Hartmann im ganzen und großen doch die Sprache unserer Zeit schreibt und so augenblicklich darauf ertappt wird, wenn er zum scholastischen Sprachgebrauch übergeht. Sein Wortaberglaube gehört zu den gröbsten, und Friedrich Lange hat ganz recht, wenn er das Unbewußte Hartmanns boshaft mit dem Devil-devil des Austrainegers vergleicht. Diese ewige Selbsttäuschung des Menschengeistes, sich aus einer Abstraktion einen Fetisch zu gestalten und den Fetisch dann einige Jahre zu verehren, tritt bei Hartmann ganz naiv auf. Auch David Strauß noch nennt die ihm bekannte Welt das Universum, auch David Strauß noch hält sein subjektives Einheitsbedürfnis für eine objektive Welteinheit, macht sich aus seinem Universum einen Gott und läßt daraus die Welt hervorgehen. Das ist Wortaberglaube, aber doch eine fast unschädliche Tautologie. Hartmann jedoch macht sich den Fetisch aus einer Negation zurecht und kann so die Negation scholastisch in jeden beliebigen Begriff verwandeln. Auf einer negativen Begriffeleiter klettert er behend in den Himmel hinauf zu Begriffsgöttern, die dann freilich auch danach ausfallen. Es ist kein Wunder, daß spiritistische Gläubige eine Vorliebe für diese Philosophie haben; steckt im Grundbegriff eine Negation, so läßt sich nachher alles beweisen.

Das Taschenspielerkunststück Hartmanns besteht nun darin, daß er erstens die Negation des Bewußtseins zu einem definierbaren Begriffe machen will, und daß er zweitens diese negative Eigenschaft gewisser Vorgänge durch das Vorsetzen des Artikels zu einem Substantiv macht, das heißt zu einer Gottheit. Wir beobachteten es bei David Strauß, wie in der französischen Übersetzung seines neuen Glaubens das Wort Universum zu "Univers" (mit großem Anfangsbuchstaben) wurde. Die Franzosen schreiben solche Worte mit großem Anfangsbuchstaben nur, wenn sie Personifikationen, das heißt Götter unter ihnen verstanden wissen wollen. Immerhin ist Universum noch eine Abstraktion für Wirklichkeiten, sogar eigentlich die Abstraktion für das Wirkliche. Bei Hartmann ist die Verwandlung in ein Substantivum aber ein Salto mortale, weil vorher die Unbewußtheit nur eine Eigenschaft gewisser Vorstellungen und gewisser Willensakte oder Willensteile gewesen ist. Die Entdeckung, daß wir uns nicht aller unserer Vorstellungen und aller unserer Willensvorbereitungen bewußt sind, ist für die Psychologie sehr wichtig gewesen; das deutliche Aussprechen dieser Entdeckung stammt aber bekanntlich nicht von Hartmann her, sondern von Leibniz. Leibniz hat die Beobachtung gemacht, Hartmann hat den Vorteil dieser Beobachtung wieder zerstört, indem er das Unbewußte aus der Psychologie in die Metaphysik hineinzuwerfen suchte.