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Auslösung

Ich kann diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne zu erwähnen, daß man vielfach für die Schwierigkeiten der Äquivalenz zwischen Physischem und Psychischem den Begriff der Auslösung bemüht hat, gewissermaßen um das Wunder kleiner zu machen; so gab es Leute, die den Alchymisten wohl zutrauten, sie könnten eine Unze Gold künstlich herstellen, ihnen aber nicht zutrauten, sie könnten das Gold tonnenweise machen. Auslösung ist es, wenn der Ingenieur durch das leise Berühren eines elektrischen Knopfs einen Berg in die Luft sprengt; Auslösung ist es aber auch, wenn der Offizier durch die Sprachbewegungen, die das Wort "Schnellfeuer" erzeugen, einen Hagel von Bleikugeln gegen tausend menschliche Körper fliegen läßt. Oder wenn ein einziges Wort, ein Telegramm, den Empfänger zu Äußerungen der Freude oder der Verzweiflung bringt. Die auslösende Ursache ist da allerdings außerordentlich klein im Verhältnisse zur Wirkung; aber die aufgehäuften Pulvernlassen, der Drill des Regiments, die Seelensituation des Telegrammempfängers waren daneben wirkende Ursachen. Und einen Nullwert hat die auslösende Ursache niemals. Auch der Versuch Ostwalds, für das Geheimnis des Gedächtnisses in der unorganischen Welt ein Analogen zu finden (atomistisch ohne Atome, materialistisch ohne Materie), denkt an keinen Nullwert. Die frappierende Erscheinung, daß die Bleiplatten des Akkumulators sich ans Formieren "gewöhnen ", erklärt er aus der feinen Zerteilung der Metalloberfläche. Und noch näher glaubt er der Gewöhnung durch Gedächtnis zu kommen, wenn er (Naturphilosophie, 2. Auflage, S. 369) die Erscheinung heranzieht, daß von zwei Proben Schwefelsäure die eine, die schon etwas Kupfer aufgelöst hat, die weitere Auflösung schneller vollzieht. Allen diesen Gedankengängen liegt der alte, rein willkürlich aufgegebene Glaube zu Grunde, Physisches könne irgendwie Psychisches bewirken.

Es ist also irreführend und schädlich, am Bilde vom Parallelismus festzuhalten; es ist auch dann noch irreführend durch den unglücklichen Begriff parallel, wenn es nur die Wahrheit sagen will, daß die Außenansicht oder der physiologische Vorgang und die Innenansicht oder der psychische Vorgang in irgend einer Wirklichkeitswelt die gleiche Sache seien, parallel aber doch in dem Sinne, wie man etwa an einer Kurve die äußere und die innere Begrenzung der Linien (die beide in der idealen "Linie" zusammenfallen) parallel nennen könnte. Die Vertreter des Parallelismus sagen — ich wiederhole — wortabergläubisch, unfehlbar mit ihrer Logik, die in der Erkenntnistheorie erst ihre Existenzberechtigung nachzuweiser, hätte: daß kausale Zusammenhänge nur zwischen verschiedenen physiologischen Erscheinungen und dann wieder zwischen psychologischen Erscheinungen bestehen, daß es aber ein Kausalverhältnis zwischen physiologischen und psychologischen Erscheinungen nicht gebe. Solange wir jedoch den Begriff der Ursache in unserer Sprache oder unserem Denken haben, so lange wird der physiologische Vorgang für uns auch Ursache des psychologischen heißen. Nur weil wir so ganz außer stände sind, mit den Mitteln unserer Sprache, welche ganz und gar auf äußere Beobachtungen und gar nicht auf innere Beobachtungen eingerichtet ist, eine Brücke zu schlagen von der Nervenbewegung zu unseren Bewußtseinserscheinungen, darum greifen wir verzweifelt zu dem ganz unpassenden Bilde vom Parallelismus. Mit dem gleichen Rechte könnten wir Begattung und Zeugung, Reibung und Wärme u. s. w. Parallelerscheinungen nennen, könnten wir den Begriff der Ursache überhaupt durch den Begriff des Parallelismus ersetzen. Das wäre aber durchaus keine Weiterentwicklung des alten Ursachbegriffs, sondern der Rückfall in eine Urzeit, in welcher z. B. Blitz und Donner unerklärte Parallelbegriffe waren.

Bequem ist das Wort freilich. Überall da, wo der Ursachbegriff anfängt, unbequem zu werden. Kann man z. B. die Ichvorstellung nicht erklären und doch nicht ohne sie auskommen, weil in der ganzen Psychologie nicht das leiseste Fühlen oder Wollen denkbar ist, ohne ein fühlendes oder wollendes Ich, so nennt man das Ich einfach die subjektive Parallelerscheinung einer bestimmten biologischen Entwicklungsstufe (Jodl, Lehrbuch der Psychologie, 93). Damit wäre aber auch die ganze Denkrichtung von Kant und dessen Schülern, welche das Verhältnis des Ich und der Welt zu fassen, die Wrelt als eine Vorstellung des Ich zu begreifen suchten, aus dem Denken wieder herausgeworfen.