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Hikmet Nameh

Buch des Sprüche

Talismane werd’ ich in dem Buch zerstreuen,
Das bewirkt ein Gleichgewicht.
Wer mit gläubiger Nadel sticht
Ueberall soll gutes Wort ihn freuen.


Vom heut’gen Tag, von heut’ger Nacht
Verlange nichts
Als was die gestrigen gebracht.


Wer geboren in bösten Tagen
Dem werden selbst die bösen behagen.


Wie etwas sey leicht
Weiß der es erfunden und der es erreicht.


Das Meer fluthet immer,
Das Land behält es nimmer.


Was klagst du über Feinde?
Sollten solche je werden Freunde,
Denen das Wesen wie du bist
Im Stillen ein ewiger Vorwurf ist.


Dümmer ist nichts zu ertragen,
Als wenn Dumme sagen den Weisen:
Daß sie sich in großen Tagen
Sollten bescheidentlich erweisen.


Wenn Gott so schlechter Nachbar wäre
Als ich bin und als du bist,
Wir hätten beyde wenig Ehre;
Der läßt einen jeden wie er ist.


Gesteht’s! Die Dichter des Orients
Sind größer als wir des Occidents.
Worin wir sie aber völlig erreichen,
Das ist im Haß auf unsres Gleichen.


Ueberall will jeder obenauf seyn,
Wie’s eben in der Welt so geht.
Jeder sollte freylich grob seyn,
Aber nur in dem was er versteht.


Verschon uns Gott mit deinem Grimme!
Zaunkönige gewinnen Stimme.


Will der Neid sich doch zerreißen,
Laß ihn seinen Hunger speißen.


Sich im Respect zu erhalten
Muß man recht borstig seyn.
Alles jagt man mit Falken,
Nur nicht das wilde Schwein.


Was hilft’s dem Pfaffen-Orden
Der mir den Weg verrannt?
Was nicht gerade erfaßt worden
Wird auch schief nicht erkannt.


Einen Helden mit Lust preisen und nennen
Wird jeder der selbst als kühner stritt.
Des Menschen Werth kann niemand erkennen
Der nicht selbst Hitze und Kälte litt.


Gutes thu’ rein aus des Guten Liebe,
Was du thust verbleibt dir nicht;
Und wenn es auch dir verbliebe,
Bleibt es deinen Kindern nicht.


Soll man dich nicht auf’s schmälichste berauben,
Verbirg dein Gold, dein Weggehn, deinen Glauben.


Wie kommt’s daß man an jedem Orte
So viel Gutes, so viel Dummes hört?
Die Jüngsten wiederholen der Aeltesten Worte,
Und glauben daß es ihnen angehört.


Laß dich nur in keiner Zeit
Zum Widerspruch verleiten,
Weise fallen in Unwissenheit
Wenn sie mit Unwissenden streiten.


„Warum ist Wahrheit fern und weit?
Birgt sich hinab in tiefste Gründe?“

Niemand verstehet zur rechten Zeit! —
Wenn man zur rechten Zeit verstünde;
So wäre Wahrheit nah und breit,
Und wäre lieblich und gelinde.


Was willst du untersuchen
Wohin die Milde fließt.
In’s Wasser wirf deine Kuchen,
Wer weiß wer sie genießt.


Als ich einmal eine Spinne erschlagen,
Dacht ich ob ich das wohl gesollt?
Hat Gott ihr doch wie mir gewollt
Einen Antheil an diesen Tagen!


„Dunkel ist die Nacht, bey Gott ist Licht.
Warum hat er uns nicht auch so zugericht?“


Welch eine bunte Gemeinde!
An Gottes Tisch sitzen Freund und Feinde.


Ihr nennt mich einen kargen Mann;
Gebt mir was ich verprassen kann.


Soll ich dir die Gegend zeigen,
Mußt du erst das Dach besteigen.


Wer schweigt hat wenig zu sorgen,
Der Mensch bleibt unter der Zunge verborgen.


Ein Herre mit zwey Gesind
Er wird nicht wohl gepflegt.
Ein Haus worin zwey Weiber sind
Es wird nicht rein gefegt.


Ihr lieben Leute bleibt dabey
Und sagt nur: Autos epha!
Was sagt ihr lange Mann und Weib,
Adam, so heißts, und Eva.


Wofür ich Allah höchlich danke?
Daß er Leiden und Wissen getrennt.
Verzweifeln müßte jeder Kranke
Das Uebel kennend wie der Arzt es kennt.


Närrisch, daß jeder in seinem Falle
Seine besondere Meynung preißt!
Wenn Islam Gott ergeben heißt,
Im Islam leben und sterben wir alle.


Wer auf die Welt kommt baut ein neues Haus,
Er geht und läßt es einem zweyten,
Der wird sich’s anders zubereiten
Und niemand baut es aus.


Wer in mein Haus tritt der kann schelten
Was ich ließ viele Jahte gelten;
Vor der Thür aber müßt’ er passen
Wenn ich ihn nicht wollte gelten lassen.


Herr! laß dir gefallen
Dieses kleine Haus,
Größre kann man bauen,
Mehr kommt nicht heraus.


Du bist auf immer geborgen,
Das nimmt dir niemand wieder:
Zwey Freunde, ohne Sorgen,
Weinbecher, Büchlein Lieder.


„Was brachte Lokman nicht hervor,
Den man den garst’gen hieß!“
Die Süßigkeit liegt nicht im Rohr,
Der Zucker der ist süß.


Herrlich ist der Orient
Ueber’s Mittelmeer gedrungen,
Nur wer Hafis liebt und kennt
Weiß was Calderon gesungen.


„Was schmückst du die eine Hand denn nun
Weit mehr als ihr gebührte.“
Was sollte denn die linke thun,
Wenn sie die rechte nicht zierte?


Wenn man auch nach Mecca triebe
Christus Esel, würd’ er nicht
Dadurch besser abgericht,
Sondern stets ein Esel bliebe.


Getretner Quark
Wird breit, nicht stark.


Schlägst du ihn aber mit Gewalt
In feste Form, er nimmt Gestalt.
Dergleichen Steine wirst du kennen,
Europäer Pisé sie nennen.


Betrübt euch nicht ihr guten Seelen!
Denn wer nicht fehlt weiß wohl wenn andre fehlen;
Allein wer fehlt der ist erst recht daran,
Er weiß nun deutlich wie sie wohl gethan.


Du hast gar vielen nicht gedankt
Die dir so manches Gute gegeben!
Darüber bin ich nicht erkrankt,
Ihre Gaben mir im Herzen leben.


Guten Ruf mußt du dir machen,
Unterscheiden wohl die Sachen,
Wer was weiter will verdirbt.


Die Flut der Leidenschaft sie stürmt vergebens
An’s unbezwungne, feste Land. —
Sie wirft poetische Perlen an den Strand,
Und das ist schon Gewinn des Lebens.