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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe XIII. Verschiedene andere Krankheiten

[20. Gicht]

20. Gicht tritt sowohl akut als chronisch auf. In den allermeisten Fällen fängt der akute Gichtanfall in der großen Zehe an (daher der Name Podagra). Unter Fiebererscheinungen und heftigen Schmerzen, welche meistens nachts einsetzen, schwillt das von der Krankheit befallene Gelenk an, wird rot und heiß; gegen Morgen nehmen die Schmerzen ab und fängt der Kranke an zu schwitzen. Tagsüber fühlt er sich ziemlich wohl, aber in der darauf folgenden Nacht wiederholen sich dieselben Erscheinungen, wobei auch andere Gelenke, wie das Knie- oder Schultergelenk, angegriffen werden können. Der Verlauf der Krankheit ist sehr langwierig und wechselnd. Zuweilen folgen die Gichtanfälle einander sehr schnell, manchmal bleibt jedoch auch der Kranke jahrelang von ihnen verschont. Die chronische Gicht ist durch geschwollene Gelenke und Gichtknoten, welche besonders beim Witterungswechsel schmerzhaft sind, ferner durch Verdauungsstörungen und saures Aufstoßen, Nieren- und Blasensteinbildung und schließlich durch Aderverkalkung, welche zum Schlaganfall führen kann, gekennzeichnet.

Die Ursache der Gicht ist in der Überladung des Blutes mit Harnsäure zu suchen; diese wird in Form kleiner Kristalle zuerst in den Gelenken, später in die verschiedenen Organe abgesetzt und ruft daselbst eine Entzündung hervor. Während die Harnsäure im Blute des Gesunden nur in geringen Mengen vorkommt, ist sie bei Gichtikern außerordentlich vermehrt, was auf ungenügende Verbrennung der Eiweißstoffe zurückzuführen ist. Je mehr stickstoffhaltige Stoffe mit der Nahrung in den Körper gebracht werden, um so größer wird bei Gichtkranken der Harnsäuregehalt des Blutes, bis durch die eine oder andere veranlassende Ursache, z. B. eine Erkältung oder einen Magenkatarrh, die Harnsäure aus dem Blut ausgeschieden und in die Gelenke abgesetzt wird. Worauf dieser abnormale Stoffwechsel bei Gichtikern eigentlich beruht, ist noch nicht genügend aufgeklärt; Erblichkeit scheint dabei eine gewisse Rolle zu spielen; auch ist es sicher, daß der fortgesetzte übermäßige Genuß von Fleisch und Alkohol, ebenso wie die fast ausschließliche Ernährung mit Brot und Hülsenfrüchten für Gicht empfänglich macht, während Leute, welche sich an gemischter Nahrung mit Bevorzugung von Gemüse, Salat unb Obst halten, dabei mäßig leben, Alkohol meiden und genügende Körperbewegung haben, selten oder nie von Gicht befallen werden.

Aus dem Gesagten ergibt sich von selbst, welche Diät bei der Behandlung der Gicht zu befolgen ist. Zu reichliche Mahlzeiten sollten auf alle Fälle vermieden und der Genuß von Fleisch (besonders von gesalzenem Fleisch und Fisch), Eiern, Käse, Hülsenfrüchten und besonders von Wein und schwerem Bier beschränkt oder am besten eine Zeitlang ganz vermieden werden, während das an Nährsalzen reiche Gemüse, ferner Salat und Obst in jeder Form, und ebenso Milch und Buttermilch den ersten Platz bei der Ernährung einnehmen sollten. Besonders ist der reichliche Genuß von Apfelsinen und Zitronensaft zu empfehlen. Ferner ist für geregelten Stuhlgang durch Körperbewegung oder nötigenfalls durch Klistiere zu sorgen. Von großem Nutzen ist körperliche Arbeit, z. B. holzsägen, graben, wenn sie bis zum Schweißausbruch fortgesetzt wird. Die Abhärtung der Haut gegen Witterungseinflüsse ist durch Luft- und Sonnenbäder zu erstreben. An Gicht Leidende sollten sich möglichst viel von der Sonne bestrahlen lassen. Kaltes Baden und Waschen wird dagegen meistens nicht gut vertragen. Von Nutzen ist eine Trinkkur mit Vichy-, Karlsbader-, Gasteiner- oder Neuenahrerwasser. Von homöopathischen Mitteln, welche bei der Gicht gute Erfolge aufzuweisen haben, nennen wir: Lycopod. VI, Kal. jod. 2, Ledum 3, Lith. carb. III, Sulfur VI, Calcar. carb. VI; besonders kann Urtica-urens-Tinktur, 3 mal täglich 5—10 Tropfen in einem ½ Weinglase warmen Wassers, empfohlen werden, da dieses Mittel öfters eine Ausscheidung von harnsauren Salzen durch den Urin bewirkt. Beim akuten Gichtanfall ist Bettruhe erforderlich; neben dem Gebrauch von Aconit. 4 und Colchic. 4 (zuweilen auch von Bryon. 3, Pulsat. 3 oder Rhus tox. 4) empfehlen wir Einreibung des kranken Gelenks mit Mentholsalbe oder Chloroformöl mit nachheriger Einwicklung in Schafwolle. Die chronische Gicht wird ebenfalls mit obengenannten Mitteln, ferner mit Massage und heißen Sandbädern der geschwollenen Gelenke behandelt.

Bei der Knotengicht, welche meistens ältere Personen, die in ärmlichen Verhältnissen leben, befällt und sich durch Verdickungen und Verunstaltungen der Hände und Füße und schließlich durch steifwerden fast aller Gelenke kundgibt, ist meistens jede Behandlung fruchtlos. Am meisten ist noch von Caustic. 4, Kal. jod. 2 und Thuja 6 und von heißen Bädern zu erwarten.



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