9. Einteilung der Jagd auf Zahmes bis zum Erscheinen des Sophisten


Theaitetos: Gibt es denn eine Jagd auf zahme Tiere?

Fremder: Wenn anders der Mensch ein zahmes Tier ist! Setze aber, was dir gefallt: entweder, dass es gar keine zahmen Tiere gebe, oder dass es deren zwar gebe, der Mensch aber ein wildes sei; oder du magst auch den Menschen zwar ein zahmes nennen, aber nicht glauben, dass es eine Nachstellung auf den Menschen gebe; was du hiervon am liebsten möchtest behauptet haben, darüber erkläre dich nur.

Theaitetos: [222c] So halte ich denn uns für ein zahmes Tier, o Fremdling, und sage auch, dass es eine Nachstellung auf Menschen gebe.

Fremder: Zwiefach, sagen wir nun auch wieder, sei die zahme Jagd.

Theaitetos: Weshalb sagen wir das?

Fremder: Die Räuberei, die Sklavenfangerei, die Tyrannei und die gesamte Kriegskunst, dies sämtlich bestimmen wir als die gewaltsame Nachstellung.

Theaitetos: Schön.

Fremder: Die sachwalterische aber und die volksrednerische und die umgängliche, insgesamt als eins, wollen wir eine Kunst, die überredende, nennen.

Theaitetos: Richtig. [d]

Fremder: Von der Überredungskunst aber setzen wir zwei Gattungen.

Theaitetos: Was für welche?

Fremder: Eine die unter Einzelnen, die andere die öffentlich getriebene.

Theaitetos: Beide Arten gibt es allerdings.

Fremder: Von der nicht öffentlichen nun ist wiederum die eine die lohnfordernde, die andere die geschenkbringende.

Theaitetos: Das verstehe ich nicht.

Fremder: So scheinst du auf die Nachstellung der Liebenden wohl noch nie gemerkt zu haben.

Theaitetos: Wieso?

Fremder: Wie sie den Gefangenen noch Geschenke dazu geben. [e]

Theaitetos: Du hast ganz recht.

Fremder: Diese Art sei also die der Liebeskunst.

Theaitetos: Ganz wohl.

Fremder: Von der lohnfordernden aber gibt es zunächst eine Art, welche immer lieblich redend und, die Lust überall als Lockspeise brauchend, als einzigen Lohn Nahrung fordert, welche wir, glaube ich, als die einschmeichelnde alle für eine ergötzliche Kunst erklären würden. [223a]

Theaitetos: Wie denn anders?

Fremder: Die andere aber, welche um der Tugend willen Umgang zu pflegen verheißt und sich Geld zum Lohne reichen läßt, lohnt es nicht, dass wir diese Art mit einem andern Namen benennen?

Theaitetos: Allerdings.

Fremde: Aber mit welchem wohl? Das versuche zu sagen!

Theaitetos: Es ist klar. Denn den Sophisten haben wir, dünkt mich, gefunden. Ich wenigstens glaube, indem ich ihn für dieses erkläre, ihn mit dem schicklichsten Namen zu benennen.


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