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Journalisten

Man kann sich die Wirkung der Propheten so erklären, daß es begeisterte Leute waren, die ihren zurückgebliebenen Zeitgenossen einen neuen Begriff durch die Gewalt ihrer Redekunst suggerierten. Ihnen entsprechen ziemlich genau unsere Dichter, sofern sie sich den konservativen Mächten, gegenüberstellen und in holdem Wahnsinn eine gesteigerte Redekunst üben. Wie aber neben den großen und kleinen Propheten die ganz alltäglichen Pfaffen einhergehen, die ihr Brot verdienen, indem sie um Gedanken, die vor einigen tausend Jahren neu waren, ein verspätetes Wortgeplätscher vollführen, so stehen zu den Dichtern die meisten Journalisten, soweit sie sich nicht auf den ehrenhaften Nachrichtendienst beschränken. Nachrichten sind eine beliebte Ware, und der Handel mit ihnen nicht viel besser und nicht schlimmer als ein anderer Handel. Das journalistische Geplauder um diese Nachrichten herum jedoch ist oft nichts als eine Fälschung der Ware. Die Journalisten haben die alten Rhetoren im Worthandel abgelöst. Namentlich, wenn der Dichter aus Not zum Journalisten wird, fälscht er am gröbsten. Was er nicht niederschreiben würde um der Sache willen, was er sich schämen würde, auch nur auszusprechen, wenn er mit ebenbürtigen oder gleichgesinnten Gesellen hinter dem Bierglas sitzt, das schämt er sich nicht niederzuschreiben für den Pöbel, der sein tägliches, lauwarmes Wortbad zu nehmen liebt. Unsere Zeitungsliteratur wird so zu ihrem größten Teile gedrucktes Geschwätz, und da die meisten Menschen, Pfaffen und Bezirksredner etwa ausgenommen, beim wirklichen Schwätzen wenigstens interesselos sind, so kann man sagen, daß das gedruckte Geschwätz der geistreichen Leute noch unter dem gesprochenen Geschwätz der dummen Leute steht.

Gestern war alle Welt beim Einzug des Karnevals oder des Negerkönigs oder des prinzlichen Brautpaars und heute will alle Welt eine Beschreibung des Einzugs lesen. Abgesehen von den zehntausend Albernen oder Eiteln, welche sich selbst persönlich oder in Gruppen erwähnt sehen möchten, abgesehen ferner von den Gründlichen, welche ihre eigenen beschränkten Festerlebnisse in den Rahmen des Zeitungsberichtes spannen möchten, ist doch der Wunsch ganz allgemein, zu lesen, was man weiß, das heißt doch wohl das Tagesereignis, das man ebenso genau kennt wie der Zeitungsschreiber, mit ihm zu beschwatzen. Der Mensch mit dem unermüdlichen Maul, der Barbier, die Frau Base u. s. w. sind durch die gegenwärtige Höhe der Buchdrucktechnik zu einem lautlosen Schwatzklub geworden. Beim Morgenkaffee sitzt die ganze Bevölkerung im Geiste beisammen und gibt sich bequem diesem alten Schwatzvergnügen hin, das jetzt Zeitungslektüre heißt.