Cogito, ergo sum

Cogito, ergo sum: ich denke, also bin ich, Ausdruck für die unmittelbare Erfassung der eigenen Existenz des Subjekts als Subjekt (nicht als metaphysische Substanz) in der innern Wahrnehmung und Erfahrung. Das Sein ist ein integrierendes Moment des Selbstbewußtseins, der Ich-Tätigkeit; diese setzt sich, wirkend als seiend, ohne Schluß auf ein Sein hinter dem Bewußtsein. Die Sicherheit der innern Erfahrung wird durch das »Cogito, ergo sum« begründet.

Schon in den Upanishads findet sich die Bemerkung: »Das Selbst ist die Basis (âçraya) für die Tätigkeit des Beweisens, und mithin ist es auch vor der Tätigkeit des Beweisens ausgemacht..., denn wer es in Abrede stellt, eben dessen eigenes Wesen ist es« (DEUSSEN, Allgem. Gesch. d. Philos. I 2, 240). Dann bei AUGUSTINUS: »Quando quidem, etiam si dubitat, vivit, si dubitat, cogitat« (De trinit. X, 14). Wenn ich zweifle oder irre, so muß ich sein (Solil. II, 1 f.; De ver. relig. 72 f.). THOMAS: »Nullus potest cogitare se non esse cum assensu: in hoc enim, quod cogitat, percipit se esse« (De verit. 10, 12 ad 7). Ähnlich WILHELM VON OCCAM. Ferner CAMPANELLA: »Si negas et dicis me falli, plane confiteris, quod ego sum; non enim possum falli, si non sum« (Univ. philos. I, 3, 3). »Ergo nos esse et posse scire et velle est certissimum principium, deinde secundario, nos esse aliquid et non omnia« (ib.).

Neu aufgestellt und zum formalen Fundament der Gewißheit der Erkenntnis gemacht wird das Erfassen des Ich-Seins aus dem denkenden Bewußtsein von DESCARTES. Der methodische Zweifel (s. d.) fordert, daß an allem, was bisher dogmatisch für objektiv gehalten wurde, gezweifelt wird. Zweifelt man aber, so denkt man, und wie könnte das Denken, das Denkende nicht sein? Mag ich selbst in allem meinem Denken betrogen sein, niemand, auch Gott nicht, kann bewirken, daß ich nichts sei, solange ich denke, »adeo ut omnibus satis superque pensitatis denique statuendum sit hoc pronunciatum: ego sum, ego existo, quoties a me profertur, vel mente concipitur, necessario esse verum« (Medit. II, p. 9). Das Denken kann vom Ich nicht getrennt werden: »cogitatio est, haec sola a me divelli nequit, ego sum, ego existo, certum est« (Medit. II, p. 10). Das Ich ist also, und zwar ist es »res cogitans« (Medit. II, p. 11). »Facile supponimus nullum esse Deum, nullum coelum, nulla corpora; nosque etiam ipsos non habere manus, nec pedes, nec denique ullum corpus; non autem ideo nos qui talia cogitamus nihil esse: repugnat enim, ut putemus id, quod cogitat, eo ipso tempore, quo cogitat, non existere. Ac proinde haec cognitio, ego cogito, ergo sum, est omnium prima et certissima« (Princ. philos. I, 7). Der Satz ist nicht Resultat begrifflicher Schlußfolgerung (mit der Prämisse: alles Denkende existiert), sondern unmittelbar durch »prima quaedam notio quae ex nullo syllogismo concluditur« gewonnen (Respons. ad II. obi.). Er ist klar und deutlich einzusehen, also wahr. »Descartes will mit diesem Satze zu der Voraussetzung aller, auch der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, dem denkenden Subjekte, zurückgreifen, um von da aus in methodischem Fortschritte und auf dem Wege einer lückenlosen Deduktion zu den Grundbegriffen des Wissens und den Elementen des Seins zu gelangen« (RIEHL, Zur Einf. in d. Philos. S. 43). GASSENDI meint, aus jeder Handlung des Ich, nicht bloß aus dem Denken, folge das Sein des Ich. Nach LEIBNIZ ist der Satz: »ich bin« von äußerster Evidenz, eine unmittelbare Wahrheit. Ich bin denkend bedeutet schon implizite: ich bin (Nouv. Ess. IV, ch. 7, § 7). CHR. WOLF hingegen faßt den Satz: cogito, ergo sum als logische Demonstration auf (Vern. Ged. I, § 6 f.). DESTUTT DE TRACY wiederum meint, Descartes hätte sagen können »penser et exister sont pour moi une seule et même chose« (El. d'idéol. III, 2). Nach M. DE BIRAN hätte Descartes richtiger sagen sollen »je veux, donc je suis«, ich will, also bin ich (»volo, ergo sum«) (Oeuvr. inéd. III, p. 410, 413, 420). Nach GÜNTHER ist das »cogito, ergo sum« ein Vernunftschluß, der sich auf die Identität des Denkens und Seins im Ichbewußtsein stützt. Nach O. SCHNEIDER ist der Satz kein Schluß, sondern eine Tautologie: »Ergo sum enthält nichts weiter, als was schon in dem cogito versteckt liegt und wirkt« (Transzendentalpsych. S. 445). J. BERGMANN betont: »Gewiß ist..., daß wir nichts als daseiend denken können, ohne unser denkendes Ich selbst als daseiend zu denken« (Begr. d. Das. S. 294).

SCHOPENHAUER stellt den Gegen-Satz auf: »Cogito ergo est - d.h. wie ich gewisse Verhältnisse (die mathematischen) an den Dingen denke, genau so müssen sie in aller irgend möglichen Erfahrung stets ausfallen« (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 4). A. RIEHL korrigiert den Cartesianischen Ausspruch in »cogito, ergo sum et est«. »Nicht mein Selbstbewußtsein, mein Bewußtsein ist mir ursprünglich gegeben; die innere Erfahrung geht weder der Zeit noch dem Begriffe nach der äußern voran« (Philos. Kritic. II 2, 147). »Indem ich mir meines eigenen Daseins bewußt werde, werde ich mir unter einem des Daseins von etwas bewußt, was ich nicht bin« (ib., ähnlich KANT, s. Objekt).

Daß aus dem »cogito« nur die Existenz des »cogitari«, Gedachtwerdens, nicht des Ich als Träger, Subjekt des Denkens folgt, behauptet zuerst LICHTENBERG. »Wir kennen nur allein die Existenz unserer Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken. Es denkt, sollte man sagen, so wie man sagt: es blitzt. Zu sagen cogito, ist schon zu viel, sobald man es durch ›Ich denke‹ übersetzt. Das Ich anzunehmen, zu postulieren, ist praktisches Bedürfnis.« »Mit eben dem Grade von Gewißheit, mit dem wir überzeugt sind, daß etwas in uns vorgeht, sind wir auch überzeugt, daß etwas außer uns vorgeht« (Bemerk. S. 129). SCHELLING: »Die Meinung des Cartesius ist also, das Sum sei in dem Cogito eingeschlossen« (Zur Gesch. d. neuer. Philos. WW. I 10, 9 f.). Das »wahre Faktum« dabei ist aber nur: »Es denkt in mir, es wird in mir gedacht« (l.c. S. 12). Nach NIETZSCHE ist nur sicher: »Ich stelle vor, also gibt es ein Sein: cogito, ergo est«. »Daß ich dieses Vorstellen des Seins bin, daß Vorstellung eine Tätigkeit des Ich ist, ist nicht mehr gewiß: ebensowenig alles, was ich vorstelle. - Das einzige Sein, welches wir kennen, ist das vorstellende Sein« (WW. XII, 1, 6). Das »Ich« als Substanz wird nur geglaubt, fingiert. »Es wird gedacht; folglich gibt es Denkendes: darauf läuft die Argumentation des Cartesius hinaus. Aber das heißt, unsern Glauben an den Substanzbegriff schon als 'wahr a priori' ansetzen: - daß, wenn gedacht wird, es etwas geben muß, 'das denkt', ist einfach eine Formulierung unserer grammatischen Gewöhnung, es wird hier bereits ein logisch-metaphysisches Postulat gemacht - und nicht nur konstatiert « (WW. XV, 3, 260, VII, 1, 16 f.). Der »Geist«, der denkt, ist nur »imaginiert«, das »Subjekt« des Bewußtseins eine Fiction (WW. XV, 262 ff.). Nach P. RÉE darf es nur heißen »Sum cogitans. Ich bin ein Häufchen Vorstellungen« (Philos. S. 115).


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