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Die weinenden Hohenzollern

Sie sitzen in den Niederlanden
und gucken in die blaue Luft.
Der Alte mit den hohen Granden,
der Junge in der Tenniskluft.
Wer fuhr denn – töff-töff-töff – nach Holland,
woraus man heut sich traurig sehnt?
Sie klagen, ihre Welt sei Moll-Land …
Vater hat jeweent, Willy hat jeweent –
Alle ham se jeweent!

Das geht nun seit vier langen Jahren.
Es trieft das Schmalz. Die Zähre rinnt:
»Der biedere Greis in Silberhaaren –
das arme, so verfolgte Kind … «
Und selbst im Kino blüht die Lilie.
Das Fridericus-Auge tränt …
Das liegt nun mal in der Familie …
Vater hat jeweent, Willy hat jeweent –
Alle ham se jeweent!

Sie schreiben Fibeln für die Kleinen –
drin steht: »Ich hab es nicht gewollt!«
Die Krone fiel. Wer wird denn weinen!
Das ganze Geld kam nachgerollt.
Ein ewig Gestern – nie ein Morgen.
Mein Gott, die Welt hat andre Sorgen!
Es trägt ein Volk die schwersten Lasten
Mit Melodien, dem Kitsch entlehnt,
drehn die an ihrem Leierkasten:
Vater hat jeweent, Willy hat jeweent –
Alle ham se jeweent!

Theobald Tiger
Die Weltbühne, 18.05.1922, Nr. 10, S. 513.