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Jacob Voorhoeve Homöopathie in der Praxis III. Behandlung der Krankheiten und erste Hilfe VI. Krankheiten des Nervensystems

[18. Rückenmarkskrankheiten: Verletzung, Erschütterung, Reizung, Entzündung, Schwindsucht des Rückenmarks]

18. Rückenmarkskrankheiten kommen im allgemeinen nicht so sehr viel vor. Die Erscheinungen sind verschiedenartig: Störungen in der Muskeltätigkeit, Lähmungen, Kältegefühl, Schmerzen, Störungen der Verdauungsorgane, der Blase, der Geschlechtsorgane, der Lungen und des Herzens, was unschwer einzusehen ist, wenn man bedenkt, daß die Rückenmarksnerven sich nach allen diesen Organen verzweigen. Die letzten 30 Jahre haben große Fortschritte in dem Erkennen der verschiedenen Rückenmarkskrankheiten gebracht, und auch die Behandlung ist in vielen Fällen nicht mehr so aussichtslos, wie sie früher oft war; besonders durch Heilgymnastik, Bewegungstherapie, Wasserbehandlung und Elektrizität können bei chronischen Rückenmarkskrankheiten verhältnismäßig günstige Resultate erzielt werden. Stets bleibt jedoch eine Anzahl Fälle unheilbar, denn wenn das Rückenmark entartet ist, kann keine Heilmethode Wiederherstellung bewirken. Treten bei einem Kranken Erscheinungen auf, welche auf eine Affektion des Rückenmarks hinweisen, dann ist es ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren, da nur ein Sachverständiger imstande ist, auf diesem schwierigen Gebiete die richtige Diagnose, wovon für die Behandlung soviel abhängt, zu stellen.

Bei Rückenmarksverletzungen durch Fall oder Stoß lege man den Verletzten auf den Leib, mache Kaltwasserkompresse auf den Eücken, welche alle 10 Minuten erneuert werden müssen und verabreiche innerlich stündlich 5 Tropfen Arnica 3.

Bei Rückenmarkserschütterungen, welche u. a. bei Bahnbeamten öfters vorkommen und durch Rückenschmerzen, Taubheitsgefühl in Fingern und Zehen, baldiges Ermüden und schleppenden Gang gekennzeichnet sind, hilft oft der abwechselnde Gebrauch von Arnica 3 und Hyperic. 3, nebst Einreibungen des Rückens mit verdünnter Arnica-Tinktur.

Bei Rückenmarksreizung oder Spinalirritation, welche bei nervösen Personen, welche ein ungeregeltes Leben führen, anstrengende Kopfarbeit verrichten und an Unterleibsbeschwerden leiden (diese Kranken klagen dann über Schmerzen in der Wirbelsäule, Schwächegefühl beim Gehen und Taubheitsgefühl in Händen und Füßen), nicht selten vorkommt, helfen Arnica 3 und Rhus tox. 6 nebst kalten Waschungen des Rückens und elektrische Behandlung, wobei selbstredend die Lebensweise genau geregelt werden muß.

Bei Rückenmarksentzündung, welche mit oder ohne Fieber verläuft und von Schmerzen, Über- oder Unempfindlichkeit der Haut, Lähmungen bestimmter Muskelgruppen und Funktionsstörungen verschiedener Organe begleitet ist, muß der Kranke strikte Bettruhe einhalten, leicht verdauliche Nahrung zu sich nehmen und, wenn nötig, mit milden Wasseranwendungen, schwachen elektrischen Strömen oder Heilgymnastik behandelt werden. Homöopathische Heilmittel, welche in Betracht kommen, sind: Bei Fieber und Schmerzen im Anfang der Krankheit Aconit. 4 und Bellad. 4; bei Lähmungen Rhus tox. 4, Caustic. 3, Argent. nitr. 4; ist Syphilis die Ursache, dann passen Mercur. solub. III—VI, Mercur. phosph. III—VI und Kal. jod. 2. In chronischen Fällen ist es angebracht, von Zeit zu Zeit eine Dosis Sulfur in höheren Verreibungen zu geben.

Rückenmarksschwindsucht endlich ist wohl die am meisten vorkom­men­de Krankheit des Rückenmarks und kommt meistens bei Männern zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr vor. Mit Tuberkulose hat diese Krankheit nichts gemein, wie der Name denken lassen könnte, sondern sie be­steht in allmählich fortschreitender Entartung des Rückenmarks. Ihre Ursachen sind: Syphilis, ausschweifendes Leben, übermäßige körperliche Anstrengung, z. B. bei Eilmärschen, und heftige Erkältung. Die Krankheit fängt meistens mit starken Schmerzen in den Beinen an, dieselben werden gewöhnlich zuerst für rheumatisch gehalten. Danach zeigt sich ein Gefühl, als ob ein Band um den Unterleib gebunden wäre, das Urinieren macht Beschwerden und männliches Unvermögen tritt auf. Das auffallendste Symptom, welches auch den Laien an eine schwere Rückenmarkskrankheit denken läßt, ist die Unsicherheit beim Gehen; der Gang wird wankend, die Beine schleudern. Dazu gesellen sich heftige Magenschmerzen, Lähmungen, Abnahme des Sehvermögens und das Ende ist ein trauriges Bild der Hilflosigkeit. Nicht alle Fälle nehmen jedoch diesen Verlauf, da es nicht selten durch eine zweckmäßige Behandlung gelingt, die Krankheit aufzuhalten, oder wenigstens merklich zu bessern. Wenn Syphilis die Ursache ist, dann sind die bei Rückenmarksentzündung bereits genannten Mittel angezeigt. Nach heftiger Erkältung kommen in Betracht: Aconit. 3, Rhus tox. 4, Nux vom. 4; nach körperlicher Überanstrengung: Arnika 2 und China 2; nach Unterdrückung von Fußschweiß: Silicea VI. In vielen Fällen ist Alumin. met. VI nützlich, was sich besonders bei lang anhaltendem Gebrauch dieses Mittels zeigt. Ferner können Argent. nitr. 4, Acid. picronitr. 6, Phosph. 6, Secal. corn. 3 versucht werden. An dieser Krankheit Leidende müssen viel ruhen, sich warm kleiden und jegliche Aufregung und Anstrengung meiden. Ein längerer Aufenthalt in Badeorten, wie Gastein und Nauheim, hat oft merkliche Besserung zur Folge. Ferner werden kalte Waschungen, warme Bäder, von kühlen Übergießungen gefolgt, galvanische Elektrizität und heilgymnastische Bewegungen zuweilen mit gutem Erfolg angewendet.



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