Zum Hauptinhalt springen

Unser Militär und unsere Presse

Die Bremer Nachrichten, ein Generalanzeiger mit bezahlter Vorderseite und deutschnationaler Hinterseite, befassen sich in ihrer Nummer vom 2. Dezember mit meiner Person. Zwischen einer albernen Ente aus Moskau (»Ein wirklicher Eispalast«) und einer lügenhaften Nachricht aus Berlin (»Ausschreitungen im Berliner Schauspielerstreik«) wird da ein »erbärmlicher Volksvergifter« entlarvt. Das bin ich.

Die Sache liegt so: Seit dem Jahre 1913 habe ich in Wort und Schrift dargetan, dass der Geist des wilhelminischen Deutschlands eine Schande und eine Schmach gewesen ist. Die Hauptstütze dieses grauenhaften Typus von Prahlhans und Kommis, von Radaumacher und Schnapsreisenden, jenes Typus, der immer zwischen einem katzbuckelnden Kellner und einen hochfahrenden Assessor hin- und herpendelte, war der deutsche Offizier. In jener großen Zeit, in der auch die Generalanzeiger der Provinz derart logen, wie sie noch nie gelogen hatten, und in der wir wöchentlich zwei dicke Siege und eine dünne Kriegsanleihe hatten – in jener großen Zeit erfuhren Hunderttausende von deutschen Männern, was das mit jenem deutschen Offizier auf sich hatte, dessen Lob ihnen jedes Schullesebuch übermittelte. Vorher hatten vielleicht manche daran geglaubt. Nach dem Kriege wußten wir alle Bescheid. Zu viele hatten zu tief in den inneren Betrieb des Militarismus hineingesehen – uns konnte keiner mehr etwas vormachen. Das versuchte im November 1918 auch niemand. Kein Ludendorff, kein Kaiser, kein Generalanzeiger. Nicht einmal die Bremer Nachrichten.

Im Laufe der Monate, als sie sahen, dass niemandem etwas geschah, sammelten sie sich. Und logen, dass sich die Druckmaschinen bogen. Da kam das Märchen von der erdolchten Front – nie hatte auch nur einer dieser Telefongenerale und Maulhelden einen revolutionären Flugzettel an der Front oder in der Etappe gesehen –, da entlud sich die ganze Wut des Spießers über den, der ihm seinen geliebten Militärpopanz wegnahm, vor dem es sich so entzückend strammstehen ließ.

Mich haben sie ganz besonders beim Wickel. Als sich herausgestellt hatte, dass alle Beleidigungsklagen nichts halfen, auch nicht das Geschrei der politisch interessierten Presse, die immer – im deutschen Stil wie im militärischen Stoff – den kürzeren zog, versuchten sie es mit persönlichem Kram.

Irgendein kleiner Pinscher ließ in einem Käseblatt der Kriegervereine Kompanieklatsch aus dem Jahre 1915 über mich drucken – schlecht stilisiert, verlogen und maßlos kindlich. Die Presse druckte nach. Ich ließ das in ein paar Zeitungen, soweit sie mir nicht zu unsauber erschienen, berichtigen. Hatte die Provinzpresse den Angriff mit Behagen abgedruckt, so verwehrte es ihnen ihre deutsche Heldenbrustgesinnung, auch die Berichtigung abzudrucken. Wie hatte der Vorsitzende neulich vor dem Staatsgerichtshof des Reichsgerichts gesagt? »Verlogenheit mag völkisch sein – deutsch ist sie nicht.« –

Die Bremer Nachrichten, deren journalistische Ehre es ihnen sicherlich nicht erlaubt, zu berichtigen, was sie gelogen haben, sind an sich so uninteressant wie ihr »demokratischer« Chefredakteur. Ich weiß, dass sich solche tapferen Männer immer auf die trübe Quelle berufen werden, aus der sie – mit Pinsel und Schere – schöpften. Für uns andern aber, die wir glauben, dass auch ohne jene bunt angemalten Hanswürste ein neues Deutschland erstehen solle, sei festgestellt:

  1. Ich habe niemals im Felde meine Kameraden »Kerls« tituliert.

  2. Ich bin niemals »Leiter einer Soldatenzeitung« gewesen.

  3. Ich habe weder mit noch ohne Stolz das E. K. getragen – denn ich habe es gar nicht besessen.

Aber darum handelt es sich auch gar nicht. Denn es dreht sich überhaupt nicht um meine Person.

Meine militärische Sachkenntnis, die mich berechtigte, ein vernichtendes Urteil über den deutschen Offizier abzugeben, beruht auf einer Erfahrung von dreieinhalb Jahren. Ich habe sie kennengelernt – ohne mit ihnen je in Konflikt zu geraten. Und das kann sich kein Schmock vorstellen, dass man um der Sache willen einen angreift.

Hier wird das Kampffeld verschoben. Nicht ich bin angegriffen – jene sind es. Nicht um mich handelt es sich, der ich niemals behauptet habe, Heldentaten für eine Sache begangen zu haben, die meinem Herzen immer fremd gewesen sind. Nicht um mich handelt es sich – sondern um den Kneifer Ludendorff mit der blauen Brille. Nicht um mich, sondern um seinen Hindenburg, der sich von Hakenkreuzlern antelegrafieren läßt, ihnen dankt und so das Blut Tausender gefallener jüdischer Soldaten beschimpft – nicht um mich handelt es sich, sondern um einen Monarchen, der in dem Augenblicke, da es sich erweisen sollte, ob er Herrscher war oder nur ein oft fotografiertes Schaustück, ausriß und Stück für Stück die Republik um Häuser, Schmuck und Geld betrog. Nicht um mich handelt es sich, sondern um jenen Militarismus, der das Volk bis ins Mark vergiftet hat und aus kleinen Subalternbeamten und harmlosen Kaufleuten tobsüchtige Rohlinge gemacht hatte, die keinen größeren Stolz kannten, als »Vorgesetzte« zu sein, und keine größere Freude, als nach unten zu treten. Wir alle haben unter ihnen gelitten.

Darum handelt es sich. Meine Person ist nicht wichtig. Meine Sache ist es sehr. Den Fahnenträgern der Kriegervereine, denen ich so oft den Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Zylinder eingetrieben habe, mögen sich beruhigen. Der Glaube an den deutschen Offizier ist dahin. Trotz einer Pressereklame, die verdammt nach Odol schmeckt: Aufdringlich und gut bezahlt.

Wie steht in den Bremer Nachrichten? – »Vergeßt nicht, dass wir unsere geraubten Kolonien wieder haben müssen!« – Ein Volk ruft dagegen:

»Vergeßt nicht, dass wir unsern zerschlagenen Militarismus nie wieder haben wollen! Nieder mit der Wehrpflicht! Nie wieder Krieg!«

Ignaz Wrobel

Bremer Volkszeitung, 12.12.1922.