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Roda Roda

Es gilt ja vielleicht nicht für fein, ihn ernsthaft literarisch zu werten. Seine Schuld. Er begeht die Unklugheit, überall mitzutun: mit den ›fliegenden‹ harmlos blöd zu sein, mit den ›Lustigen‹ lustig, mit noch andern witzig, mit dem ›Simplicissimus‹ bissig. Das Bild verwischt sich, und der Künstler kommt nicht allzu gut weg dabei. Mit Recht hat Fritz Mauthner geklagt, dass zuviel geschrieben wird, dass vielleicht der einzelne gar nicht so viel schreiben will, dass er aber muß: die Redaktionen Verlangens, und Geld bringts auch.

Und wenn man nun das wirklich Gute, das Roda Roda – der (entschuldigt!) ein Künstler ist – geschaffen hat, von dem sondert, was er so produziert, dann bleibt noch genug übrig. Vor allem in den zwei unübertrefflichen Bänden: ›Der Schnaps, der Rauchtabak und die verfluchte Liebe‹ und ›Von Bienen, Drohnen und Baronen‹. Da sind Stücke drin, die man nicht wieder vergißt. Es hat keinen Zweck, sie euch aufzuzählen: lest sie selbst, wie lieb er seinen alten Oberst gehabt hat; wie ihm einmal ein famoses Lied geglückt ist vom ›Kürassier‹, wie er überhaupt in seinen Erzählungen ein scharfes Gefühl für die Lieder – man möchte sagen: des praktischen Lebens hat, für die Soldatenlieder und die Lieder der Besoffenen und all das. Und man hat die Empfindung: nun ist der Onkel Roda wieder zu Besuch, und nun wollen wir uns hinsetzen, und er soll an seiner Zigarre ziehen, dass sie durch die Dämmerung aufleuchtet, und dann soll er erzählen, erzählen! Und Onkelchen erzählt: seine Kunst ist nicht, mit besonderer Kunstfertigkeit zu erzählen, aber immer das richtige Tempo zu treffen, nicht zu hetzen und nicht zu öden. Und er erzählt: nachdenkliche Geschichten, bei denen man sorgsam und sich räuspernd seine Pfeife ausklopfen kann, lustige und hinterhältig witzige, sehr ernste – und eine davon: die ›Arbeit an der Wuka‹ soll ihm nie vergessen werden – Geschichten mit einer schönen Moral, wie das ›Bewußtsein‹, und andre, die ganz voll sind von Erinnerung und vergangenem Leben. Und wir hören stundenlang zu und rühren uns nicht und verlangen noch immer mehr. Wie er aber auch alle Stimmen und Stile nachahmen kann: den Juden und den Pedanten und den Kaufmann und den Oberst und die Dirne und alle! Ja, der hat was erlebt.

›Fluch seinem Dudelsack‹? So schlimm ists wieder nicht. Er ist ja kein weinender Pierrot mit der lustigen Außenseite. Er ist ein Künstler, dem die Vielschreiberei die guten Qualitäten nicht raubt, jedoch hier und da verdeckt.

Aber Onkelchen braucht Geld! Das ist das Los des Schönen auf der Erde, dass es fortzeugend Schönes muß gebären. Wir sinds schließlich zufrieden und bitten nur: Erzähle, Onkelchen, erzähle!

Peter Panter
Die Schaubühne, 05.03.1914, Nr. 10, S. 289.