15. These der Gottlosigkeit des Sokrates und ihre Ungereimtheit


Erwägt aber mit mir, ihr Männer, warum ich finde, dass er dies sagt! Du aber antworte uns, o Meletos! Ihr aber, was ich euch von Anfang an gebeten habe, denkt wohl daran, [27b] mir kein Getümmel zu erregen, wenn ich auf meine gewohnte Weise die Sache führe! Gibt es wohl einen Menschen, o Meletos, welcher, dass es menschliche Dinge gebe, zwar glaubt, Menschen aber nicht glaubt? Er soll antworten, ihr Männer, und nicht anderes und anderes Getümmel treiben! Gibt es einen, der zwar keine Pferde glaubt, aber doch Dinge von Pferden? Oder zwar keine Flötenspieler glaubt, aber doch Dinge von Flötenspielern? Nein, es gibt keinen, bester Mann; wenn du doch nicht antworten willst, will ich es dir und den übrigen hier sagen. Aber das nächste beantworte: Gibt es einen, [c] welcher zwar, dass es daimonische Dinge gebe, glaubt, Daimonen aber nicht glaubt? - Es gibt keinen. - Wie bin ich dir verbunden, dass du endlich, von diesen gezwungen, geantwortet hast! Daimonisches nun behauptest du, dass ich glaube und lehre, sei es nun neues oder altes, also Daimonisches glaube ich doch immer nach deiner Rede? Und das hast du ja selbst beschworen in der Anklageschrift. Wenn ich aber Daimonisches glaube, so muß ich doch ganz notwendig auch Daimonen glauben. Ist es nicht so? Wohl ist es so! Denn ich nehme an, dass du einstimmst, da du ja nicht antwortest. [d] Und die Daimonen, halten wir die nicht für Götter entweder, oder doch für Söhne von Göttern? Sagst du ja oder nein? - Ja, freilich. - Wenn ich also Daimonen glaube, wie du sagst, und die Daimonen sind selbst Götter, das wäre ja ganz das, was ich sage, dass du Rätsel vorbringst und scherzest, wenn du mich, der ich keine Götter glauben soll, hernach doch wieder Götter glauben läßt, da ich ja Daimonen glaube. Wenn aber wiederum die Daimonen Kinder der Götter sind, unechte von Nymphen oder andern, denen sie ja auch zugeschrieben werden: welcher Mensch könnte dann wohl glauben, dass es Kinder der Götter gäbe, Götter aber nicht? Ebenso ungereimt wäre das ja, [e] als wenn jemand glauben wollte, Kinder gebe es wohl von Pferden und Eseln, Maulesel nämlich, dass es aber Esel und Pferde gäbe, wollte er nicht glauben. Also, Meletos, es kann nicht anders sein, als dass du entweder, um uns zu versuchen, diese Klage angestellt hast, oder in gänzlicher Verlegenheit, was für ein wahres Verbrechen du nur wohl vorwerfen könntest. Wie du aber irgend einen Menschen, der auch nur ganz wenig Verstand hat, überreden willst, dass ein und derselbe Mensch Daimonisches und Göttliches glaubt, und wiederum derselbe doch auch weder Daimonen, noch Götter, noch Heroen glaubt, [28a] - das ist doch auf keine Weise zu ersinnen.


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