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Sprache der Psychologie

Das letzte Wort über das Verhältnis zwischen Denken und Sprechen kann auch von der Sprachkritik nicht gefunden werden, weil die Sprachkritik sowohl an der Bedeutungskonstanz der zu erklärenden und zu vergleichenden Begriffe oder Worte zweifeln muß, als auch an der wissenschaftlichen Brauchbarkeit der für die Erklärung und Vergleichung notwendigen psychologischen Begriffe oder Worte. Das alte Kreuz meiner Aufgabe: die Psychologie der Sprache möchte ich reformieren und fühle bei jedem Schritte, daß die Sprache der Psychologie vorher umzuschauen ist. Unmöglich, eines vor dem anderen zu tun. Unmöglich, beide Arbeiten zugleich vorzunehmen. Nur ein Philister, weil er bloß die eine Seite der Dinge sieht, kann glauben, das letzte Wort gesagt zu haben. So behalten streitsüchtige Frauen das letzte Wort, wenn der Klügere nachgegeben hat.

Der logische und fast mathematische Beweis für die Identität von Denken und Sprechen wäre die einfachste Sache von der Welt, wenn man sich mit dem scholastischen Gerede begnügen wollte: Denken ist immer nur ein Denken in Begriffen, Begriffe sind Worte, also ist das Denken immer nur Sprechen. So eindeutig ist jedoch der wilde Sprachgebrauch des Begriffes Denken leider nicht. Mit Denken bezeichnet man gelegentlich jede psychische Tätigkeit vom spekulativen Denkgeschäft des Denkvirtuosen oder Philosophen angefangen bis herab zum tierischen Wahrnehmungsakte, weil auch dieser an ein Zentralorgan, an die Mitwirkung des Verstandes gebunden ist. Nichts ist leichter, als so den Begriff des Denkens über den gewöhnlichen Sprachgebrauch hinaus auszudehnen und einen Unterschied zwischen Denken und Sprechen zu statuieren; aber nichts wäre sodann leichter, als auch den Begriff des Sprechens über den Sprachgebrauch hinaus auszudehnen und die Identität von Denken und Sprechen wieder in Worten herzustellen. Die ganze Doktorfrage kann nicht entschieden werden, solange nicht die alte mythologische Psychologie mit ihrer noch mythologischem Terminologie zertrümmert ist, solange nicht zwischen den philosophierenden Menschen ein Verständigungsmittel besteht, wie die Alltagssprache zwischen den handeltreibenden Menschen. Es müßten gültige Wortwerte für die Tatsache geschaffen werden, daß alle psychische Tätigkeit nur ein Assoziieren von Vorstellungen ist, daß alle Vorstellungen nur Erinnerungsbilder für Wahrnehmungen sind. Ein gültiger Wortwert für die Wirklichkeit dessen, was als Assoziation einen so breiten Kaum in den psychologischen Schriften einnimmt, fehlt uns bis zur Stunde; nach dem wirklichen Vorgang der Assoziation suchen die Denker und die Gehirnanatomen mit verzweifelten Anstrengungen von zwei Seiten und können nicht zueinander kommen. Nicht viel besser steht es im Grunde mit den assoziierten Vorstellungen selbst, wenn wir diese auch als Erinnerungsbilder etwas besser zu begreifen glauben. Die wirkenden Kräfte jedoch, welche die Verarbeitung der Vorstellung oder das Denken veranlassen, sind uns womöglich noch rätselhafter als die wirkenden Kräfte, welche nach den Zwecken des Lebens die aufgenommene Nahrung in Blut u. s. w. verwandeln. Auch hier ist wieder fast jedes Wort undefinierbar und "Leben" ist wieder so ein mythologischer Begriff; und es ist ein vergebliches Hoffen, die Dunkelheiten der Psychologie mit den Dunkelheiten der Physiologie aufhellen zu wollen.