Halluzination

Halluzination ist eine »Sinnestäuschung«, nämlich eine Erinnerungsvorstellung, die durch ihre Ähnlichkeit mit einer Sinneswahrnehmung als solche beurteilt wird, als ein wirkliches Objekt gilt. Der Reiz (s. d.) zur Halluzination liegt allein im Organismus, in verschiedenen (momentanen, vergänglichen oder dauernden) Störungen desselben. Zentral erregte Empfindungen sind an der Halluzination beteiligt, sie besteht nicht aus bloßen Erinnerungsbildern. Von der Illusion (g. d.) ist sie zu unterscheiden.

ESQUIROL nennt den einen Hallucinanten, »qui ait la conviction intime d'une sensation actuellement perçue lorsque nul objekt extérieur propre à exciter cette sensation n'est à portée des sens« (Des maladies mentales 1838, I, p. 80). Nach GRIESINGER liegen in den Halluzinationen vor »subjektive Sinnesbilder, welche nach außen projiziert werden und scheinbare Objektivität und Realität bekommen« (Pathol. u. Therap. d. psych. Krankh.2, S. 85). VOLKMANN erklärt: »Die Halluzination nimmt eine bloß reproduzierte Vorstellung für eine Empfindung, erhebt sich aber dadurch über eine bloße Täuschung der innern Wahrnehmung, daß sie die Empfindung veräußerlicht, d.h., wenn diese betont ist, lokalisiert, wenn sie unbetont ist, prodiciert« (Lehrb. d. Psychol. II4, 146). FECHNER erklärt die Halluzinationen für »Täuschungen, die ganz oder beinahe den Charakter von außen erweckter Sinneswahrnehmungen für den Getäuschten annehmen, ohne daß in der äußern Wirklichkeit etwas zu ihrer Anregung vorhanden ist« (Elem. d. Psychophys. II, 505). ZIEHEN betrachtet die Halluzination als einen »Fall krankhaften Empfindens«. »Hier fehlt die Primärempfindung ganz, ebenso jeder äußere Reiz« (Leitfad. d. physiol. Psychol.2, S. 178). »Normalerweise werden die Empfindungszellen nur von der Peripherie aus erregt... Anders bei den Halluzinationen. Hier sind es die Erinnerungsbilder, welche ohne äußeren Reiz sinnlich lebhafte Empfindungen hervorrufen« (l.c. S. 180). WUNDT erklärt: »Unter den Veränderungen der Vorstellungsgebilde besitzen die auf peripherer oder zentraler Anästhesie beruhenden Vorstellungsdefecte im allgemeinen eine beschränkte Bedeutung; sie üben auf den Zusammenhang der psychischen Vorgänge keine tieferen Wirkungen aus. Wesentlich anders verhält sich dies mit der durch zentrale Hyperästhesie hervorgerufenen relativen Steigerung der Empfindung. Ihre Wirkung ist namentlich deshalb eine sehr eingreifende, weil durch sie reproduktive Empfindungselemente die Stärke äußerer Sinneseindrücke erreichen können. Infolgedessen kann es geschoben, daß entweder reine Erinnerungsbilder als Wahrnehmungen objektiviert werden: Halluzinationen; oder daß, wenn direct erregte und reproduktive Elemente sich verbinden, durch die Intensität der letzteren der Sinneseindruck wesentlich verändert erscheint: phantastische Illusionen. Praktisch sind beide nur insofern zu unterscheiden, als sich in sehr vielen Fällen bestimmte Vorstellungen als phantastische Illusionen nachweisen lassen, während das Vorhandensein einer reinen Halluzination fast irmmer zweifelhaft bleibt, da irgend welche directe Empfindungselemente sehr leicht übersehen werden können. In der Tat ist es nicht unwahrscheinlich, daß weitaus die meisten sogenannten Halluzinationen Illusionen sind«, d.h. »Assimilationen mit starkem Übergewicht der reproduktiven Elemente« (Gr. d. Psychol.5, S. 325 f.; Grdz. d. physiol. Psychol. II, 430 ff.). Nach KÜLPE sind Halluzinationen zentral erregte Empfindungen von sinnlicher Lebhaftigkeit (Gr. d. Psychol. S. 187). STÖRRING charakterisiert die Halluzination durch die Überzeugung des Halluzinierenden, eine wirkliche Wahrnehmung zu haben (Psychopathol. S. 31 f.), bestimmt sie als Sinnes-, nicht als Urteilstäuschung (gegen GRASHEY, Über Halluzinationen, München. Medicin. Wochenschr. 1893, u. a.), erörtert den Unterschied elementarer und komplexer Halluzinationen, untersucht die verschiedenen Arten der Halluzinationen (Gesichts- , Bewegungs-, Geschmacks-, Tast-Halluzinationen). Bei den »Pseudo-Halluzinationen« fehlt der Charakter der Objektivität (l.c. S. 69). Die Theorien der Halluzination zerfallen in die »zentralen« (»rein psychischen«) und die »psycho-sensoriellen«; letztere treten als »centripetale« oder »centrifugale« Theorie auf (l.c. S. 72). Nach Störring wird bei der Halluzination durch einen Sinneseindruck eine intensive Vorstellung ausgelöst, welche auf Grund einer gesteigerten Anspruchsfähigkeit der Hirnrinde mit jenem eine Verschmelzung eingeht (l.c. S. 88 ff.). - TAINE bezeichnet die objektiven Vorstellungen als »Halluzinationen« (s. Objekt). Vgl. BINET, L'hallucinat.; PARISH, Üb. d. Trugwahrnehm. 1894; SULLY, Die Illusionen 1883; HELLPACH, Grenzwiss. S. 309 u. a.


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