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Kriegsherr

Kriegsherr dieser ältere und mehrdeutige Ausdruck entwickelt sich seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zum prägnanten Schlagwort für die unbedingte fürstliche Obergewalt über die Armee, nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden. Hildebrand belegt die letztere Anwendung im DWb. aus der Kasseler Zeitung vom Jahre 1846. Aber erst seitdem Bismarck den Ausdruck im preußischen Landtag am 11. März 1851 gebrauchte und dadurch eine polemische Auseinandersetzung veranlaßte, erhielt er das gehörige Gewicht. Siehe polit. Reden 1, 338, wo er über das preußische Offizierkorps bemerkt: „Es hat diese seine Pflicht nur darin erkannt, seinem Könige und Kriegsherrn treu und gehorsam zu sein.“ Dazu S. 340 die Erwiderung aus den Tadel des Abgeordneten v. Binde: „Dieser Ausdruck ist nicht so neueren Ursprungs, wie das geehrte Mitglied meint, dürfte aber kaum von den Condottieris des italienischen Mittelalters abzuleiten sein. Wo er mir zuerst vorgekommen ist, das ist in den Bestimmungen des Deutschen Bundes über die Bundeskriegsverfassung, wo unterschieden ist zwischen dem Feldherrn und dem Kriegsherrn, unter welchem Letzteren stets der Landesherr desjenigen Landes verstanden ist, dem die Armee angehört.“ Zugleich wahrt er sich entschieden das Recht, diesen „passenden und wohlklingenden Ausdruck“ auch fernerhin zu gebrauchen, so lange er den militärischen Rock tragen dürfe.

Anders Lassalle, der ihn 1, 53 durch die gehässige Deutung namentlich zu diskreditieren sucht, „dass der König zu dem Heer eine ganz andere Stellung habe, als zu jeder anderen Staatsinstitution, dass er in Bezug auf das Heer nicht nur König, sondern auch noch etwas Anderes, ganz Besonderes, Geheimnisvolles und Unbekanntes sei, wofür man das Wort "Kriegsherr“ erfindet.“ Solches Bemühen, den „Kriegsherrn“ als eine schlaue Erfindung monarchischer Herrschsucht hinzustellen, rügt Treitschke als wahrhaft knabenhafte Dreistigkeit (Preuß. Jahrb. 34, 266).

Nach der Neubegründung des Deutschen Reiches bildete sich für den Kaiser entsprechend Begriff und Wort des obersten Kriegsherrn heraus, woran ebenfalls zunächst manche Anstoß nahmen. Die Grenzb. bringen im Jahre 1903, 3. Viertelj. S. 677 eine besondere Notiz unter diesem Stichwort, worin sie befriedigt feststellen, dass König Georg von Sachsen nach den Kaiserparaden von Zeithain und Leipzig zweimal den Kaiser als den „obersten Kriegsherrn", nicht nur als den Oberfeldherrn des deutschen Reichsheeres begrüßt und damit dem Bedenken derer ein Ende gemacht habe, die in diesem Ausdruck eine Art von Herabsetzung des Kontingentsherrn zu sehen meinten.“